In der Zuwanderungspolitik gilt das Nützlichkeitsprinzip: Qualifizierte Fachkräfte werden umworben, für "Billig-Beschäftigte" aus dem Osten bleiben die Grenzen dicht. Das alte Vorurteil vom Ausländer, der den Deutschen die Arbeit wegnimmt, erhält so neue Nahrung. Dabei sieht die Wirtschaft die Potenziale von Migranten längst als "ökonomischen Vorteil": Vielfalt als Chance, heißt eine Kampagne für Diversity Management, die von der Integrationsbeauftragten unterstützt wird. Firmen, die gezielt auf die Vorteile von Einwanderern setzten, verspricht Maria Böhmer (CDU), hätten auch "mehr Erfolg an der Börse".
Als Anfang des Jahrzehnts aus betriebswirtschaftlichen Fach- und Praxiskreisen der Begriff Diversity Management in eine
anagement in eine breitere Öffentlichkeit durchsickerte, gab es ein gewisses Raunen in der Community, die sich mit Migration und Integration befasst. Zwei der Prämissen dafür, Diversität in Unternehmen zu managen - man kann es auch so formulieren: Vielfalt für das Unternehmen nutzbar zu machen - waren keineswegs selbstverständlich. Deutschland ist ein Land, in dem unterschiedliche Kulturen und ethnische Herkünfte existieren und für die Unternehmen ist es ein Gewinn, Menschen mit Migrationshintergrund oder auch Angehörige anderer Minderheiten einzustellen.Die Selbsttäuschung "Deutschland ist kein Einwanderungsland" war gerade mit der ersten Regierungserklärung der rot-grünen Koalition 1998 halbherzig aber immerhin verabschiedet worden: "Zuwanderung hat stattgefunden". Das andere: Die Rekrutierungspraxis der Unternehmen ist nicht unbedingt frei von Diskriminierung. Statistisch lässt sich das zum Beispiel daran ablesen: Junge Menschen mit Migrationshintergrund, die über die gleiche Vorbildung wie Angehörige der Mehrheitsgesellschaft verfügen, haben geringere Chancen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Die Internationale Arbeitsorganisation hat das einmal generell mit Bewerbungen in verschiedenen europäischen Ländern getestet. Auf eine Anzeige wurden fiktive Bewerbungen geschickt, die gleiche Qualifikationen auswiesen. Die Namen der einen klangen nach Mehrheitsgesellschaft, die der anderen nach Zuwanderung. Die fiktiven Zuwanderer wurden deutlich seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.Ein Einwanderungsland muss sich um die Integration der Zuwanderer kümmern und die Integration in die Arbeitswelt ist einer der entscheidenden Hebel für gesellschaftliche Integration überhaupt. Von dieser Überlegung ausgehend hatte und hat Diversity Management natürlich seinen Charme.Nur - was ist Diversity Management nun eigentlich genau? Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Es geht im Kern darum, die unterschiedlichen Prägungen, die unterschiedliche Menschen kennzeichnen, für ein Unternehmen nutzbar zu machen. Einer der Diversity-Gurus in Deutschland, Hans Jablonski, hat das vor einigen Jahren als Diversity Manager bei den Kölner Ford-Werken einmal so erläutert: "Ein Auto, das von einem Team deutscher Männer um die 40 entwickelt wurde, deckt sicher nicht alle Bedürfnisse von Frauen, ausländischen Mitbürgern und älteren Autofahrern ab." Das heißt nichts anderes, als dass eine vielfältige Belegschaft sich besser auf eine vielfältige Kundschaft einstellen kann. Das ist so ganz überraschend eigentlich nicht. Wer im Berliner Bezirk Neukölln zum Arzt geht, kann ziemlich sicher sein, dass die Arzthelferin, die einem das Blut abnimmt, neben Deutsch auch Türkisch und meist noch Arabisch spricht.Mobilisieren, was da istDie Idee, die Potenziale der Beschäftigten und ihre Kreativität zu nutzen, ist kein ganz neuer Ansatz. Er markiert vielmehr moderne Formen der Arbeitsorganisation und die Überwindung des Taylorismus, verstanden als strikte Aufteilung der Arbeit in standardisierte begrenzte Aufgaben und darauf basierend die Einordnung des Menschen in die Arbeit als verlängertes Teil der Maschine - was den Einzelnen leicht ersetzbar macht. Typisch für eine moderne Arbeitsorganisation ist es, dass die Beschäftigten ihre Arbeit weitgehend selbst organisieren müssen und unmittelbar dem Markt ausgesetzt sind. Dafür brauchen sie natürlich Kreativität.An zwei Punkten unterscheidet sich das Diversity Management von den verschiedenen Formen moderner Arbeitsorganisation. In der müssen Beschäftigte ihre Kreativität und Fertigkeiten selbst mobilisieren, da es in der Situation, in der sie sich befinden gar nicht anders geht. Das Motto lautet: Macht, was ihr wollt, aber seid produktiv.Im Diversity Management werden dagegen bewusst die Potenziale der Beschäftigten analysiert, um sie nutzbar machen zu können. Und es wird bewusst auf Minderheiten zugegangen, um deren oft spezifischen Fähigkeiten nutzen zu können. Der Grund ist ziemlich banal: Die Erwerbsbevölkerung wird älter, weiblicher, internationaler und schrumpft - so Jablonski, der inzwischen freier Diversity-Berater ist, bei einem Vortrag in Berlin 2007.Es muss also mobilisiert werden, was da ist. Damit die Talente von Angehörigen einer Minderheit auch tatsächlich genutzt werden können, müssen mögliche Diskriminierungen ausgeschaltet werden. Deshalb ist es im Diversity Management wichtig, gegenseitigen Respekt und gegenseitige Wertschätzung im Unternehmensalltag zu etablieren und Mechanismen einzubauen, die mögliche Konflikte schlichten oder gar nicht erst aufkommen lassen. Auch das ist wiederum nicht neu. In vielen Betrieben gibt es so genannte Kulturmittler, die genau diese Aufgabe erfüllen - ein prominentes Beispiel ist ThyssenKrupp Steel in Duisburg, wo Betriebsrat und IG Metall das organisieren.Allerdings steht Diversity Management deutlich stärker im Rampenlicht als die vielfältigen Bemühungen um Integration in Betrieben oder auch Kommunen, um die sich Gewerkschaften, NGOs und Kommunalverwaltungen bemühen. Ein Diversity-Kongress im Dezember 2007 stand immerhin unter der Schirmherrschaft der Kanzlerin. Und die Charta der Vielfalt - eine Initiative der Integrationsbeauftragten -, die sozusagen ein Bekenntnis zu Diversity ist, wurde von vielen großen Firmen und Organisationen unterzeichnet. Wenn damit das Thema Chancengleichheit für Minderheiten stärker ins öffentliche Bewusstsein dringt, ist daran nichts zu beanstanden. Bekanntlich ist es egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, solange sie Mäuse fängt.Zweck von allem bleibt der GewinnUnternehmen, die auf Diversity Management setzen, tun dies freilich nicht aus ethischen Motiven. Unternehmenszweck ist und bleibt Gewinnerwirtschaftung. Vielfalt muss sich also rechnen. Das bestreitet Diversity-Guru Jablonski auch nicht. Er betont aber gleichzeitig, dass Diversity Management auch aus gesellschaftlicher Verantwortung angewendet wird. Wenn dem tatsächlich so ist, der Kapitalismus also wieder etwas rheinischer wird, ist das auch okay.Noch aber ist Diversity Management eine neue Managementmethode. Und Managementmethoden sind längst Waren geworden, mit denen Unternehmensberatungen handeln und die einem Produktzyklus unterliegen. Bislang wurden regelmäßig neue Organisationsmodelle auf den Markt geworfen. Es bleibt also abzuwarten.
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