Die CDU hat an diesem Wahlsonntag die gleiche Erfahrung gemacht wie die SPD vor zwei Monaten in Baden-Württemberg: Sie ist bei der Bremer Bürgerschaftswahl auf dem dritten Platz hinter den Grünen gelandet. Für eine Volkspartei, zu denen sich die CDU sicherlich immer noch zählt, sind die rund 20 Prozent ein beschämendes Ergebnis. Noch vor wenigen Jahren hieß es, die CDU habe es endlich geschafft, die städtischen Milieus zu erobern. Dies galt als eine der wesentlichen Erklärungen für den Umstand, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin werden konnte.
Die Ergebnisse in diesem Superwahljahr mit seinen sieben Landtags- und Bürgerschaftswahlen deuten in eine ganz andere Richtung. In Bremen ist die CDU abgestürzt, ebenso in Hamburg, wo sie immerhin zwei Regierungschefs in Folge stellte. In Berlin, wo im September gewählt werden soll, sieht es, glaubt man den Umfragen, auch nicht besser aus.
Ausgehöhlte Gewissheit
Mit dem überragenden Abschneiden der Grünen in Bremen ist nun offenkundig, dass es sich bei dem Aufstieg der Grünen nicht um ein kurzlebiges Phänomen handelt. Die Partei, die nach dem Abgang von Joschka Fischer lange mit sich selbst haderte und orientierungslos schien, ist auf dem besten Weg, eine jahrzehntelang fest zementierte Gewissheit aufzubrechen. Sie hieß: Geschehe was wolle, am Ende stellt in den Ländern entweder die SPD oder die Union den Regierungschef. Diese Konstante der deutschen Politik wird durch die Grünen nun ausgehöhlt.
In Bremen hat es zwar, anders als in Baden-Württemberg, noch nicht dazu gereicht. Aber offenkundig ist es den Grünen gelungen, auch für bürgerliche Milieus attraktiv zu sein und entsprechend zuzulegen. Die großen Wahlverlierer an diesem Abend sind die Parteien, die üblicherweise eine bürgerliche Klientel vertreten: CDU und die FDP, die mit einem katastrophalen Ergebnis aus der Bürgerschaft flog.
Die Sozialdemokraten dagegen können mit dem Wahlausgang zufrieden sein. Schließlich haben sie im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren leicht zulegen können. Das ist, auch angesichts der bescheidenen Umfragewerte auf Bundesebene, ein gutes Ergebnis. Allerdings wird die Bremer SPD nun mit den Grünen einen deutlich selbstbewussteren Partner an der Seite haben.
Wohin bewegt sich die SPD?
Die fünf Landtagswahlen in den ersten sechs Monaten diesen Jahres haben insgesamt ein difuses Bild hinterlassen – sieht man einmal von der grünen Erfolgsgeschichte ab. Insbesondere für die SPD lässt sich kein Trend ablesen. Mal siegten die Sozialdemokraten mit absoluter Mehrheit (Hamburg), mal fuhren sie das schlechteste Ergebnis seit Gründung der Bundesrepublik ein (Baden-Württemberg). Am Ende bilden diese weit auseinander liegenden Ergebnisse vor allem den unkalkulierbaren Zustand der SPD ab. Im Grunde kann niemand abschätzen, in welche Richtung sich diese Partei in den nächsten Monaten bewegen wird.
Die CDU und mit ihr die Vorsitzende Angela Merkel ist erstaunlich stabil geblieben, wenn man sich die teils katastrophalen Wahlergebnisse vor Augen führt. Die Macht in Hamburg und im Stammland Baden-Württemberg verloren, in Rheinland-Pfalz auf niedrigem Niveau stabilisiert und in Bremen abgestürzt. Lediglich in Sachsen-Anhalt hat es zur Fortsetzung der Regierungsbeteiligung gereicht. Das ist zuwenig für eine Partei, die in zwei Jahren bei der Bundestagswahl wieder die Kanzlerin stellen möchte.
Kommentare 8
Grüne Lautsprecher
Die Grünen sind so lange durch die Institutionen marschiert, bis sie selbst zur Institution geworden sind. Sie haben nicht die Institutionen verändert, sondern die Institutionen gerade sie bis zur politischen Kenntlichkeit.
Die Mehrheit ist mittlerweile wertkonservativ, also eine grün angestrichene CDU oder sogar FDP. Selbst vor Jamaika-Koalitionen schrecken die Grünen nicht zurück (Saarland!). Das wird alles gemacht, wenn es um bezahlte Posten geht.
Ihre "sozialen Thesen" sind überwiegend Versprechungen: Da tönt es mal wieder aus den grünen Lautsprechern...
Doch in der Politik wie in der Fliegerei gilt:
Runter kommen sie immer!
Siehe FDP.
"Doch in der Politik wie in der Fliegerei gilt:
Runter kommen sie immer!
Siehe FDP."
Und Möllemann
Was ist an den Grünen noch grün?
Wie beim Einkaufen ist nie das drin, was drauf steht. Nicht ist frisch, nichts hausgemacht oder aus der Region. Alles Schwindel. Sie sind nicht mehr so richtig grün, sondern stehen getreulich in der Reihe, wo Macht, Beziehungen und Posten dran steht.
Nicht der politische Gehalt der Grünen hat zum Wahlerfolg geführt, sondern die Ohnmacht der FDP. Und, der Wille der Nichtwähler. Würde man im mathematischen Modell diese Faktoren auf " politische Üblichkeit der letzten Jahre" stellen können, sähe es anders aus. Die Frage ist inzwischen wohl offiziell beantwortet, ab wann ein Wahlergebnis nicht mehr repräsentativ ist. Es gibt keine Mindestwahlbeteiligung und deshalb werden Wahlergebnisse bald tiefsinnig betrachtet werden, an der Zustandekommen weniger als 50 % der Wahlberechtigten ihren Anteil hatten. Aber was ist daran demokratisch, wenn angesichts der Trostlosigkeit der Protagonisten niemand zum Wählen animiert? Wozu bracht man überhaupt diese komischen Länderparlamente? Gäbe es in Bremen keines, wem auf der Welt würde das stören? Richtig, nur die Posteninhaber. Dort sind wir angekommen.
Maxi Scharfenberg
Gut soweit
...was brauchen wir dann? Andere Politiker? Anarchie?
w.berkes
Was nutzt es, wenn eine der neoliberal-neokonservativen Parteien im CDUCSUFDPSPDGrüne-Reigen abschmiert? Gesamthaft bleibt es sich gleich.
Auch Die Linke ist schon in diesem Sog, insbesondere von Osten her. Ich habe mir übrigens schon die Piratenpartei vorgemerkt, wenn Die Linke im Einheitsbrei aufgegangen sein wird.
Wir brauchen ein direktes demokratisches und soziales Engagement aller Bürger, um den Demokratie- und Sozialkahlschlag der Bundesregierungen von Schwarz-Gelb I über Rot-Grün über Schwarz-Rot bis jetzt Schwarz-Gelb II zu stoppen. Dergestalt habe ich aber sehr wenig Hoffnung für Deutschland.
Die Menschen sehen in den Grünen eine Alternative. Warum? Weil sie aufgrund der Tatsache eines ersten Grünen Landesfürsten und der medialen Präsenz des Themas in den letzten Wochen, glauben das es eine Alternative ist. Will sagen: Zur Zeit schwimmen die Grünen auf einer medialen Welle, deren Ursprung (neben S21) vor allem in einem havarierten AKW zu suchen ist. Völlig abgekoppelt von der Realität ihres politischen Handelns, werden die Grünen so zur Hoffnung auf ...ja was eigentlich? Naja egal, sie machens auf jeden Fall besser....oder auch schlimmer. Für den letzteren Fall haben wir dann in paar Jahren wieder die FDP, die zum Hoffnungsträger einer besseren Zukunft wird. :-)
@ Maxi Scharfenberg
Du schreibst: Wozu bracht man überhaupt diese komischen Länderparlamente? Gäbe es in Bremen keines, wem auf der Welt würde das stören? Richtig, nur die Posteninhaber.
Hat das Bundesland Bremen mit seinen rund 670.000 Einwohnern überhaupt eine Existenzberechtigung? In der Stadt Frankfurt leben etwa genauso viele Menschen. Gemessen an Bremen könnte man die Geldstadt am Main problemlos zum Bundesland erheben. Anhand dieses Vergleiches wird deutlich, wie lächerlich diese Landeshuberei mit der eigentümlichen Bildungshoheit ist.