Arschcucke Hat jemand in Österreich etwa über der Gewöhnlichen Kuhschelle sein Geschäft verrichtet und wurde dabei von den pelzigen, blauvioletten Blüten am Hintern gekitzelt? Das hätte zu Hautreizungen führen können, sodass man Pulsatilla vulgaris in der Schweiz auch Beißwurz und in Sachsen Bitzblume nennt. Oder Verpiss-dich-Pflanze: Ein schwäbischer Züchter versprach, dass sie Hunde und Katzen abschreckt. Zu einem Besucherandrang kam es jüngst vor dem botanischen Garten im australischen Adelaide, wo die Titanwurz nur alle paar Jahre eine riesige Blüte treibt, der sie den Namen Penisblume verdankt. Sie stinkt fürchterlich, aber vielleicht wollen die Leute nicht immer das Appetitliche. Befremdliche, skurrile Blumennamen
petitliche. Befremdliche, skurrile Blumennamen. Sind es hässliche Namen? Wie bei der Arschcucke jedenfalls schwingt bei vielen mundartlichen Wendungen auch der Trotz mit, sich einem wohlanständigen Gehabe (➝ Beleidigung) nicht anpassen zu wollen. Irmtraud GutschkeBBeleidigung Liebe Schenker*innen, hier ein kleiner floraler Geschenke-Guide. Blumen sind natürlich ein tolles Geschenk, aber bestimmte Arten könnten bei dem oder der Beschenkten möglicherweise falsch ankommen. Gerbera zum Beispiel, die sind leider sehr hässlich. Ja, auch die rosafarbenen. Als Mitbringsel daher geeignet für ein Geburtstagskind oder einen anderen Anlass, bei dem mensch lieber nichts schenken würde. Oder die obligatorischen roten Rosen. Werden die – womöglich am Valentinstag – überreicht, ist davon auszugehen, dass mensch demnächst betrogen oder verlassen wird (➝ Dead Flowers). Daher: lieber zu Socken greifen und die verschenken! Bei Disteln allerdings, die ja angeblich Unglück bringen und als Unkraut berüchtigt sind, liegt keine Beleidigung im Blume-2000-Papier vor. Die sind einfach schön, in allen Farben. Clara von RauchDDead Flowers Der Sänger sitzt auf einem seidenen Polsterstuhl und hat so gar nichts mit den feinen Leuten um ihn herum zu tun. Während die Besungene am Kentucky Derby Day auf Pferde wettet, setzt er sich eine Heroinspritze. „Schick mir ruhig tote Blumen mit der Post. Ich werde dafür nicht vergessen, Rosen auf dein Grab zu stellen.“ Der Song Dead Flowers ist ein überraschender Country-Ausreißer auf dem legendären Sticky-Fingers-Album der Rolling Stones aus dem Jahr 1971.Seit man während der Exile-on-Main-St.-Sessions mit dem Countrymusiker Gram Parsons zusammenkam, taucht auf jedem Album der Stones ein Country-Song auf. Die Band setzt damit Mick Jaggers Plan der Diversifizierung der musikalischen Palette um. Gram Parsons stirbt zwei Jahre nach der Veröffentlichung tatsächlich an einer Überdosis Heroin. Aus heutiger Sicht sind die noch lebenden Helden des Rock ’n’ Roll ein erlauchter Kreis Überlebender, die einen Rattenschwanz von Toten hinter sich herziehen. Die schönen Blumen leben selten lang, während das Unkraut (➝ Gestank) nicht vergeht. Marc Ottiker FFleurs du Mal Am See schlafen sie noch nicht miteinander. Das Ufer ist voller hässlicher Blumen, aber die Schwäne tun so, als merkten sie nichts. Er erzählt, dass er früher „keine Blume am Wegesrand stehen ließ“. Natürlich meint er Frauen, also: „schöne Frauen“. Sie macht kein Fass auf wegen der Ausdrucksweise (ist gerade keines in der Nähe), sondern erkundigt sich: „Wann hast du damit aufgehört?“ – „Womit?“ – „Na, mit Blumen-Aufreißen.“ Da nimmt er die Hand von ihrem Rücken, weil er die nun zum Deklamieren braucht (➝ Ironie), und zückt seinen mentalen Baudelaire: „Ich bin wie der König eines Regenlandes, reich, aber ohnmächtig, jung und uralt, ein grausam Kranker, dessen mit Blumen bestreutes Bett sich in ein Grab verwandelt!“ – „Gruselig“, murmelt sie. „Die Blumen des Bösen sind nicht hässlich!“, ruft er. „Wann haben wir das vergessen?“Katharina KörtingFlorett Stilblüten sind keine richtigen Blumen, aber dem Schriftsteller „passieren“ sie, während er noch denkt, dass er „nur“ mit Dämonen ringt. Berufsgeheimnis, Klischee: Die meiste Zeit verbringt der Schriftsteller mit Nichtschreiben. Stilblüten sind schräge Bilder, schiefe Sätze. Sie sind gemein, gestern klang es wie Literatur, heute dümmlich dekorativ. Chapeau, wer mit dem Florett vorgeht. Unsentimental. Kopf ab. Delete. Kann nicht jeder. Lektoren raufen sich die Haare über unfassbare Stilblüten, auch weil sie dem Autor das Bukett überreichen müssen, der öfter eine Diva ist. „In writing, you must kill all your darlings“, empfahl der Literaturnobelpreisträger William Faulkner.Seine Empfehlung hat der Lektor zur Not parat. Katharina Schmitz GGestank Wegen Ulrich Kienzle und seines Gegenparts Bodo H. Hauser habe ich für einen Schulaufsatz, in den ich beide integriert hatte, eine schlechte Note bekommen. In so einen Aufsatz gehörten keine realen Personen. Mir hat das damals ziemlich gestunken, und ich verstehe es bis heute nicht. Ulrich Kienzle selbst stank etwas ganz anderes: Blumen. Die röchen ein paar Tage später wie Scheiße, offenbarte er in der SWR-Sendereihe „Krause kommt“. Pierre Krause besuchte das Ehepaar just nach dessen Einzug in seiner Wiesbadener Wohnung. Der stille, introvertierte Kienzle mit dem markanten Schnauzer und seine quirlige, grell geschminkte und herzlich drauflosredende Ehefrau Ilse. Lilien seien das gewesen, die so gestunken hätten, ergänzt Ilse Kienzle ohne Gram. Wenn man auf der sicheren Seite sein will, verschenkt man besser keine Stinkblumen. Am Blumenwasser sollte man ein paar Tage später sowieso nie riechen. Jan C. BehmannHHeroisch „Tod oder Gladiolen“. Was heute metaphorisch gemeint ist, wurde in der Römerzeit wörtlich genommen. Es ging ja tatsächlich um Leben und Tod. Siegte ein Gladiator in einem Kampf, wurde er mit Gladiolen überschüttet. Die Gladiole (auch Schwertlilie, Siegwurz), abgeleitet vom lateinischen Gladius („kleines Schwert“), symbolisierte Leben, Stärke und Stolz des Helden. Der Sieg des Gladiators war freilich ohne den Tod des Gegners nicht zu erringen. Ein bitterer Beigeschmack für eine so eindrucksvolle Blume.Heutzutage haben Spruch und Blume weiterhin ihren Platz im Profisport, in dem es ja auch oft um alles zu gehen scheint. Ganz nach dem Motto „Hals- und Beinbruch“ wird das Eishockeyteam noch mal heißgemacht, gibt sich der angezählte Fussballtrainer mit „Tod oder Gladiolen“ ein letztes Mal kämpferisch. Es geht immer noch um Sieg oder Niederlage. Mit einem tödlichen Ausgang ist zum Glück nicht mehr zu rechnen. Liz JacobsIIronie Siw Malmkvist wusste schon 1964 ein Lied davon zu singen. Wenn Männer Blumen schicken, haben sie nichts Gutes im Sinn. Ob Nelken oder Rosen, kaum steckt der Strauß in der Vase, sind „Fred“ oder „Jack“ nicht mehr gesehen. Die leicht bittere Note des Refrains ist kaum zu überhören: „Danke für die Blumen, oh, die sind wunderbar.“ Kein Wunder, dass die schwedische Schlagerikone in einem späteren Lied pragmatisch feststellte: „Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling.“ Eine Weisheit, die auch Sangeskollege Udo Jürgens beherzigte. Sein Vielen Dank für die Blumen (1981) preist die tröstende Wirkung der Ironie, wenn sich das Liebesglück nicht einstellen mag. Zumal das florale Präsent hier nur noch zur Metapher taugt. Joachim FeldmannMMauerblümchen Blümchen, die sich zwischen Steinen herauszwängen, nennt man Mauerblümchen. Ein Blick auf die Herkunft des Wortes verweist darauf, dass das Wort seit dem Mittelalter im übertragenen Sinn für Frauen verwendet wurde, die nach dem Mahl auf Mauervorsprüngen saßen und darauf warteten, zum Tanz aufgefordert zu werden. Diejenigen, die sitzen blieben, hießen – genau! Vom traurigen Schicksal, verschmäht zu werden, sind aber auch Männer betroffen. Das weiß Bob Dylan. Er textet in seinem gleichnamigen Song: „Wallflower, wallflower / Won’t you dance with me? / I’m fallin’ in love with you. // Wallflower, wallflower / Take a chance on me. / Please let me ride you home.“ Minus mal minus kann manchmal also auch plus ergeben. Beate TrögerSSchattenseite Blumen stellen ein Milliardengeschäft dar. Rund 80 Prozent der hier verkauften Pflanzen sind importiert – vor allem aus Südamerika und Afrika. Oft wird bei der Züchtung der Monokulturen Wasser verschwendet und zu viel Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt, fallen die Löhne sehr niedrig aus und fehlt Schutzbekleidung für die Arbeitenden. Darunter sind vor allem Frauen. Fairtrade-Blumen schaffen immerhin Abhilfe, was miese Arbeitsbedingungen angeht. Wer auf heimische Freilandblumen setzt, kann auf den Saisonkalender schauen. Demzufolge sind Ende Februar nur Krokusse und Tulpen zu haben. Für den Valentinstag muss es dann eine Topfpflanze sein. Tobias PrüwerWWelkism Es gibt keine hässlichen Blumen. Es gibt nur hässliche Menschen. Aber über die Hässlichkeit des Menschen darf man nicht mehr schreiben. Weil aber der Mensch ein Ventil braucht, lässt er es jetzt an den Blumen aus. An den vulnerabelsten Geschöpfen, die es gibt: Eine falsche Bewegung, und sie knicken ein. Das eben ist die Hässlichkeit des Menschen, dass er es an den Schwächsten auslässt. Und bei den Pflanzen geht es natürlich nur um Äußeres, wenn es ums Hässliche geht, Gerbera (➝ Beleidigung), ➝ Zimmerpflanze; alles, was nicht der Normschönheit entspricht.Wenn ich sage, dass ein Mensch hässlich aussieht, dann meine ich: Das Niedrige steht ihm ins Geschicht geschrieben (Kohls sentimentale Verschlagenheit, Baerbocks vulgärer Ehrgeiz). Physiognomik des 19. Jahrhunderts also, hat lange in der Karikatur weitergewirkt. Aber die will man auch nicht mehr haben. Schwierig, kann Ärger geben. Dann lieber ein paar Blumen fertigmachen, tut ja keinem weh, glaubt man. Michael AngeleZZimmerpflanze Das Geschenk zum Einzug in die neue Wohnung – der Sägeblattkaktus, Epiphyllum anguliger. Am Anfang sind die Blätter noch dick, knubbelig, saftig dunkelgrün. Sie hängen nach unten. Perfekt für die Makramee-Blumenampel. Plötzlich schießen neue Zweige empor! Immer mehr! Sie werden länger und länger. Hellgrün sind sie, schmal und spitz. Das wäre ja alles kein Problem, allerdings wachsen sie ganz gerade, schnurstracks nach oben. Die Pflanze wird im Badezimmer abgestellt. Dort hat sie noch viel Platz, bis sie an die Decke stößt. Sie sieht so aus, als bräuchte sie wirklich dringend einen Haarschnitt. Die Ableger gehen entweder ein, oder sie nehmen andere seltsame Formen an. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass sie aus einem dubiosen Online-Versandhandel stammt. Neue hauseigene Mutationszüchtungen werden daher direkt eingestellt. Lisa Kolbe
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