Ein Diener des Staates, so meinte einst Georg Friedrich Wilhlem Hegel, stehe in keinem bloß zufälligen Verhältnis zum Gemeinwesen. Weil er objektiver Ausdruck des Staates sei, solle ihm "das Vermögen und die gesicherte Befriedigung seiner Besonderheit" zukommen, will heißen: der Staat sollte ein hohes Interesse daran haben, seine Beamten zu bezahlen. Hegel wusste, was der da schrieb, der gute Mann war Hauslehrer, Zeitungsredakteur und Schulleiter, bevor er 1816, im Alter von 46 Jahren, seine erste Professur ergattern konnte.
Es ist ein Elend, und niemand wird das bestreiten. In Deutschland kreist eine, vom statistischen Bundesamt auf rund 4.300 Personen geschätzte Schar von immer älter werdenden Privatdozenten in der Warteschleife um ein paar knappe Poste
pe Posten und ernährt sich derweil von Zeitverträgen, befristeten Forschungsprojekten oder vom Gehalt der jeweiligen Lebenspartner. Mit Mitte Vierzig haben Privatdozenten immer noch keinen anständigen Beruf, decken, als billige Lehrkräfte, einen großen Teil des universitären Seminarangebots und spielen geduldig mit in der Lotterie: entweder klappt´s mit der gut besoldeten Lebenszeitstelle oder es wartet endgültig die Sozialhilfe. Die "Jahrhundertreform" des Hochschuldienstrechts aus dem Hause der Wissenschaftsministerin Bulmahn, gültig seit dem 23. Februar, schneidet tatsächlich kräftig und wohltuend ein paar alte Akademie-Zöpfe ab. Das lähmend depressionsfördernde Großprojekt Habilitation entfällt, der Weg zur Professur wird kürzer und - vielleicht - auch für Querköpfe leichter. Bisher erinnert die universitäre Stellenbesetzungspolitik an feudale Hofhaltung, wer nicht lang gedient in der Seilschaft eines Lehrstuhls aufwächst, hat kaum eine Chance. Heftige Proteste aber hat die mittlerweile berüchtigte Zwölf-Jahres-Regel im Bulmahn-Gesetz ausgelöst, die vorsieht, dass Wissenschaftler künftig vor der Promotion und nach der Promotion jeweils nur sechs Jahre auf befristeten Stellen arbeiten dürfen. Die Regel trifft die derzeit Habilitierenden und die Privatdozenten, die - noch mit der Bürde der Habilitation belastet - sowieso fürchten, gegen die rasch nachrückenden Juniorprofessoren keine Chance zu haben. Von "Verschrottung einer ganzen Generation" ist die Rede, von "Berufsverbot". Die Zwölf-Jahres-Regel wirkt wie ein Gnadenschuss. Lieber ein Ende mit Schrecken als fortgesetztes Weiterschunkeln auf einer ins Nichts führenden Bildungsleiter scheint die Devise. Doch was hier "verschrottet" wird, ist nicht eine Generation, sondern eine bestimmte Form von - zugegeben nicht immer glücklichen - Biographien. Sie erinnern, gerade im Fall der Geisteswissenschaften, manchmal an Künstlerexistenzen, die - idealistisch genug - sich beim Denken Zeit lassen und für eigene Forschungsvorhaben materielle Nachteile und ein hohes Maß an Unsicherheit in Kauf nehmen. Solch intellektuelles Potential belebt - gerade weil es nicht in harten Cash und direkten Nutzen umzurechnen ist - qua widerständiger Biografie den gesellschaftlichen Diskurs. Die Produktionen der "lost generation", wie sie sich selber nennt, füllen die Zeitungen, Hörfunkprogramme, Vortragssäle, ihre Forschungsprojekte co-finanzieren Aktivitäten, von denen allein nicht zu leben wäre. Eine Gesellschaft, die immerhin von sich behauptet "hoch entwickelt" zu sein, kann sich nutzenorientierte Komplexitätsreduktion nicht in extenso leisten, sie braucht einen unberechenbaren Bildungsüberschuss. Das neue Dienstrecht für Hochschulen, ein Zwitter aus Effektivitätsorientierung und muffiger Gewerkschaftsmaxime, führt nicht unbedingt zu mehr Flexibilität, eher zur Standardisierung von Karriere-Lebensläufen. Und letztlich bringt die Dienstrechtsreform zu Ende, was mit der Abwicklung ganzer Forschergenerationen im Osten und mit den drastischen Sparmaßnahmen an westlichen Universitäten schon lange im Gange ist: den Abbau eines wissenschaftlichen "Mittelbaus". Entweder Professur oder gar nichts, das ist die Alternative. Dass das keine Garantie dafür ist, nur die Hervorragenden an den Universitäten zu halten, versteht sich von selbst. Aber wo bleibt das gute Mittelfeld? Keine Verwendung dafür? Zu fordern wäre ein wesentlich breiteres Angebot an universitären Arbeitsmöglichkeiten, auch an weniger hochkarätigen Festanstellungen, wie es beispielsweise die kaum noch bestehenden akademischen Ratsstellen gewesen sind. Die Zwölf-Jahres-Regel, so heißt es, treffe vor allem die Geisteswissenschaften. Die Naturwissenschaftler könnten ja in die Wirtschaft gehen. Zu befürchten steht allerdings, dass die Geisteswissenschaftler auch ihr Glück in der Wirtschaft suchen und mit Powerpoint-Präsentationen zum schönen Leben bei gestressten Managern viel Geld verdienen. Eigentlich sollte uns das intellektuelle Potential für solch hoch bezahlte Beschäftigungsspielchen zu schade sein. Siehe auch