Ein "Zensor" (NZZ) ist der Suhrkamp-Verlag nicht, aber Fragen bleiben offen. Zur Rekapitulation: Arno Münster, ein Ernst Bloch-Schüler aus Tübinger Tagen, hatte in seiner Wahlheimat Frankreich vor zwei Jahren eine Biografie seines Lehrers veröffentlicht. Suhrkamp war an der deutschen Ausgabe interessiert. Verträge wurden unterzeichnet, das Manuskript übersetzt, Druckfahnen zur Rezension verschickt. Es fiel die Sperrfrist, und erste freundliche Rezensionen erschienen: Erst in dieser Phase sollen sich Zweifel an der Qualität bei Suhrkamp so gehäuft haben, dass man mit Rückzug drohte.
Das ist wenig wahrscheinlich - der Fall der geplatzten Bloch-Biografie weist auf Grundsätzliches. Denn bei aller Kritik, der sich die mächtigen Lektoren des
igen Lektoren des Suhrkamp Verlags mitunter aussetzen müssen, für so unbedarft sollte sie keiner halten, dass sie sich hier einer Problematik nicht längst bewusst waren. Als sie den Autor um Korrektur der "sehr, sehr vielen sachlichen Fehler" baten, vor allem aber um die Korrektur des Bloch-Bilds, und als sie dafür das Ludwigshafener Bloch-Zentrum und den Sohn Blochs einbanden, dürfte ihnen klar gewesen sein: Die angestrebte "Transformation" der Biografie kann kaum erfolgreich sein.Denn das Ludwigshafener Bloch-Zentrum ist klein und gemessen an seiner Größe bewegt es Großes, doch seine Mittel sind bescheiden und sein Personal besteht im wesentlichen aus einem Leiter und einem Archivar. Zur Korrektur der Fakten, also zum üblichen Geschäft des Lektorats, hat es schon beigetragen. Man tritt ihm mit der Vermutung aber sicherlich nicht zu nahe, dass die aus dem Geiste des studentenbewegten Marxismus heraus geschriebene Biografie umzuschreiben, seine Kapazitäten um ein Vielfaches überfordert hätte.Den Sohn Blochs in die Änderungsarbeiten einzubinden, wie geplant, hätte die Dinge weiter verkompliziert. Auch von Golo Mann hätte keiner die definitive Biografie seines Vaters erwartet, Erben stehen einer solchen Biografie zu nah. Sie sind Zeugen, ihre Erinnerungen gehören nicht zu ihren Elementen, sondern sind Quellen: Verschwörungstheoretische Spekulationen, Münsters Biografie habe zugunsten eines Erinnerungs-Buchs des Erben weichen müssen, entbehren schon deshalb der Grundlage, weil kein Konkurrenzverhältnis besteht.Nun hat sich Ernst Blochs Sohn Jan Robert außerdem ungeachtet, ja, trotz seiner Abkunft hohe Anerkennung als Interpret des Blochschen Werks erworben und verfolgt seit Jahrzehnten eine bestimmte Interpretationsidee, die an Blochs "Allianztechnik" anknüpft. Diese hat in ihren Anfängen die grüne Umweltpolitik inspiriert, und sie führt den Gedanken der natura naturans, einer sich schöpferisch weiter entwickelnden Natur fort, die - da umstritten - von vielen Exegeten ausgeklammert wird. Hier ist der Sohn nicht Erbe, sondern steht als Wissenschaftler zu anderen in Konkurrenz, und zwar ohne Wahrheitsprivileg. Um also eine Biografie zur "definitiven" zu machen, wie der Verlag in werbeträchtiger Übertreibung ankündigte, ist der Sohn Bloch der richtige Mann am falschen Platz.Doch um was es geht, ist in Wirklichkeit etwas anderes. Der Verlag, in dem Philosoph Ernst Bloch seine verlegerische Heimat fand, steht bei dem Autor, dem er einen beträchtlichen Teil seines Ruhms verdankt, schlicht und einfach in der Pflicht, und diese erstreckt sich nach dessen Tod auch auf die Erben. Dass der Verlag ihnen den gewiss schmerzlichen Tribut dieses drastischen Rückzugs zollt, stellt ihn nicht bloß, sondern ehrt ihn.Nun hat Münsters Bloch-Biografie eine "neue Heimat" (SZ) im Philo-Verlag gefunden. Die Lösung hat einen großen Vorzug: Münsters Interpretation, die Jan Robert Bloch als zu "schwärmerisch" und "messianisch" empfindet, wird jetzt nicht mehr am Kriterium seiner Letztgültigkeit zerrieben. Darüber hinaus: Dass eine thetisch zugespitzte Biografie nicht von Nachteil sein muss, zeigte jüngst die Biografie von Bernard Henri Levy, die den "toten Hund" Sartre ins Leben zurückgeholt hat, wie es jahrzehntelang keine andere Schrift vermochte.Und Blochs Leben bietet sich für eine standpunktbezogene Interpretation an wie kaum eines. Er, dessen Philosophie so klar den Fahrplan verfolgt, war als Nationalphilosoph väterlich zu Stalin, als Dissident väterlich zu Dutschke, schlüpfte als ständig Heimatloser in widersprüchliche Rollen, die eine plurale Betrachtung geradezu fordern: Münsters Bloch-Biografie ist hoffentlich der Auftakt eines Reigens. Und Blochs Hausverlag: Warum sollte dort nicht eine Lücke bleiben, als Chiffre für eine Art Biografie, die ihrem Wesen nach "überall noch aussteht".