Guter Schlaf mit AstraZeneca

Impfen Unsere Kolumnistin weiß: Ängste lassen sich nutzen. Vor allem solche vor Nebenwirkungen
Ausgabe 15/2021

Heute habe ich geträumt, ich wäre wegen irgendwas beim Arzt. Während ich ihm meine Beschwerden erkläre, sticht er mir plötzlich eine Spritze in den Oberarm: „So, jetzt sind sie auch gleich gegen Corona geimpft.“ Was?! „Aber mit welchem Impfstoff?“, will ich fragen beziehungsweise ich frage es auch, aber – typisch Traum – unendlich langsam: „Aaaaabbbbbeeerrr mmmmmiiiiiiiiiiittttt wwwwwweeeee ...“ Um Luft und Ton ringend wache ich auf.

Was wäre, wenn ich geimpft würde und nicht wüsste, womit? Würde ich es vielleicht erspüren können? Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hält im Internet Studien dazu bereit: Nein, erspüren geht leider nicht. Fieber, Schüttelfrost und Erbrechen, also die nicht schwerwiegenden Nebenwirkungen, fühlen sich bei jedem Impfstoff gleich an. Nur die Anzahl der Betroffenen schwankt je nach Hersteller.

Ebenso schwankt die Placebo-Kontrollgruppe: Glauben die Leute, das fürchterliche AstraZeneca flösse durch ihre Adern, liegen 60 Prozent mit Fieber, Schüttelfrost und Schmerzen im Bett und/oder erbrechen sich – obwohl sie nur Kochsalz gespritzt bekamen. Glauben sie dagegen, sie hätten den guten Biontech-Stoff bekommen, erkranken nur 34 Prozent, bei Moderna 53 Prozent. Respekt!

„Also, so was hat es früher nicht gegeben“, schimpft meine durchgeimpfte Mutter. In der guten alten Zeit habe ihr Hausarzt alle Beipackzettel von der Arzthelferin wegwerfen lassen, bevor Medikamente ausgereicht wurden. So kämpfte er gegen diesen sogenannten Nocebo-Effekt. Aber hat er dabei nicht was verpasst? Kann man diesen Effekt nicht therapeutisch nutzen, statt ihn zu bekämpfen? Gerade jetzt? Man könnte ein glorioses Nocebo-Impf-Management darauf aufbauen! Man nehme einen schlecht beleumundeten Impfstoff, der besser als sein Ruf ist. Den haben wir: AstraZeneca!

Nocebo-bereinigt treten bei diesem Impfstoff nicht schwerwiegende Nebenwirkungen am seltensten auf – nur bei 13 Prozent der Leute – gegenüber Biontech mit 36 und Moderna mit 30 Prozent. Sollte die Hausärztin das individuelle Thromboserisiko als gering einstufen, könnte sie folgendermaßen fortfahren: „Jetzt schauen wir mal, mit welchen Nebenwirkungen Sie persönlich rechnen müssen. Denn dass die für alle gleich sind, ist ja Unsinn.“

Ein Blick auf den Patienten, zwei in den Computer, dann wird aufgeklärt: „Rechnen Sie für die kommenden Wochen mit starker Appetitlosigkeit (beziehungsweise für zu dünne Leute: Heißhunger). Das ist nichts Schlimmes, essen Sie einfach weniger (mehr). Wegen der Erhöhung von – denken Sie sich an dieser Stelle einen unverständlich vernuschelten Fachausdruck – könnten Sie eine bleierne Müdigkeit verspüren. Die postvakzinale Erschöpfungsstörung ist abends gegen 22 Uhr am schlimmsten. Kämpfen Sie nicht dagegen an. Gehen Sie schlafen. Ab morgens um sieben werden Sie sich dann mit dem Gegenteil herumschlagen müssen: hartnäckige Schlaflosigkeit, die den ganzen Tag lang andauern kann, bis abends wieder die Fatigue kommt. Dieser anstrengende Kreislauf kann Tage, Wochen, in Einzelfällen auch Monate andauern. Einmal pro Tag kann Sie Ruhelosigkeit befallen: das sogenannte Zappelphilipp-Syndrom. Das sollten Sie ausagieren. Denn in Ihren Muskeln wird ein Enzym freigesetzt, das abgebaut werden muss. In schweren Fällen müssen Sie sogar joggen gehen, um wieder runterzukommen. Wie gesagt, das muss alles gar nicht passieren, es kann aber. Zu den minder bedeutsamen Nebenwirkungen, kaum der Rede wert, zählen Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Muskel- oder Gelenkschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen, also im Grunde ganz alltägliche Sachen.“

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