Go West

Im Gespräch Theater aus Deutschland tourt durch die USA

Seit elf Jahren arbeitet die Gruppe German Theater Abroad am Kulturaustausch zwischen Deutschland und Amerika. Jetzt treibt es die Theateraktivisten um Ronald Marx auf den Spuren der großen Trecks Richtung Westen: eine Theaterreise, von New York aus einmal quer durch die USA. Siebeneinhalb Wochen, 6.000 Meilen, 24 Orte. Das "Roadtheater" wird dokumentiert und kann online verfolgt werden. Im März soll die Aufführung in Berlin zu sehen sein.

FREITAG: Was haben die Amerikaner davon, wenn Sie deutsches Theater in die USA exportieren?
RONALD MARX: Sie lernen etwas Neues kennen. Zur Zeit unserer Gründung hatten wir das Anliegen, dem etwas einseitigen Import amerikanischer Kulturgüter etwas entgegenzusetzen. Am Anfang mussten wir erst einmal ein Display schaffen. Wir haben also in New York gezeigt, was es bei uns außer Brecht noch so gibt.

Sie wollten per Angebot eine Nachfrage generieren. Wie weit ist Ihnen das gelungen?
Mit dem Festival "New German Voices" haben wir in New York deutsche Autoren vorgestellt. Simone Schneider, Alexej Schipenko, Daniel Call, Thomas Jonigk, Albert Ostermeier und Marius von Mayenburg. Die waren damals alle noch ganz jung. Nach den Lesungen wurde mit dem Publikum diskutiert, über die Unterschiede der Gesellschaften geredet, in denen wir leben. Im vergangenen Jahr konnten wir das Projekt "Stadttheater New York" realisieren. Da haben wir Arbeitsweisen im deutschen Theaterbetrieb vorgestellt, die Traditionen, den Reichtum, den wir im Verhältnis zur dortigen Situation haben. Die Düsseldorfer Intendantin Amelie Niermeyer ist nach New York gekommen und hat von der Arbeit am Stadttheater erzählt. Das ist bei den Künstlern vor Ort auf großes Interesse gestoßen.

Wie arbeiten Sie für Ihre Produktionen zwischen New York und Berlin?
Wir stecken gerade mitten in den Proben mit einem gemischten Team. Die Schauspieler, die ich in den USA gecastet habe, mussten erst mal Pässe beantragen. Schon daraus lässt sich einiges schließen. Die Reibung in der Gruppe entsteht aus den unterschiedlichen Theaterkonventionen, die jeder im Rücken hat, und das vermittelt sich den Zuschauern. Denen wird nicht etwas Fertiges als deutsche Avantgarde vorgesetzt, es geht um den Dialog, intern und extern.

Wie lief die Zusammenarbeit mit Roland Schimmelpfennig, der "Start up" als Auftragswerk für das Projekt geschrieben hat?
Schimmelpfennig fand, dass es in diesem Stück um uns gehen müsste, und er musste eine Form finden, die an den verschiedensten Orten funktioniert. "Start up" ist eine Komödie, die davon handelt, wie junge Leute aus Deutschland in den USA Theater machen wollen. Sie suchen dafür einen Raum und verhandeln mit dem Vermieter, dem das alles sehr seltsam vorkommt. Das ist die sehr konkrete Ausgangssituation, mit der das Stück beginnt. Und viel mehr passiert da eigentlich auch nicht. Es geht um den Versuch, sich gegenseitig zu erklären und sich einander anzunähern, so schwer das ist.

Welchen Stellenwert hat die deutsch-amerikanische Geschichte für Ihr Projekt?
Eine Figur im Stück hält einen Monolog und referiert die Historie von 1945 bis heute. Das inszeniere ich als trockenen Powerpoint Vortrag. Das ist aber nicht die Art Kulturaustausch, die wir suchen. Wir machen etwas anderes, das sich auf der Ebene der Individuen abspielt. Da geht es um uns und unser Amerikabild, das stellen wir mit unserem Projekt zur Diskussion.

Welche Reaktionen erwarten Sie vor Ort?
Wir gastieren etwa in Edmonton, einem wunderschönen Ort mit 10.000 Einwohnern im Bundesstaat Kentucky. Dort wird seit zehn Jahren Der Zauberer von Oz gespielt, von einer Laienspielgruppe. Das ist alles, was es dort an Theater gibt. "Start up" ist für die Leute dort mit Sicherheit befremdlich. Keine Ahnung, was da passieren wird.

Stellen Sie irgendwelche Effekte Ihrer Arbeit auf die New Yorker Theaterszene fest?
Einige der von uns vorgestellten Autoren sind jedenfalls in New York nachgespielt worden, auch Schimmelpfennig. Tatsache ist, dass in New York seit zwei Jahren das Interesse an internationalen Gruppen, an Theaterarbeit aus Europa wächst. Ich sehe da aber mehr den Zusammenhang zur politischen Situation in den USA. Das hat mit dem Widerstand gegen Bush zu tun. Wir haben jedenfalls immer Leute getroffen, die unvoreingenommen waren und Lust hatten, nach den Aufführungen mit uns zu reden. Und das ist genau das, was wir wollen.

Das Gespräch führte Anna Opel

www.roadtheater.org


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