Jetzt, wo die deutschen Fußballfans mal wieder ihre hässliche Fratze zeigen und sich nicht mehr auf ein fröhliches Dauerjubeln in den Farben Schwarz, Rot und Gold beschränken, ist die Aufregung beim Deutschen Fußball Bund (DFB) groß. Rassistische Schmährufe im September in Rostock gegen den Schalker Nationalspieler Gerald Asamoah und einen Monat später in Aachen gegen Spieler der Alemannia und den Gast aus Mönchengladbach, fremdenfeindliche Gesänge in unterklassigen Ligen, die Aufzählung ließe sich fast unendlich weiterführen. Die fröhliche Zeit der Fußball-Weltmeisterschaft, als ein Sommermärchen filmisch verklärt, ist endgültig vorbei. Fußballstadien entwickeln sich zu "No Go Areas" für au
ausländische Kicker, vor allem dann, wenn sie keine weiße Hautfarbe haben. Während sich der DFB an den öffentlichkeitswirksamen Bildern der WM-Fanmeilen bis in den kühlen Herbst hinein nicht satt sehen konnte, hatten sich die Fans der rechtsradikalen Szene längst strategisch auf die neue Spielzeit vorbereitet. Selbst die Fußball-Nationalmannschaft ist vor ihnen nicht mehr sicher. Beim Europameisterschafts-Qualifikationsspiel in Bratislava gegen die Slowakei zeigten rund 400 deutsche Männer ohne Scheu zwei Reichskriegsflaggen und skandierten gegenüber den slowakischen Gastgebern "Zicke Zack Zigeunerpack". Fast hilflos registrierten die deutschen Elitekicker und Funktionäre diese unerwünschten Mitreisenden, die sich doch so erschreckend deutlich von dem zwölften Mann oder der Frau bei der Weltmeisterschaft unterschieden. Was soll man dazu noch sagen? Die Standardfloskeln, wie sie von den deutschen Spielern nach dem Spiel in der Slowakei in Richtung der rechtsradikalen Fangemeinde abgespult wurden ("Das sind keine Fans") sind zwar gut gemeint, aber nicht sehr wirksam. Und, wer oder was sind überhaupt Fans oder gar "echte Fans"?Fans sind keine homogene Gruppe. Das meint Professor Günter A. Pils. Der Professor hat das in seiner vorige Woche veröffentlichten Studie nachgewiesen. Mehr als 615 Seiten umfasst das vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Auftrag gegebene Werk mit dem Titel: "Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball - Notwendigkeiten, Möglichkeiten und Grenzen gesellschaftlicher Reaktionen". Nach fünfzehn Jahren hat Deutschland also mal wieder eine Fanstudie. Der Titel deutet es bereits an: Die Fanszene in den Stadien hat sich in den vergangenen Jahren nachhaltig verändert. Und es gibt neue Schubladen, in die Sportsoziologen, Vereins- und Verbandsfunktionäre und Fanbeauftragte die Fans hineinstecken können. Ob die Fans damit besser zu erklären und zu begreifen sind, sei dahingestellt. Sicher ist, dass die simplen Kategorien der "guten" Fans, die sich für den reinen Sport interessieren und dabei friedfertig sind, und der schlechten "Hooligans", denen es vornehmlich um Gruppengeist, Empathie und Keile geht, immer weniger greifen.Eine neu eingeführte Sorte von Fußballfans sind zum Bespiel die so genannten "Ultras", die sich dem Erhalt des traditionellen Fußballs als Zuschauersport verpflichten, den Ausverkauf des Profifußballs ablehnen und entschieden gegen die Kommerzialisierung des Fußballsports auftreten. In gut organisierten Fanchoreografien bringen sie ihre Protest- wie Zuneigungskultur gegenüber ihrem Verein laut- und bildreich in den Stadien zum Ausdruck. Aber: Sie verzichten fast immer auf das Mittel der Gewalt. Protestierende, lärmende Fußballfreunde also - die keine klassischen "Hooligans" sind, nicht zu verwechseln mit den deutschtümelnden Rüpeln beim Qualifikationsspiel in Bratislava. Um die neue Unübersichtlichkeit zu vollenden, taucht in der Studie noch eine weitere Kategorie auf: die "Hooltras" - eine Schnittmenge aus beiden Gruppen.Ebensowenig lässt sich nach dem Schwarz-oder-Weiß-Prinzip entscheiden, ob die Fans im Ganzen mehr oder weniger rassistisch sind als noch vor Jahren. Tendenziell, so scheint es, verschiebt sich rassistisches Verhalten von der Bundesliga hin zu den Niederungen des bezahlten und unbezahlten Fußballs in den unteren Ligen. Wer heute über Fußballfans spricht, hat vor allem eins: Schwierigkeiten, klare Aussagen zu treffen.Immerhin verdichten sich die Anzeichen, dass Fußballfans wieder ernster genommen werden und nicht auf nur fröhliche Stimmungsmacher in modernen Arenen reduziert werden. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes Theo Zwanziger versucht sich in Dialogbereitschaft. An einem runden Tisch sollen sich schon bald Vereins-, Verbands- und Fanvertreter zu einem Fanforum versammeln. Damit nicht genug. Am letzten Bundesligaspieltag initiierte der DFB in allen Stadien eine Aktion mit dem wenig originellen Namen "Dem Rassismus die rote Karte".