Gruppenbild ohne Saddam

Bedrohungsgefühl Die Politik der USA wird in der arabischen Welt als Teil eines westlichen Kampfes gegen den Islam empfunden

Double standards don´t work" - "Wenn zweierlei Maßstäbe angelegt werden, funktioniert es nicht", antwortet Ägyptens Außenminister Ahmed Maher in einem Interview auf die Frage nach seiner Meinung zum Krieg der USA gegen den Terror. "Wenn wir etwa über Massenvernichtungswaffen sprechen", so Maher, "dann müssen wir über alle reden, die sie besitzen". Das gilt vor allem Israel. "Wenn wir den Terrorismus bekämpfen wollen" - so Maher - "dann in all seinen Formen, wer immer auch die Terroristen sein mögen. Wir können es nur im Sinne des Völkerrechts tun." Auch hier schwingt neben Mahers Skepsis gegenüber einem Krieges gegen den Irak eine Anklage des israelische Vorgehens in den Palästinenser-Gebieten mit, das in der arabischen Welt oft als "terroristisch" wahrgenommen wird.

Viel weiter geht ein ägyptischer Außenminister in seiner Kritik an den USA nicht. Zu abhängig ist Kairo vom Wohlwollen Washingtons. Deutlicher wird Mahers syrischer Amtskollege Schara bei seiner Rede vor der UN-Generalversammlung. "Blinde Voreingenommenheit" stehe hinter den Kriegsdrohungen gegen Bagdad. Ausgerechnet der Vertreter des Landes, das mit dem Regime Saddam Husseins seit Jahrzehnten eine innige Feindschaft pflegt und im Golfkrieg zwischen 1980 und 1988 den Iran gegen regionale Machtambitionen des Irak unterstützt hat, nimmt den östlichen Nachbarn nun in Schutz. Auch fragt Schara, warum Bagdad bekriegt wird und es Tel Aviv zugleich gestattet ist, Resolutionen des Sicherheitsrates zu verletzen. Ähnliches ist von der Arabischen Liga zu hören.

So viel Einklang gab nicht oft unter den Führungen der nahöstlichen Regimes. Ein Konsens, der auch die Analysen der politischen Think Tanks wie die Stimmung in Kairo oder Amman prägt. Kaum jemand äußert Sympathien für Saddam Hussein, geballter Unmut richtet sich aber gegen die machtpolitische Arroganz der USA, die Saddam verteufeln und die israelische Okkupation palästinensischer Gebiete billigen. Welche Emotionen das auslösen kann, zeigt das Beispiel des ägyptischen Linksintellektuellen Hani Shukrallah, der die Besetzung Ramallahs und anderer Orte mit der "gnadenlosen Präzision einer Nazibesatzung" vergleicht. Ähnlich sieht es Gamil Mattar, Direktor des Arabischen Zentrums für Zukunftsforschung in Kairo. Er hält nicht den "islamistischen Ruf zum Jihad", sondern die "unverhältnismäßige, alle akzeptablen Maße überschreitende Antwort Amerikas" auf den 11. September für den wahren Grund eines in der Region "unerwartet aufwallenden blinden Eifers" gegen die USA.

Wie der Anti-Amerikanismus die arabischen Gesellschaften derzeit beseelt, zeigt eine Umfrage, die gerade von der ägyptischen Zeitung Al-Ahram Weekly präsentiert wurde. 52 Prozent der Befragten geben an, sie seien der Meinung, die Amerikaner hätten den Angriff auf die Twin Towers "verdient". 39 Prozent sind bis heute der Überzeugung, dass nicht islamistischer Terror, sondern der israelische Geheimdienst für die Anschläge verantwortlich sei. Zwei Drittel halten den Krieg gegen den Terror lediglich für ein Mittel, den USA die Weltherrschaft zu sichern. Die Hälfte der Befragten denkt, es handele sich dabei um einen Krieg gegen Araber und Muslime.

"Der Mittlere Osten", fasst Ibrahim Nafie, Herausgeber des regierungsnahen Kairoer Blattes Al-Ahram, zusammen, "hat am meisten unter den Folgen des 11. 9. zu leiden." Nafie formuliert damit, worauf die frappierende Einigkeit zwischen Politikern, Intellektuellen und dem "kleinen Mann" auf der arabischen Straße basiert: Araber und Muslime fühlen sich zum Spielball der Weltpolitik degradiert. Weil sie dem entgegentreten, allein schon deshalb werden Saddam Hussein, Osama bin Laden oder die Hamas-Attentäter von vielen im Nahen Osten respektiert, die ansonsten keine Sympathien für deren martialische Ideologien hegen. Das virulente Selbstbild der Araber und Muslime, Opfer überlegener äußerer Feinde zu sein, hat Geschichte. Sie beginnt spätestens in den späten fünfziger Jahren, als die Konflikte mit den europäischen Kolonialmächten kulminierten. Seinerzeit entstand das Bewusstsein, als Gemeinschaft vom Westen bedroht zu werden. Das aus realer Erfahrung wie imaginierter Bedrohungen gemixte Feindbild bediente wiederum die in Amerika und Europa verbreitete Vorstellung vom Kampf "des Islams" gegen "das Abendland" bis heute. Wie in den Hochzeiten des pan-arabischen Nationalismus suggeriert es einen Zusammenhalt höchst unterschiedlicher Gesellschaften zwischen Bagdad, Sanaa und Marrakesch, den es nicht gibt.

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