Guerrillero im Ceranfeld

Kurz nach der Wiedervereinigung habe ich mal einen slowakischen Soldaten gefragt, wer denn jetzt der Feind ist, wo auch die Slowaken Kapitalisten ...

Kurz nach der Wiedervereinigung habe ich mal einen slowakischen Soldaten gefragt, wer denn jetzt der Feind ist, wo auch die Slowaken Kapitalisten geworden sind. Er antwortete: "Früher haben wir die Kapitalisten bekämpft, heute kämpfen wir gegen den Staub in den Schränken." Diesen Kampf führe ich auch. Doch nicht um den sauberen Schrank ringe ich, ich bin Guerrillero im Ceranfeld. Erbfeind wäre zu milde für das, was ich an Hass auf den Dreck empfinde, der sich da hinkrustet. Jeden Tag kocht etwas über. Auf der Glasplatte des Ceranfeldes kann man dann richtig schön sehen, wie er festbackt, der schwarze Rand. Das Ceranfeld ist ein als technisches Hilfsmittel getarntes Folterinstrument. Es wurde erfunden, als Menschen wegen der zunehmenden Technisierung im Haushalt beschäftigungslos zu werden drohten. "Wenn wir nicht schnell was erfinden, das die Aufmerksamkeit der Hausmänner und -frauen fesselt, dann dräut allgemeines Tarotkartenlesen, Tablettensucht und Tortenessen", sprachen die Ingenieure, nachdem sie Spülmaschine, Staubsauger und Entsafter erfunden hatten. So entstand das Ceranfeld. Anders als der gute alte Herd von früher exponiert das Ceranfeld jedes Staubkorn. Gnadenlos. Es gibt Tretminen und es gibt Putzminen. Als wäre es ein Vorläufer des Tamagochi, braucht das Ceranfeld täglich Zuwendung. Mit einem hässlichen Metallkratzer will es gestriegelt, mit Schwamm und einer stinkenden Chemieflüssigkeit auf Hochglanz poliert werden. Das macht blöd im Kopf. Das Ceranfeld ist nicht einmal für den Nichtkocher praktisch. Für Menschen, die es immens wichtig finden, Einkaufstüten auf dem Herd abzustellen, ohne dass diese umfallen, könnte das Ceranfeld allerdings tatsächlich etwas haben. Inzwischen gibt es sogar Ceranfelder für Campingkocher. Grausam.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden