Globalisierung vs. Nation

Fußball Im Fußball wird ein Kampf zwischen Champions League und Europameisterschaft ausgetragen

Das sportlich höchststehende Fußballereignis des Jahres fand gerade in Moskau statt, das Finale der Champions League zwischen Manchester United und Chelsea FC. Die englische Liga, in der beide Klubs spielen, bietet gegenwärtig den besten Fußball, der auf der Welt zu sehen ist. Aber die englische Nationalmannschaft konnte sich nicht für die Europameisterschaft qualifizieren, die in zwei Wochen beginnt. Souverän qualifiziert hingegen hat sich die deutsche Nationalelf, während der neue deutsche Meister, der FC Bayern München, im Halbfinale aus dem Uefa-Pokal flog. Mit den Stars des FC Bayern, dem Italiener Luca Toni und dem Franzosen Franck Ribery, kann man bei der EM rechnen. Auch der Deutsche Michael Ballack vom Chelsea FC und der Portugiese Cristiano Ronaldo von Manchester United könnten die EM sportlich prägen.

"An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit", kommentierten Marx und Engels solche Umstände, "tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander." Moderne Klubs machen auch den Fußball verwertbar und sind zu global agierenden Wirtschaftsunternehmen herangewachsen. Die Nationalmannschaften stehen in diesen Zeiten für das, was Friedrich Engels den "ideellen Gesamtkapitalisten" nannte, den Staat, der sich ums große Ganze kümmert, solange der Nationalstaat noch eine Bedeutung hat.

Dass zwei englische Klubs ins russische Moskau reisen, um ihren Saisonhöhepunkt zu zelebrieren, wäre, wenn Fußball ein Sport wäre, der den Fans gehörte, niemandem zu erklären. Wie früher im Uefa-Pokal hätte man ein Hinspiel in Chelsea und ein Rückspiel in Manchester veranstalten können, und über die doppelten Einnahmen an den Stadionkassen hätten sich alle gefreut. Heute wird das Geld mit Fernseh- und Werbeeinnahmen verdient, und wer noch ins Stadion geht, ist kein Vertreter der working class mehr, sondern ein Besserverdiener, der für ein großes Spiel eine vierstellige Summe hinlegt, um schnell nach Moskau zu jetten.

Der Fußball ist aber für die Reproduktion der Gesellschaft wichtig, hätte Engels gesagt, und folglich organisiert der DFB, dieser "ideologische Staatsapparat", die deutsche Teilhabe an der Europameisterschaft. Die ist sportlich definitiv weniger anspruchsvoll als die Champions League, aber sie bindet mehr Emotionen. Vor wenigen Jahren fand eine Studie heraus, dass das größte Interesse von Fußballfans Welt- und Europameisterschaften gilt. Dahinter begeisterten sich die Fans am ehesten für die nationale Meisterschaft, in Deutschland also für die Bundesliga. Das Interesse für die Champions League entspricht prozentual etwa dem für die zweite Liga, vor allem wenn kein Verein aus dem eigenen Land mehr im Wettbewerb steht.

Daran kann man erkennen: Der sehr gute Fußball, der seine Teams nicht nach Staatszugehörigkeit, sondern nach Leistung zusammenstellt, die im Kapitalismus durch Geld beziffert werden kann, begeistert also lediglich wirkliche Fußballexperten und solche, die sich das mit dem Wissen verbundene Renommee kaufen können.

Das ändert sich nur, wenn die Nation ins Spiel kommt. Gewinnt ein deutscher Verein die Champions League, schwappen die Emotionen hoch, verbinden sich nationales und fußballerisches Interesse. Oft kommt das bekanntlich nicht vor, zuletzt gewann mit Bayern München ein deutscher Verein vor sieben Jahren den begehrten Titel.

So lässt sich auch der Popanz begreifen, den der DFB in der vergangenen Woche veranstaltet hat, um das - noch nicht einmal endgültige - Aufgebot zu verkünden, das für Deutschland bei der Europameisterschaft antreten soll. Die Zugspitze mag ob ihrer Höhenlage alpine Assoziationen befriedigen. Sie ermöglicht es dem DFB, dieser Bundesrepublik in kurzen Hosen, aber auch zu zeigen, dass für ihn die erwähnte nationale Begeisterung trotz Weltmarktintegration und Globalisierung immer noch das Höchste ist.

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