Unter unserm Himmel", da ist Bayern, weshalb der Bayerische Rundfunk gern und ausführlich darüber berichtet, wie es denn darunter aussieht. Meist weiß-blau und putzig, wenn nicht gar allerliebst, was die Zuschauer überregionaler Sender an der Dirndl-betuchten Carolin Reiber (mit rollendem R) im Musikantenstadl oder etwa an dem schmerbauchigen X-Sterne-Koch Alfons (mit scharfem f) Schuhbeck in dessen Schmankerl-Küche goutieren dürfen. Die "Dahoamg´bliebnen" werden indes nimmermüde bei solch anheimelnden Serien wie Biergeschichten: Bayerns fünftes Element, Kalendernotizen, Landlermusik mit Gitarrespielern und Zwischen Spessart und Karwendel. So schön ist also Bayern. Dass es auch noch aufregend, wild und gefährlich ist, versucht die Reda
die Redaktion Bayern, Serie, Volksstücke (sic!) seit letzten Samstag Nachmittag im redaktionellen Sommerloch mit einer achtteiligen Dokumentation zu zeigen. Aus Anlass des von der UN ausgerufenen "Internationalen Jahrs der Berge" reihte man Filme unterschiedlicher Bergliebhaber aus den Jahren 1998 bis 2001 aneinander und demonstriert damit zum einen den breit gefächerten Anspruch an Autorenkompetenz und zum anderen den mindestens so breit gestreuten Anspruch, die unermessliche Vielfalt der Alpenländischen Bergwelt darzustellen, die dank bajuwarischer Großzügigkeit Bayerns Grenzen weit überschreiten, zum Beispiel nach Österreich hinein. Oder gar nach Italien, wenn man es genau nehmen würde. Im BR spricht man allerdings lieber vom "Südtiroler", vom "Ladiner" oder den "Kärntnern", wenn es Durch die wilden Alpen geht (1.Folge). Oder gleich vom "Ötztal" (5.Folge), dem "Aletschgletscher" (6.Folge) und den "letzten Bären in den Alpen" (8.Folge). Das klingt erstens heimatverbunden und zweitens nach dem großen Überblick. Wer wird sich schon bei den popeligen Nationalstaatsgrenzen aufhalten, wenn es doch um "Naturschauspiele" und "-gewalten" oder "-katastrophen" geht? Tatsächlich sind die Bilder von den grünen Almen mit auf- oder untergehender Sonne, vom "Alpenglüh´n" über dem Bergmassiv, "der Welt aus Stein", hoch oben, wo kein Tourist hinkommt und kaum etwas wächst, oder den Eiskristallen aus den Höhlen unter dem blendenden Gletscher atemberaubend schön, wirken die Wolkenformationen beim urplötzlichen Wetterumschwung von Hitze zu Schneesturm wie eine trickreiche Filmkulisse, überwältigend. Hier haben sich die Kamerateams in allen acht Filmen sehr bemüht, auch wenn man allzu gern wüsste, wie sie die einsamen "Abenteurer", die Bergkristall-Sucher zum Beispiel oder den Eishöhlenforscher, begleiten konnten, wo doch deren Expeditionen so "gefährlich" sind? Keine Frage, die Bayern, schon immer ein subversives Volk, steuern auch in diesen Fernsehbeiträgen klar gegen den Trend. Gemächlich bis meditativ wird der Zuschauer durch die Alpenwelten geführt. Genau schaut die Kamera in hinterste Winkel: statische Bilder, viele biologische Erklärungen, perfekter Schulfunk. Wir lernen: Flora und Fauna machen die Alpen aus, und Menschen kommen auch vor. Dann jedoch als heile Familie oder als knorrige Kauze wie die "Oberhofer Brüder" oder die Sennerfamilie, die andächtig ihre Milchsuppe aus dem einen Topf in der Mitten löffelt und, wenn sie denn doch mal auf die tröpfelnden Fragen des "Sepp" antwortet, netterweise von dem gleich ins Hochdeutsche übersetzt wird. Der nämlich ist dort aufgewachsen und deshalb sind die 2. und die 8. Folge des Südtirolers Josef Schwellensattl auch ein glattes Heimspiel. Andere Folgen, andere Vorlieben. Was zuviel Sicht auf atemberaubende Schönheit anrichtet, demonstriert der so genannte "Bergfilmer" Gerhard Baur in den Folgen 3 und 6. Unerschrocken versteigt er sich zu trivialer Berg-Lyrik, die Kitsch-as-Kitsch-can nahe ans Jodeldiplom reicht. Ein junges Pärchen -"Luzie und Fridolin" - muss dafür zum Beispiel "auf dem Gipfel des Hochvogels übernachten" wollen, wo es sich, zünftig mit Rucksack und Bergstiefeln angekommen, erst einmal im Gegenlicht umarmt, ehe der Kommentator aus dem Off heraussalbadert: "Wildnis kann auch eine Herausforderung sein - den Tönen des Windes zu lauschen, den eigenen Standpunkt überdenken und in die Ferne der Zeit zu schweifen"! Es gibt Schlimmeres. Bienengesummse aus der Geräuschekammer, Kuhglockenläuten vom grasendem Vieh, "Alpsommer"-Stimmung. Wenn nur nicht der Text wäre: "Die Kühe bemerken vom baldigen Aufbruch nichts." Wer mit der Natur so auf du und du steht, der teilt die Welt auch noch nach Geschlecht zu. Mama wird in der Küche nach der Küche gefragt und der Anzahl ihrer Kinder, Papa nach der Anzahl der produzierten Käselaiber. Es gibt - viel - Besseres. Der ( einzige weibliche) Blick Sybille Kraffts auf das "Ötztal" beleuchtet kritisch die Tourismus-Entwicklung. Und unter dem ebenso nichtssagenden Titel Von Bäumen im Hochgebirge (7.Folge) verbirgt sich endlich das, was mindestens einen Grimme-Preis verdient. Das Thema im Blick, nämlich die Beschränkung auf die Baumwelt der Alpen, entwickelt Dieter Wieland eine einzigartig intelligente, informative und unterhaltsame Form der kritischen Auseinandersetzung. Indem er sich mit seiner lakonischen Stimme Fragen stellt, werden seine Erklärungsversuche zumindest plausibel. Schnörkellos zeigt er Zusammenhänge zwischen Eigentumsverhältnissen und Geschichte auf, schonungslos analysiert er Ursache und Wirkung der Waldschäden, er thematisiert den Einbruch des Menschen in die Natur und in der Konsequenz deren Zusammenbruch. Er beschönigt nichts und überrascht mit ungewohnten, weil gebildeten, stimmigen Sprachbildern. Und wenn es Sinn macht, wird er etymologisch, und das enthüllt Politik. Ausgerechnet bei den Eiben, Spirken und Zirben.Die Sendungen laufen jeweils samstags um 15.15 im Bayerischen Fernsehen (BFS), Folge 2 kommt am 4.8.
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