Auf einem Schiff der US-Marine wird Afghanistans einstiger Botschafter in Pakistan "befragt", hat sich die Nachrichtensprache auf einen freundlichen Euphemismus verständigt, um das weniger gefällige "verhört" zu meiden. Soll die terminologische Schönwetterfront nicht getrübt werden, könnte als Ursache des Zusammentreffens vielleicht eine "Einladung" der USA an den Ex-Diplomaten vermutet werden. Aber Abdul Salam Zaif wurde von den pakistanischen Behörden - genauer dem Geheimdienst ISI - als Kriegsgefangener ausgeliefert. Dabei gibt es einen Umstand, der unseren glatten, magenfreundlichen News-Stanzen nicht unterkommt: Dieser Zaif - sicher alles andere als eine Lichtgestalt der internationalen Diplomatie - ist nicht irgendein nach Pakistan entwichener Taleban-Asylant, er war auch nicht bis vor kurzem "Botschafter der Taleban", wie zweckdienlich kolportiert wird, sondern Afghanistans offizieller Vertreter in Pakistan. Dies gründete auf den ausdrücklichen Willen aller pakistanischen Regierungen, die seit der Kabuler Machtübernahme der Gotteskrieger im September 1996 darüber zu befinden hatten. Auch General Musharraf ließ nach seinem Putsch gegen Premier Nawaz Sharif (Oktober 1999) nie erkennen, es anders halten zu wollen. Warum auch sollte Islamabad einem Regime die diplomatischen Weihen bestreiten, das es selbst geschaffen hatte?
So unterhielten der Staat Pakistan und der Staat Afghanistan einen offiziellen Kontakt, wie ihn sich ansonsten zu Zeiten der Taleban nur noch Saudi-Arabien leistete. Zaifs Residenz in Islamabad besaß den Status einer Botschaft, der Hausherr den eines Botschafters, dessen Geschick die Wiener Diplomatenrechtskonvention ausdrücklich unter den Schutz seines Empfangsstaates stellt. Andernfalls hätte Pakistan die diplomatischen Beziehungen unterbrechen oder kündigen oder Zaif die Akkreditierung verwehren müssen. Nichts dergleichen ist geschehen.
Auch im Falle eine Kriegserklärung an Afghanistan, die es im Übrigen seit Beginn der Luftangriffe weder durch die USA noch Pakistan gab, bleibt die Schutzpflicht des Gastlandes für akkreditierte Diplomaten bestehen. Geltendes Völkerrecht lässt sich durch einen Krieg nicht annullieren - im Gegenteil, nicht zuletzt für diesen Extremfall ist es vereinbart. Damit bestand auch für Abdul Salam Zaif zumindest bis zum Antritt der neuen afghanischen Regierung diplomatische Immunität. Danach blieb es eine Frage des Gewohnheitsrechts, den "Außer-Dienst-Gestellten" ziehen zu lassen, oder politischer Opportunität, Selbiges nicht zu tun. Doch von allen Staaten dieser Welt war Pakistan moralisch und rechtlich am wenigsten legitimiert, ausgerechnet diesen Ex-Diplomaten auszuliefern. Zu groß ist die Mitverantwortung für das Taleban-Regime, die Mitschuld an dessen Verbrechen.
Staaten hat der Anti-Terror-Krieg bisher nicht mit Kriegserklärungen bedacht - Recht und Moral um so mehr.
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