FREITAG: Der Themenpark soll eine Zukunftswerkstatt sein. Sind die Besucher bei der Fülle von Angeboten nicht überfordert?
MARTIN ROTH: Es gibt Ausstellungen, durch die man flanieren kann und auf die man sich einlassen sollte. Dazu passt das schöne Wort subkutan, unter der Haut. Viele von diesen Konzepten haben so etwas Subkutanes. Man kann sich darauf einlassen und erfährt dann mehr. In Halle 7 gibt es eine Vielzahl von Installationen: von der Gen- und Biotechnologie bis hin zum Thema Menschenrechte in Zusammenarbeit mit Amnesty International, zum Thema Toleranz gemeinsam mit der Shoah Foundation.
Wie passen denn Menschenrechte, die Shoah Foundation und die chemische Industrie als Wirtschaftspartner unter ein Dach?
Es ist um so interessanter, dass das nicht zusammenpasst, weil wir Brüche darstellen wollen. In diesem Job habe ich gelernt, dass es eine Grenze der Moderation gibt. Ab einer bestimmten Größenordnung kriegen Sie die Themen nicht mehr zusammen. Beim Thema Mensch haben wir wirklich hundert Prozent von dem erreicht, was machbar ist. Mehr wäre dort nicht gegangen. Unterschiedliche Positionen zum selben Thema aufzeigen, das war von Anfang an unser gemeinsames Interesse.
Der Themenpark als Lobby für die Sponsoren?
Das ist immer Lobby-Arbeit, auch für Amnesty International, für die 720 weltweiten Projekte und natürlich auch für die 40 Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten. Das wollten wir ja auch. Aber ich wollte, dass die Partner die Konzepte, die sie präsentieren, mit der eigenen Handschrift unterzeichnen. Man hätte es sich auch einfach machen können: für 250 Millionen Mark Agenturen beauftragen und sagen, so, jetzt gucken wir uns das Ergebnis mal an.
Kritiker klagen, die Weltausstellung sei eine reine Industrieschau. Was ist vom Konzept "Mensch - Natur - Technik" geblieben?
Wer das sagt, hat wenig Ahnung von Weltausstellungsgeschichte. Ich glaube, so eine Frage würde nie gestellt in England oder Kanada, wo es eine Weltausstellungstradition gibt. Weltausstellungen sind immer Projekte gewesen, bei denen es um nationale Identität geht. Insofern würde ich nie sagen, dass Weltausstellungen jemals reine Industrieschauen waren. Alles, was wir da machen, ist Mensch - Natur - Technik. Wir sagen nicht: Wir haben ein Motto und daraus machen wir jetzt etwas, sondern: Wir haben einen Rahmen, aus dem wir ein Thema formen.
Die EXPO will Zukunftslösungen anbieten. Man fragt sich: Wie hilft das Tanztheater beim Thema "Zukunft der Arbeit" gegen Arbeitslosigkeit?
Es gab zwei Grundaussagen. Erstens: Keine technische Show, weil Zukunft von Menschen gemacht wird. Wenn wir die Zukunft den Robotern überlassen, fallen wir zurück ins 19. Jahrhundert. Zweitens: Keine Konzepte à la Bündnis der Arbeit, sondern eher Agitprop-Theater der zwanziger Jahre, mit Themen, die zum Beispiel helping others is a job heißen. Das ist die Tätigkeitsgesellschaft der Zukunft. Da mag manch einer hinausgehen und sagen: Das habe ich jetzt aber auf Anhieb nicht verstanden, aber damit leben wir. Und dann sehen Sie dort Zukunftsbiographien von Menschen, die sagen: Ich bin jetzt 35 und hab' bisher 20 Jobs gemacht. Da sieht man, es gibt Lebensentwürfe, die müssen nicht so sein wie unsere.
Bekommen Sie im Raumschiff EXPO etwas von der Kritik mit?
Eine Auseinandersetzung findet seit Jahren statt. Was nicht verstanden wird, ist, dass wir die Debatte seit 1995 relativ offen führen. Für alle Themen gab es Diskussionsforen, in denen wir alles dargestellt haben. Da waren immer Gegner mit dabei. Allein die Auseinandersetzung mit dem BUND für Umwelt und Naturschutz, der gesagt hat, wir machen nicht mit... Mir ist es doch Wurscht, wer das Richtige sagt, Hauptsache das Richtige wird gesagt - und sei es vom Falschen. Bestimmte Themen müssen in die Öffentlichkeit gebracht werden, ob sich dann der BUND oder jemand anders ziert, ist mir echt egal.
Trifft Sie die Kritik?
Natürlich trifft einen das. Vor allem wenn Sie die Absicht haben, eine wirkliche breite Plattform zu kreieren, um alle gemeinsam zu präsentieren, dann aber merken, dass sich welche entziehen. Da haben Sie das Gefühl, eine Chance geht verloren, weil für Viele die Möglichkeit bestanden hätte, sich einem breiten Publikum zu nähern, das sie sonst nicht erreichen.
Was wird nach der EXPO aus dem Themenpark und aus Martin Roth selbst?
Wir verhandeln mit Museen, Unternehmen und auch Städten, um einzelnes nachzunutzen. Bei manchen Themen wie "Gesundheit" oder "Wissen" ist das unproblematisch, auch die Choreographie der "Zukunft der Arbeit" kann weiter verwendet werden. Andere Bereiche werden wir intelligent auseinanderschrauben müssen und dann sehen, was wir davon noch nutzen können. Ich selbst würde gern an die Orte zurückkehren, die ich in den letzten fünf Jahren auf Kurzreisen gesehen und die mir gefallen haben und dort mindestens eine Woche bleiben. Ansonsten bin ich nur beurlaubt, ich gehe zurück nach Dresden.
Das Gespräch führten Reza und Cyrus Salimi-Asl
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