Heilige Kuh vor Notschlachtung

Bankgeheimnis Der Nahkampf zwischen der Schweizer Großbank UBS und der US-Steuerbehörde IRS tritt in eine neue Phase. Jetzt sollen doch Kundendaten übermittelt werden und zwar bald

Anfang des Jahres hatte die amerikanischen Steuerbehörde IRS der UBS das Messer auf die Brust gesetzt. Sie drohte damit, sämtliche UBS-Niederlassungen in den USA zu schließen, falls die Daten von 250 des Steuerbetrugs verdächtiger Kunden nicht herausgegeben würden. An Schweizer Gerichten vorbei und mit Rückendeckung der Berner Regierung lieferte die UBS im Februar 2009 die 250 Kundendaten und zahlte obendrein eine Buße von 780.000 Millionen Dollar – ein stillschweigendes Eingeständnis, gegen amerikanisches Recht verstoßen zu haben.

Gewagtes Manöver

Aber die Hoffnung der UBS, die Sache sei damit erledigt, und die Hoffnung der Schweizer Regierung, das Bankgeheimnis „gerettet“ zu haben, erwiesen sich als naiv. Die US-Steuerbehörde verdächtigt nicht weniger als 52.000 amerikanische UBS-Kontoninhaber der Steuerhinterziehung. In den USA wurde eine Sammelklage eingereicht, die von der Berner Regierung mit einem waghalsigen Manöver pariert wurde. Zunächst stellte sie sich hinter die UBS und teilte deren Rechtsauffassung. Das heißt, die Akten sollen nicht herausgegeben werden, stattdessen sollte jeder Fall für sich und nach den in Doppelbesteuerungs- und Rechtshilfeabkommen festgelegten Verfahren behandelt werden. Begründet wird das damit, dass eine Übergabe aller Daten ohne Einzelfallprüfung gegen schweizerisches Recht verstoße. Wäre nach dieser Matrix gehandelt worden, hätten die Verfahren Jahrzehnte gedauert.

Am 4. Juli 2009 legte die Berner Regierung nach. Sie erklärte sich dazu bereit, die UBS mit einem „Staatsakt“ – also einer Aktenbeschlagnahme – daran zu hindern, dass Daten herausgegeben werden. Schweizerisches „Recht“, so die Argumentation der Regierung, verbiete es der UBS, einem amerikanischen Gerichtsentscheid auf Herausgabe von Kundendaten zu folgen. Niemand dürfe eine Schweizer Bank zwingen, schweizerisches „Recht“ zu brechen – man habe alle notwendigen Vorkehrungen getroffen, um das schweizerische „Recht“ vor anderen Staaten zu schützen.

Bis Ende September

Damit begann eine neue Verhandlungsrunde, nicht zwischen der UBS und der US-Steuerbehörde, sondern zwischen der Schweiz und dem US-Justizministerium. Nach harten Verhandlungen kam jetzt ein Deal zustande, der als „Amtshilfe“ bezeichnet wird. Die Eidgenössische Steuerverwaltung wird die Konten von 4.450 amerikanischen UBS-Kunden auf den Verdacht der Steuerhinterziehung überprüfen und positive Ergebnisse an die amerikanische Steuerbehörden ausliefern. Wie ernst die Sache den USA ist, belegt der Zeitplan. Um nicht erneut Opfer der Berner Verzögerungstaktik zu werden, müssen die ersten 500 Verfügungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung in den nächsten drei Monaten, die restlich 3.950 innerhalb eines Jahres erfolgen. Die Berner Regierung demonstrierte ihren guten Willen mit der Zusage, sofort 40 Millionen Franken bereitzustellen, um zusätzliche 40 Finanzbeamte und 30 Juristen zusätzlich einzustellen. Die UBS sicherte zu, ihre Kunden aufzufordern, eine Zustimmungserklärung abzugeben, damit die Daten an die Steuerbehörde in den USA übermittelt werden.

Um den Druck auf alle potentiellen Steuerhinterzieher zu erhöhen, wird geheim gehalten, nach welchen Kriterien die Eidgenössische Steuerverwaltung die 4.450 Konten aussucht. Damit ist jetzt schon klar, dass der jetzige Deal nicht der letzte Akt sein wird. Innenpolitisch ist das Abkommen für die Berner Regierung brisant. Man entzog den Staatsvertrag mit dem US-Justizministerium der parlamentarischen Zustimmung. Begründung: er stelle formal nichts Neues dar. Es handle sich nur um eine Regelung des Falles UBS im Rahmen des bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens. Diese Rechtskonstruktion ist formal korrekt, wird jedoch durch die näheren Umstände völlig unglaubwürdig. Die Berner Regierung musste den USA zugestehen, bis Ende September (!) ein neues Doppelbesteuerungsabkommen zu unterzeichnen. In diesem dürften die Amtshilfe neu definiert und das Bankgeheimnis eingeschränkt werden, um schneller an Daten heranzukommen. Der Schlachtung der heiligen Kuh „Bankgeheimnis“ muss das Parlament zustimmen. Und das kann eng werden. Gerade wurde bekannt, dass die Schweizer Regierung, die UBS-Aktien, die sie vor einem Jahr gekauft hat, mit einem Gewinn von 1,2 Milliarden Franken zu veräußern verstand.


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