Götterdämmerung?

USA Die Impeachment-Debatte nimmt langsam Fahrt auf

"Impeachment Hearing, das Weiße Haus bereitet sich auf das Schlimmste vor...." Die fiebrige Schlagzeile stammt aus der jüngsten Ausgabe des Politmagazins Insight, das vom konservativen Washington-Times-Verlag herausgegeben wird - und die Washington Times, das Hausblatt der Republikaner, gehört dem südkoreanischen Zeitungsmogul Sun Yung Moon. Ist das Blatt über Bemühungen zur Amtsenthebung des Präsidenten vielleicht besser informiert als die Konkurrenz? Weder die Washington Post noch die New York Times haben gemeldet, was das aus Capitol-Hill-Quellen gespeiste Insight-Magazin wissen will: Im US-Kongress habe sich eine Pro-Impeachment-Koalition gebildet, ein jüngst im Rechtsausschuss des Senats angelaufenes Anhörungsverfahren zur umstrittenen Überwachungsorder des Weißen Hauses sei als Vorspiel der George Bush drohenden Amtsenthebung zu deuten.

Insight mag mit der Deutung des Senatshearings daneben liegen, aber allein das Erscheinen eines solchen Artikels ist bemerkenswert, denn das Thema Impeachment ließen die Mainstream-Medien monatelang links liegen: auf die Veröffentlichung des explosiven Downing Street Memos, das im Sommer 2005 Bushs Kriegslügen drastisch dokumentiert hatte, reagierte die Metropolenpresse mit Schulterzucken. Jede Anspielung auf eine denkbare Amtsenthebung wurde als unrealistisch und übertrieben zurückgewiesen. Es brachte auch nichts, dass der demokratische Kongressabgeordnete John Conyers, jahrzehntelang Vorsitzender des Justizausschusses im Repräsentantenhaus, den Impeachment-Prozess Ende 2005 mit einem offiziellen Auskunftsbegehren einleitete und dazu 182 Seiten Begründung präsentierte. Kriegslügen, Folterfotos, CIA-Entführungen, Abu Ghraib, Guantanamo ... - nicht der Rede wert, befand die Presse.

Erst als die New York Times einen - auf Druck des Weißen Hauses - zwölf Monate zurückgehaltenen Report über illegale Lauschangriffe enthüllte, war es mit der Zurückhaltung vorbei. Als publik wurde, dass die National Security Agency (NSA) auf Weisung des Präsidenten seit November 2001 ohne richterliche Erlaubnis in den USA Telefonate abhört, brach landesweit ein Sturm der Entrüstung los: Gesetzesbruch, Überwachungsstaat, Diktatur empörten sich Konservative und Liberale gleichermaßen. Als der sichtlich verärgerte George Bush darauf bestand, das Abhörprogramm fortzusetzen - obwohl das Oberste Gericht bereits 1972 entschieden hat: Telefonabhörung ohne richterliche Anordnung verstößt gegen die Verfassung - avancierte das Thema Impeachment zum Washingtoner Tagesgespräch. "Wir sind eine Republik, wir wollen keinen König. Nicht Männer, sondern Gesetze regieren unsere Nation", gab ein zorniger Kongress zu verstehen. Auch Arlen Specter, der republikanische Vorsitzende des Justizausschusses im Senat, sah eine Verfassungskrise heraufziehen. Am 6. Februar begann eine Anhörung, an deren Ende darüber abgestimmt werden soll, ob Bush wie einst sein Parteifreund Nixon mit der Bespitzelung von Landsleuten die Verfassung gebrochen hat.

Amerika will keinen Präsidenten, der glaubt, "das Gesetz bin ich". Eine Koalition der Unwilligen ist unterwegs - Senatoren, Kongressabgeordnete, hochrangige Mitarbeiter des Justizministeriums, ehemalige Richter, die Ex- Präsidenten Carter und Clinton, auch Ex-Vizepräsident Al Gore, die in den Abhörpraktiken nichts Geringeres sehen als einen Bruch der Verfassung. Wer das zu verantworten hat, muss mit Amtsenthebung rechnen. Den Kongress darf ein Präsident nicht ungestraft anlügen.

Der Antrag auf Impeachment freilich muss im Repräsentantenhaus gestellt und von den Abgeordneten gebilligt werden. Solange die Republikaner dort die Mehrheit haben, kann der Präsident sich sicher fühlen. Sollten jedoch die Demokraten bei den Zwischenwahlen im Herbst das Haus zurückerobern - und dafür stehen die Chancen nicht schlecht - sieht die Sache schon anders aus. In den nächsten acht Monaten wird George Bush demnach um sein politisches Überleben kämpfen. Mit allen Mitteln. Hart und schmutzig. Wie gehabt. Nur noch übler.


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