Griff in leere Taschen

Im Gespräch Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher e.V., über Energiepreise, die Regulierung des Energiemarktes und die Liberalisierung des Gasmarktes

Die großen Energiekonzerne RWE, E.ON und Vattenfall haben zum dritten Mal in diesem Jahr Preissteigerungen angekündigt. Politiker aller Parteien haben die Preiserhöhungen von Strom- und Gasversorgern scharf verurteilt. Netzmonopolisten würden vor der Gesetzesneuregelung noch einmal "abkassieren". Das Kartellamt muss den Fall nun überprüfen.

FREITAG: Herr Peters, Sie haben der Gaswirtschaft Vertragsbruch und Täuschung vorgeworfen. Wer hat wie Verträge gebrochen und getäuscht?
ARIBERT PETERS: Die Gaswirtschaft darf die Preise für Verbraucher festlegen, sie hat die Befugnis dazu, sie hat aber auch die Verpflichtung, diese Preise nur soweit anzuheben, wie auch die Kosten gestiegen sind, das ist hier ganz offensichtlich nicht der Fall. Man hat die Preise weit höher festgelegt als es von der Kostenerhöhung her gerechtfertigt wäre. Das ist vertragsbrüchig, denn die Versorgungsverträge sehen vor, dass sich die Preise einseitig im billigen Ermessen an den Kosten zu orientieren haben.

Was kann man dagegen tun, Sie raten den Verbrauchern, einer Erhöhung des bisherigen Gaspreises um etwa zwei Prozent zuzustimmen und den Rest zu behalten?
Genau, den Differenzbetrag nicht zu zahlen und die Gasversorger dann aufzufordern darzulegen, inwiefern die weiteren Rechnungsbeträge in bezug auf die Kostenlage gerechtfertigt sind.

Einfach nicht zahlen, heißt das?
Nein, das heißt es nicht. Die Verbraucher sollten das Bisherige zahlen, sogar etwas mehr, aber das, was unverschämter Weise darüber hinaus verlangt wird, sollten sie einbehalten und dies dem Versorger mitteilen. Der Versorger muss dann die Billigkeit seines Tarifs nachweisen.

Wird einem dann nicht der Hahn abgedreht?
Nein, es gibt dazu eine Verordnung des Bundesverbandes des Groß- und Außenhandels (BGA), die genau das verbietet.

Eine stärkere staatliche Kontrolle des Energiemarktes scheint weitgehend unstrittig. Es gibt zwei Auffassungen: Bundeswirtschaftsminister Clement setzt auf eine Art Richtwert und eine nachträgliche Kontrolle etwaigen Missbrauchs. Der hessische Wirtschaftsminister Rhiel hat eine effektivere Regulierung der Netzmonopole vorgeschlagen. Welche Lösung sehen Sie?
Herr Clement hält vermutlich sein Konzept für eine effektive Netzkontrolle: Eine staatliche Aufsicht soll im Nachhinein tätig werden, falls ein Betreiber die vorher festgelegten Richtwerte überschreitet. Meines Erachtens ist Clements Konzept nicht geeignet, mehr Wettbewerb herbeizuführen. Das ist übrigens die Meinung aller Experten am Markt: von der Monopolkommission über das Kartellamt, die neuen Anbieter und sämtliche Fachleute - soweit sie nicht in den Diensten der Versorgungswirtschaft stehen. Die großen Energieversorger sollten sich ihre Preise vorab genehmigen lassen müssen, ähnlich wie bei der Liberalisierung des Telefonmarktes.

Ihr Verband fordert neben mehr Wettbewerb auch mehr freie Anbieterwahl. Müsste man nicht letztlich den marktbeherrschenden Unternehmen die Hoheit über die Verteilungsnetze nehmen, weil mit diesem Instrument immer wieder in die Preissetzung zu Gunsten der Netzeigentümer hineinregiert wird?
Es würde auch genügen, den Netzbesitzern einen Verhaltenskodex vorzuschreiben, der den Marktmissbrauch der Verteilnetze verhindert. Im Grunde ist alles schon in den gesetzlichen Wettbewerbsbeschränkungen geregelt, die nämlich genau einen solchen Missbrauch verbieten, in der Praxis lässt sich das nur leider nicht durchsetzen. Der Vorschlag der Monopolkommission geht hier schon einen Schritt in diese Richtung: Die Übertragungsnetze, also die Höchstspannungsstromnetze in Deutschland sollten einem Gremium unterstellt werden, das von den Interessen der großen Stromversorger völlig unabhängig ist. Das ist die richtige Idee, die auch in Ihrer Frage anklingt.

Als Anwalt der Energieverbraucher sind Sie ja sozusagen prinzipiell für niedrige Preise. Langfristig brauchen wir aber im Sinne der Ökologie höhere Energiepreise, auch durch die Besteuerung von Energien, wie gehen Sie mit diesem Dilemma um?
Dass die Energiepreise langfristig nach oben gehen ist zwangsläufig vorgezeichnet durch die Verknappung der Energien, das müssen wir nicht beschleunigen. Wir freuen uns, wenn die Energiepreise nach oben gehen, so lange man es darauf zurückführen kann, dass mit Energie sparsamer umgegangen wird. Es kann aber nicht sein, dass eine Preiserhöhung dadurch beschleunigt wird, dass man den Verbrauchern einfach zuviel abknöpft. Ganz abgesehen davon, dass es ja auch volkswirtschaftlich schädlich ist, wenn Kaufkraft abgeschöpft wird - diese Form von Preiserhöhung hat schlicht mit Gerechtigkeit wenig zu tun.

Ist der Gasmarkt für Sie im Moment eine Ausnahme oder sehen Sie ähnliche Problemlagen auch sagen wir mal auf dem Strommarkt?
Beide sind prinzipiell vergleichbar. Der Strommarkt ist schon einen Schritt weiter. Dort haben wir bereits die Anbieterwahl für Verbraucher, wir haben Erfahrungen gesammelt und wissen inzwischen, wo die Probleme liegen. Der Gasmarkt hat die Liberalisierung mit Erfolg bisher blockieren können, die Bundesrepublik hat dafür schon ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof kassiert. Auch die Neuerungen, wie sie die Bundesregierung plant, sehen wieder zahlreiche ungerechtfertigte Ausnahmen für den Gaspreis vor - darin ist schon angelegt, dass auch die jetzt verschärfte Regulierung für den Gasmarkt wieder mal nicht greift.

Das Gespräch führte Hans Thie


Angesichts der Preissteigerungen der Energieindustrie werden parteiübergreifend Nachbesserungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) gefordert. Im Juli hatte sich das Bundeskabinett auf einen Entwurf zum EnWG geeinigt. Es setzt eine EU-Richtlinie zur Öffnung der europäischen Binnenmärkte für Strom und Gas um. Künftig unterliegen demnach in Deutschland die rund 1.700 Betreiber von Strom- und Gasnetzen einer staatlichen Aufsicht. Diese wird von der bisherigen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post unter der neuen Bezeichnung "Bundesregulierungsbehörde für Elektrizität, Gas, Telekommunikation und Post" wahrgenommen. Die von den Netzbetreibern erhobenen Entgelte unterliegen ab 1. Januar 2005 einer nachträglichen Überprüfung. Entsprechend den EU-Vorgaben wird außerdem den Stromversorgern eine Entflechtung von Netz und Vertrieb auferlegt. Damit soll die Diskriminierung von Konkurrenten durch überhöhte Netzkosten verhindert werden. Der Gesetzentwurf muss noch den Bundesrat passieren.


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