Heilige Kuh

Zugewinn Die Geschichte des Ehevertrags

Immer wieder ist zu lesen: "Vor dem Standesamt zum Notar - Im Trennungsfall lässt sich so viel Ärger vermeiden." Tatsächlich regeln Eheverträge meist Scheidungsfolgen. Wem aber nützt das?

Zunächst einmal ist der Begriff des "Ehevertrags" irreführend. Jede Ehe ist ein Vertrag. Sprachgeschichtlich leitet sich Ehe von althochdeutsch "ewa" ab, das so viel wie "ewig geltendes Recht" bedeutete. Das Bürgerliche Gesetzbuch definiert die damit verbundenen Pflichten und Rechte. Geld und die Frage, wer darüber verfügt, spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Mit der Einführung der Zivilehe im Jahr 1900 wurde die gängige Praxis festgeschrieben, dass der Mann alle finanziellen Angelegenheiten alleine entschied, auch das Vermögen seiner Frau betreffend. Erst seit 1958 können Ehefrauen in der BRD frei über ihr eigenes Vermögen verfügen. Die bis heute herrschende Gütertrennung bedeutet eine faktische Schieflage für viele Frauen, deren Einkommen niedriger ist als das ihres Partners. Es gibt kaum Erkenntnisse über den Umgang mit Geld in Beziehungen, schon gar keine über seinen Missbrauch als Machtinstrument. Tatsache aber ist, dass sich die finanziellen Rechte von Frauen im Scheidungsfall schlagartig erhöhen.

Der nacheheliche Unterhaltsanspruch, den Geschiedene in Deutschland seit 1977 genießen, bedeutete eine familienrechtliche Revolution. Erstmals wurde weibliche Familienarbeit als gesellschaftlich notwendige, der Erwerbsarbeit gleichwertige Leistung anerkannt. Finanziell abhängige Frauen wurden in die Lage versetzt, sich von ihren Männern zu trennen - und also faktisch unabhängig zu sein. Fairness sollte die Familiengerichte erhellen.

Zwar verlief die Entwicklung in der DDR anders. Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen machte beim Thema Geld nicht halt, Ehen wurden als Eigentums- und Vermögensgemeinschaften definiert. Für den Fall einer Scheidung aber bedeutete das, dass Frauen in der Regel keinen Unterhalt erhielten. Abgesichert war nur, wer für sich selber sorgte.

Von Westfrauen erstritten, von Ostfrauen verlacht, steht der Unterhaltsanspruch getrennt lebender Frauen im Ruf "purer Ausplünderung".

Noch war das Scheidungsrecht von 1977 nicht verabschiedet, drängte bereits der erste Mann zum Notar und ließ seine schwangere Braut in einem privaten Zusatzvertrag auf alles verzichten, was der Gesetzgeber ihr öffentlich zusprach. 25 Jahre später landete der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), der den Ehevertrag in einem bahnbrechenden Grundsatzurteil rückwirkend für sittenwidrig erklärte (BVerG vom 6.2.2001, 1 BvR 12/92). Seit diesem Urteil müssen private Eheverträge die gebotene Rücksicht auf das Wohl von Kindern und Müttern nehmen.

Eine "heilige Kuh" blieb der sogenannte "Zugewinn", der am Ende einer Ehe paritätisch geteilt werden soll. Viele Männer denken nicht daran, einen Besitz, der zu Ehezeiten ihr persönliches Eigentum war, plötzlich freiwillig zu teilen. Auch gut betuchte Herren kämpfen bis aufs Messer, wenn es darum geht, etwas von ihren Immobilien, Wertdepots und Aktienvermögen abzugeben.

Private Eheverträge werden geschlossen, um Interessen festzuschreiben. Bierforscher behaupten, dass ein Pharao, der um 2500 v. Chr. heiratete, seiner Frau per Ehevertrag täglich zwei Krüge Bier zusichern musste. Später hat sich der Adel in Eheverträgen geübt, um favorisierte Erbfolgen festzuklopfen. Zwar blendet das bürgerliche Ideal der Liebesheirat gerne aus, dass auch verheiratete Menschen Interessen haben, doch wo immer Eheleute auseinander laufen, sieht man, wie töricht es ist, die eigenen Interessen nicht bereits zu Ehezeiten selbstbewusst zu vertreten.

Das bestehende Eherecht ist janusköpfig: Zu Ehezeiten privilegiert es die Mehrverdiener, nachehelich zumindest theoretisch die Frauen. Private Eheverträge, die dieses Recht variieren, werden daher vor allem von Männern initiiert. Eine junge Frau klagt in einem Internet-Forum: "Mein Freund will mich nur heiraten, wenn ich einen Ehevertrag unterschreibe." Sie ist kein Einzelfall. Das bestehende Familienrecht macht vielen Betroffenen Angst. Den einen vor der Ehe, den anderen vor einer etwaigen Scheidung. Da sich die meisten Eheverträge mit der nachehelichen Situation befassen, die vom Gesetzgeber zum Vorteil finanziell schwächerer Frauen geregelt wurde, sollten sich Frauen, die an einen privaten Ehevertrag denken, auf jeden Fall juristisch beraten lassen - unabhängig von ihrem Partner.


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