Gute Absicht ist zu wenig

Gastkommentar Zu den Verhandlungen über die Biodiversitäts-Konvention

Jeden Tag sterben weltweit rund 150 Arten aus, mit fatalen ökonomischen und ökologischen Folgen: Der Rückgang an Bienen, Fledermäusen und anderen Bestäubern etwa in Nordamerika gefährdet schon heute die ansässige Landwirtschaft. Allein die Arbeit der Honigbiene ist in den Vereinigten Staaten jährlich bis zu 19 Milliarden Euro wert, schätzen Ökonomen. Doch das größte Artensterben findet in den tropischen Wäldern, den artenreichsten Lebensräumen dieser Erde, statt. Am Amazonas etwa wurden zwischen August und Dezember 2007 mehr als 7.000 Quadratkilometer Regenwald vernichtet. Dies entspricht einer Fläche achtmal so groß wie Berlin.

Die Erwartungen an den Bonner UN-Gipfel sind groß: Zu lange sind die Versprechen der UN-Konvention über die biologische Vielfalt unerfüllt geblieben. Das Artensterben ist eine globale Krise mit ähnlich verheerenden Folgen wie der Klimawandel. Doch während die Verhandlungen zum Klimaschutz längst Fahrt aufgenommen haben, dümpelt die Biodiversitäts-Konvention vor sich hin.

Ein wichtiges Vorhaben der Bonner UN-Konferenz ist der weltweite Ausbau von Naturschutzgebieten. Deren Finanzierung ist noch unklar. Bislang liegen nur einige gutgemeinte Absichtserklärungen und einzelne Selbstverpflichtungen von Regierungen vor. Doch ernst gemeinter Artenschutz muss Geld für globale Schutzgebiete bereit stellen, sonst wird er unglaubwürdig. Mindestens 30 Milliarden Dollar statt der heutigen sieben bis zehn Milliarden brauchen die Vereinten Nationen pro Jahr bis 2015. Notwendig wäre auch ein Sofort-Programm zum Schutz der letzen großen Urwälder etwa in Brasilien oder in Indonesien.

Nicht besser ist es um ein weiteres Anliegen der Konvention bestellt: Auch 16 Jahre nach Inkrafttreten ist ihr Versprechen, "den Zugang und gerechten Vorteilsausgleich für die Nutzung genetischer Ressourcen" zu regeln, nicht umgesetzt. Eigentlich will die Konvention bis 2010 einen Rechtsrahmen schaffen, der Entwicklungsländern und ihren Bevölkerungen eine angemessene Gewinnbeteiligung an der kommerziellen Nutzung genetischer Ressourcen, etwa traditioneller Heilpflanzen, zusichert. Dieses Thema wird in Bonn für erheblichen Zündstoff sorgen. Bislang scheitert ein Abkommen an Bremserstaaten wie Kanada, Australien, Neuseeland und Japan. Sie befürchten, dass eine völkerrechtsverbindliche Regelung ihren Zugang zu genetischen Ressourcen einschränken und ein gerechter Vorteilsausgleich für deren Nutzung den Eigentums- und Patentrechten im Weg stehen könnte. Die Firmen profitieren von einem jahrhundertealten Erfahrungsschatz, ohne dafür zu bezahlen. Die Verfügbarkeit und Nutzungsrechte am genetischen Code spielen im Milliarden-Dollar-Spiel eine zentrale Rolle - kein Wunder also, dass massive Lobbyinteressen der Pharma-, Agro- und Kosmetikkonzerne ein Regelwerk seit Jahren verhindern.

Wie auch bei den Klimaverhandlungen schwelt in der Konvention zur biologischen Vielfalt ein klassischer Nord-Süd-Konflikt. Ohne Fairness wird es kein Fortkommen geben. Die Anreize zur sozialen und ökologischen Nutzung genetischer Vielfalt werden ausbleiben, wenn der Norden nicht endlich Geld für den Artenschutz auf den Tisch legt und die Weichen stellt für eine faire und verbindliche Ausgleichsregelung zur Nutzung genetischer Ressourcen. Die Bundesregierung hat sich in Bonn genau das zum Ziel gesetzt. Soll die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt noch Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft entfalten, braucht es einen gewaltigen Schritt nach vorne. Klimaschutz und der Schutz biologischer Vielfalt müssen Hand in Hand gehen. Sie brauchen politischen Willen, schnelle Umsetzung und sozial-ökologische Weitsicht.

Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung

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