Hand in Hand

Arbeitskampf Klimaschutz und Arbeitnehmer*innenrechte werden oft gegeneinander ausgespielt. Ein Protest im Bosch-Werk München-Trudering zeigt, wie es anders geht
Ausgabe 37/2021

Klima- und Klassenkampf gehören zusammen. So geht ein richtiger und wichtiger Allgemeinplatz im linken Diskurs, für den sich bisher allerdings noch nicht viele praktische Beispiele finden lassen. Noch im Hambacher Forst standen sich Klimabewegung auf der einenund RWE-Arbeiter*innen, die um ihre Arbeitsplätze fürchteten, auf der anderen Seite unversöhnlich gegenüber. Die Frage, was ihre Gewerkschaft IG BCE vielleicht anderes für sie erkämpfen könnte als den Erhalt klimaschädlicher Arbeitsplätze und ob nicht RWE und kapitalfreundliche Politik Gegner beider Fraktionen sind, wurde damals weder öffentlich noch gemeinsam gestellt. Vielleicht ist daher jetzt die Aufmerksamkeit für die gemeinsamen Proteste junger Klimaschützer*innen und der Arbeiter*innen im Bosch-Werk in München-Trudering besonders groß.

Dort kämpfen 250 Arbeiter*innen gegen die Schließung des Werks und den Wegfall ihrer Arbeitsplätze. „Unser Problem ist das Verbot der Verbrennermotoren“, erzählt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Ferhat Kirmizi. „Es sollen nur noch E-Autos gebaut werden, dafür fertigen wir hier aber nichts.“ Im betroffenen Werk werden Einspritzventile und Kraftstoffpumpen für Dieselmotoren hergestellt. Bosch ist der größte Automobilzulieferer weltweit. Ich frage ihn, ob Bosch die Neuregelungen nutzt, um Fertigungen in für sie günstigere Länder zu verlegen. „Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen.“ Aber seine Forderungen sind klar: „Wir wollen unsere Arbeitsplätze erhalten und hier andere Dinge bauen als Klimaschädliches für die Autoindustrie. Bosch stellt viele Haushaltsgeräte her. Warum also nicht hier?“

Unterstützung bekommen die Bosch-Beschäftigten von ihrer Gewerkschaft IG Metall – und von jungen Klimaschützer*innen. „Die standen eines Tages bei uns vorm Werk und haben gegen die Stellenkürzungen protestiert. Sie haben auch eine Petition für uns gestartet. Ich bin dann rausgegangen zu ihnen und habe sie gefragt, ob sie wissen, dass wir klimaschädliche Teile produzieren. Aber die wussten das und haben zu mir gesagt: Klimaschutz darf nicht auf eurem Rücken ausgetragen werden.“ Das bestätigt mir auch die Schülerin Mia, die schon ein paar Jahre aktiv in der Klimabewegung ist. Sie wird auch deutlicher als Kirmizi: „Die Verlagerung der Werksproduktion wegen der angeblichen Umstellung auf E-Mobilität ist doch nur ein Vorwand. Bosch geht es um Profite, nicht um das Klima. Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen. Unternehmen stellen es gerne so dar, als ob Arbeitsplätze wegen des Klimaschutzes wegfallen würden. Deswegen haben wir uns vernetzt und kämpfen jetzt zusammen dafür, dass das Werk erhalten bleibt und dort Dinge hergestellt werden, die wir als Gesellschaft wirklich brauchen.“

Mittlerweile haben sowohl die Bosch-Arbeiter*innen als auch die Klimaaktivist*innen je eine Petition – mit identischen Forderungen – gestartet, viele haben bereits unterschrieben. Weitere gemeinsame Aktionen sollen folgen. Arbeiter*innenkämpfe und soziale Bewegungen sind immer dann besonders stark, wenn sie sich nicht spalten lassen und sich nicht im Entweder-Oder verheddern. Bisher waren Klima- und Arbeiterbewegung in dieser Hinsicht eine Leerstelle in Deutschland. In München könnte der Anfang dafür gemacht worden sein, dass sich das ändert.

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