Glücksspiel als Handwerk

Im Kino Nick Nolte mimt den guten Ganoven in Neil Jordans "The Good Thief"

Der größte Dieb aller Zeiten, erläutert Bob Montagnet alias Nick Nolte in The Good Thief, war Pablo Picasso. Der klaute nämlich ganz ohne Gewissensbisse bei anderen Künstlern, um seine eigenen Meisterwerke zu erschaffen. Regisseur Neil Jordan hat sich gewissermaßen selbst an diese Devise gehalten. Sein neuer Film basiert auf Jean-Pierre Melvilles Film Noir-Klassiker Bob le Flambeur (Drei Uhr nachts) aus dem Jahre 1955 und enthält Elemente, die man so oder ähnlich schon in mehreren Dutzend Gaunerfilmen gesehen hat.

Dennoch wirkt The Good Thief ebenso erfrischend wie die sanfte Mittelmeerbrise, die den an der französischen Riviera spielenden Film zu umgeben scheint - gepaart mit verraucht-verruchter Hafenkneipenluft. Im Mittelpunkt steht Bob, ein alternder, drogenabhängiger und kunstvernarrter Gaunerkönig, der ständig über Glücksspiel, Wahrscheinlichkeitstheorie und andere elementare Kleinigkeiten des Lebens philosophiert. Als Sohn eines Amerikaners und einer Französin ist er irgendwann an der Côte d´Azur gestrandet. Nun versumpft er in den zwielichtigen Kneipen Nizzas inmitten von Zockern und Zuhältern, Dirnen und Dealern.

Im Grunde seines Herzens ist Bob ein guter Kerl, ein good thief - und so liebenswert, dass selbst der örtliche Polizist Roger (Tchéky Karyo) sich mit ihm angefreundet hat und alles dransetzt, ihn nicht einbuchten zu müssen. Roger ist Bob immer auf den Fersen, um ihn vor sich selbst, seiner Drogensucht und seiner Leidenschaft zum Diebstahl zu schützen. Zwar hat er sich eigentlich aus dem Geschäft zurückgezogen. Als er aber beim Pferderennen sein letztes Geld verspielt, kann ihn sein Kumpel Raoul (Gerard Darmon) überzeugen, noch einmal alles auf eine Karte zu setzen: Am Abend vor dem Formel 1 Grand-Prix soll in Monte Carlo ein großer Coup über die Bühne gehen.

Objekt der Begierde ist allerdings nicht etwa der Safe des Casinos, wie Bob zunächst vermutet, sondern vielmehr die grandiose Gemäldesammlung der japanischen Casino-Besitzer. Es locken die Werke großer Meister wie Van Gogh, Matisse - und natürlich auch "Meisterdieb" Picasso. Da kann Bob nicht widerstehen, ist er doch selbst stolzer Besitzer eines Picasso-Gemäldes, das er dem Künstler bei einer Wette abgeluchst haben will. The Good Thief spielt ständig mit dem Gegensatz zwischen Original und Fälschung. Selbstredend sind an den Wänden des Casinos nur täuschend echte Kopien der Bilder ausgestellt. Die Originale hängen in einem vermeintlich diebstahlsicheren Bunker ganz in der Nähe. Doch Bob und sein eingespieltes, aber aus lauter Exzentrikern bestehendes Gaunerteam werden von Vladimir (Emir Kusturica) unterstützt - dem abgedrehten Software-Spezialisten, der die Alarmanlage installiert hat. Und so soll Bob mit einem vorgetäuschten Diebeszug auf den Casino-Safe seinen Freund Roger ablenken, während an anderer Stelle seine Komplizen die Gemälde mitgehen lassen.

Regisseur Neil Jordan balanciert in The Good Thief zwischen der Charakterstudie eines alternden Ganoven und einer auf Hochglanz polierten Gaunerkomödie im Stile von Steven Soderberghs Ocean´s Eleven - der ja selbst ein Remake ist. Jordans Filme kommen nur selten ohne düsteres Element aus, und so ist auch hier nicht alles Gold, was glänzt. Denn an der mondänen Mittelmeerküste toben hinter den Kulissen Menschenhandel, Mafia und üble Geschäfte. Ganz unaufdringlich bindet der Film die Geschichte der jungen Osteuropäerin Anne ein, die von Bob aus den Fängen ihres Zuhälters befreit wird. Die Georgierin Nutsa Kukhianidze dürfte angesichts ihrer unbekümmerten und einnehmenden Performance noch von sich hören machen. Noch beeindruckender ist freilich Nick Noltes glaubhaft nuancierte, ironisch angehauchte Darstellung des alternden und drogenabhängigen Meisterdiebs. Neil Jordan wiederum knüpft erstmals seit langem an die Klasse seines feinsinnigen Nordirland-Dramas The Crying Game an.

The Good Thief ist von Anfang an atmosphärisch dicht und entwickelt zum Ende hin einen fast unwiderstehlichen Charme. Der Einbruchsversuch wird schließlich von einer ganzen Reihe an aberwitzigen Wendungen begleitet, die in ein ironisches Finale münden.

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