Haustiere

Linksbündig Das philosophische Quartett schwelgt in langweiligen Gefahren des Denkens

Mit der Philosophie ist es eine verzwickte Sache. Entweder nämlich gibt sie sich so verflucht kompliziert, dass einem der Verstand versagen will, oder aber sie macht sich derart allgemeinverständlich, dass ihre Weisheiten unter der Hand in Aussagen von erschreckender Banalität zerrinnen. "Wer die Scheine des Meisters in Kleingeld wechseln will, hält nichts mehr in Händen", schrieb einmal eine Autorin in Bezug auf die Texte Martin Heideggers.

Auf den Seilakt zwischen Trivialität und Tiefsinn begaben sich am letzten Wochenende Rüdiger Safranski und Peter Sloterdijk mit ihrer ersten philosophischen Talkrunde per Television, und sie hätten schwerlich tiefer fallen können. Um "Angst" sollte es gehen, immerhin ein Thema, bei dem jeder mitreden kann, leider auch ein Thema, das so groß ist, dass man sich leicht an ihm verschluckt.

Der eigentliche Philosoph der Runde, stellte sich bald heraus, war Reihnold Messner. Als "gesunder Menschenverstand mit Abitur" und "eher Künstler als Sportler" hat er in den eisigen Bergeshöhen und im Angesicht des Säbelzahntigers so etwas wie die "echte" Angst erfahren. Für das, was er über seine "Hinausgeworfenheit" erzählte ("Angst findet unterhalb des Intellekts statt"), hätte allerdings auch Biolek als Talkmaster gereicht, nur dass der Bergsteiger sich in Bios Studio wohl weniger in Substantiven ausgedrückt hätte.

Den Part der "weichen" Angst hatte Friedrich Schorlemmer zu spielen, der mit mächtigem Augenbrauenzucken, bemüht um den tiefen Gedanken, zwischendurch nach der Gewissensangst, der Angst vor Gott und der Angst der Arbeitslosen fragte, während Moderator Rüdiger Safranski brav demonstrierte, dass er die Existentialisten gelesen hatte. "Angst ist ja auch die Angst vor der Freiheit", rief er in die Runde. Sartre lässt grüßen und spätestens an dem Punkt fragte man sich, warum Safranski eigentlich eine mit kleinen Fahrrädern bedruckte Krawatte trägt.

Zu Philosophie, das ist nun einmal so, gehört eine Portion Charisma. Das hatte von der denkenden Profession hier keiner, und während der halslose Sloterdijk gepresst vom Blatt ablas, ertrank die Diskussion in zunehmend haltloser Beliebigkeit und nährte den Wunsch, Professoren, Predigern und Programmplanern kräftig was vom Gehalt abzuziehen.

Allein: Sloterdijk hatte eine Linie. "Wir haben uns selbst zu Haustieren gemacht", warf er ein, "wir leben in einer unteralarmierten Situation, die Menschen sind von Sicherheitssuchern zu Angstsuchern geworden." Messner, der Mann fürs Grobe, lag ganz in diesem Fahrwasser, zitierte gutmütig und ohne es zu wissen Arnold Gehlens Menschen als Mängelwesen und beklagte die "Pseudosicherheitsgesellschaft". "Wir sind zu abgesichert". Applaus im Publikum. Zustimmung bei Sloterdijk. "Savannengeschöpfe sind Horizontbeobachter", raunte er und meinte uns damit: "Wir sind zunächst mal Fluchttiere gewesen, bevor wir Standhaltetiere wurden." Die Menschen seien aber massenmedial agitierbar, die Medien die "Facharbeiter für Alarm".

Was sagt der Mann da eigentlich? Dass wir Savannenläufer, tief in uns und ganz archaisch, eine instinktive Angst und daher ein Alarmbedürfnis haben? Dass die Medien uns in falsche Furcht versetzen, wir aber die richtige erkennen müssen? Welche, bitte schön, wäre denn das? Und wann sollen wir die Keule wieder schwingen, um auf richtige Gefahren, auf "echte" Ängste einzuprügeln?

Peter Sloterdijk bastelt schon seit längerem an einem biologistisch-anthropologischen Diskurs. Das ZDF gibt ihm eine gute Bühne. Ein anthropologisches Denken, das erklärt, was natürlicherweise in unserem Wesen liege, stand auch in braunen Zeiten hoch im Kurs. Man liebte Arnold Gehlen und der Großscheinmeister Heidegger hatte die "Angst", das "Vorlaufen zum Tode", als eine ausgezeichnete Existenzweise gedeutet. Sein Buch ist großartig und doch trug es auch mancher Soldat im Marschgepäck, als er seinem Geschick entgegen lief.

Philosophie hat ein Vermittlungsproblem, sie ist für Talkrunden zu langweilig. Gott sei Dank, möchte man hinzufügen. Denn so banal oder tiefgründelnd ihre Weisheiten klingen mögen, sie bergen Zündstoff und sind nicht ungefährlich für solche, die nicht wissen, wo die Lunte liegt.

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