Heimat

Linksbündig Frankfurt als Fallbeispiel einer Linken ohne Projekt

Das muss einem erst einmal gelingen, was die SPD in Frankfurt am Main in anderthalb Jahrzehnten geschafft hat! Nämlich: Von der politisch bestimmenden Kraft und Trägerin der kulturellen Hegenomie zu einer Partei zu werden, die seit der Kommunalwahl am vergangenen Sonntag in keinem einzigen Frankfurter Stadtteil länger die Mehrheit stellt. Die Verluste der SPD sind damit eindeutig höher als die Gewinne der sehr erfolgreichen Linken/WASG.

Sicher, wohl keine deutsche Großstadt hat seit der Wiedervereinigung einen so starken brain-drain nach Berlin leisten müssen wie Frankfurt. Und die stattdessen angesiedelte Europäische Zentralbank erweist sich in ihrer neoliberalen Einfallslosigkeit nicht gerade als gesegneter Impulsgeber für die SPD. Doch schwerer wiegt der von der Sozialdemokratie wie von den Grünen hingenommene Kulturverlust, der seit etwa einer halben Generation auf der Stadt lastet.

Um ihn zu ermessen, genügt ein einfacher Vergleich der architektonischen Qualität von der alten Großmarkthalle und dem auf die grüne Wiese gesetzten neuen Frischezentrum am Homburger Autobahnkreuz. Zeichnen den Bau an der Sonnemannstraße wohl geformte Architekturmassen von heute noch pulsierender Modernität aus, so erscheint die neue Halle wie ein schon böswillig in die Landschaft gespieener Betonwürfel, der noch jeden nominalsozialistischen Plattenbau an architektonischem Einfallsreichtum und gestalterischer Kraft beschämt. Und - man glaubt es kaum: Nicht einmal über einen Eisenbahnanschluss verfügt der Neubau, als sei mit dem Triumph des Neoliberalismus auch der Gedanke an ökologisches Bauen verboten.

Stattdessen lässt die Frankfurter Sozialdemokratie die CDU im Wahlkampf so gut wie unbehelligt. Dabei hatte die sich doch alle Mühe gegeben, eine politische Steilvorlage nach der anderen zu liefern. So wird - zum Beispiel - als einzig erinnernswerte städtebauliche Tat der CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth bleiben: der Abriss des denkmalgeschützten "Zürich-Hauses" (ein ganz frühes und sehr gelungenes Hochhaus in Frankfurt) und die nachhaltige Verwandlung des dazugehörigen Grundstückes in eine Baubrache. Doch halt, man darf nicht undankbar sein. Unter Roths Ägide gelang es auch einmal richtig, die synergetischen Effekte zu demonstrieren, die freigesetzt werden, wenn deutsches Finanzkapital und German Engineering an einem Strang ziehen; bei der Verwandlung des Waldstadions in die Commerzbank-Arena. Da bedankten sich Baumeister und Bauherren mit einer Oberbürgermeister-Roth-Gedächtnis-Wasserkunst, die bei jedem Regen beeindruckende Wasserfälle aufs Spielfeld zaubert und jedem barocken Potentaten zu abendländischem Ruhm verholfen hätte.

Vor diesem Hintergrund schien der wohlgemute Slogan "Projekt Heimat", mit dem die Frankfurter SPD in den Wahlkampf zog, wie ein Kontrast zum Mainstream, auch wenn sicher nicht vorausgesetzt werden durfte, damit sei der Bloch´sche Begriff gemeint, der "allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat." Doch dass mit Heimat ein Raum bezeichnet wird, der zumindest der unmittelbaren kapitalistischen Verwertung entzogen wird, der gelungene Architektur zum Beispiel auch dann erhält, wenn der Bau betriebswirtschaftlich längst abgeschrieben ist, genau dies ließ sich in der praktischen Politik der SPD in den vergangenen Jahren allenfalls mit bewaffnetem Auge entdecken. Diese Heimat scheint verschlossen. Und zwar nicht nur am Main.

Dass die Grünen (die bei der jüngsten Wahl noch einmal zugelegt haben) nun gleich eine Koalition mit der CDU eingehen wollen, macht die Sache gewiss nicht besser, zeigt aber die panische Reaktion einer in die Jahre gekommenen Generation. Die will nun mit einem hübschen Karriereende abrunden, was vor langer, langer Zeit einmal wild und gefährlich begann. Dazu gehört offenbar in Frankfurt wie auf Bundesebene oder in Sachsen-Anhalt, ein linkes Projekt auch dann nicht zu beginnen, wenn die Kräfte der Linken, über eine komfortable Mehrheit verfügen. Der glückliche Frankfurter SPD-Unterbezirksvorsitzende und absehbar unglückliche Petra-Roth-Herausforderer Frank Frey hat es am Wahlabend formuliert und dabei wohl deutlich mehr gewagt, als er wollte: "Es sieht schlecht aus, die Linken sind die Wahlsieger."

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