Heimtückischer Provokativ

Fußball-EM Nachschuss I

Auch wenn es diese Woche wieder saukalt geworden ist, gehen die Vorbereitungen zur Euro 2008 in die letzte, heiße Phase. Was die organisatorische Seite betrifft, zeigt sich die Bundeshauptstadt gut vorbereitet. In der Ausrichtung von Festen und Events verfügt man hier nicht nur über Kompetenz, man hat auch eine glückliche Hand. Denken wir nur an den "Life Ball" letzten Samstag am Wiener Rathausplatz. Geschickt versteht man es, Prominenz und Publikum, Ästhetik und Kommerz für sich zu nutzen. So ähnlich, nur eine Dimension größer, soll auch die Fußballeuropameisterschaft 2008 funktionieren.

Pünktlichst wurde eine neue Teilstrecke der U2 in Betrieb genommen. In kaum 15 Minuten kann man nun bequem das Ernst-Happel-Stadion vom Zentrum aus erreichen. Teile der Innenstadt selbst werden zur Fanmeile umgestaltet, und es ist anzunehmen, dass diese sich in angrenzende Bezirke ausweitet. Kanzler Gusenbauer spricht ganz begeistert von einer "erweiterten Partyzone". Den Fans wird man in diesen Wochen nicht entgehen können. Für die Konsumenten selbst wird der Spaß teuer; so soll das Krügerl (=Halbe) Bier einer dänischen Marke über vier Euro kosten. Ein wunder Punkt könnte auch die medizinische Versorgung werden, und zwar, weil die Ärzte mit der geplanten Gesundheitsreform absolut unzufrieden sind. Gedroht wird mit Streiks und Leistungseinschränkungen während der EM.

Was die mentale Seite betrifft, läuft der obligate Wahnsinn, also die Normalität, zu großer Form auf. Insbesondere der Patriotismus versucht sich in allseitigen Inszenierungen. Das wirkt zwar des Öfteren stümperhaft, ja lächerlich, doch das kann seine Betreiber nicht abhalten. So entzündete sich eine Debatte darüber, ob man seine Lenkwaffe, also das Auto, mit einem Staatswimpel versehen dürfe. Das heimische Kraftfahrgesetz ist da nämlich unbarmherzig antipatriotisch und lässt Fähnchen am Wagen, Staatskarossen ausgenommen, nicht zu. Das empörte das größte Blatt des Landes, die Kronen Zeitung, so sehr, dass sie wahrlich eine Kampagne gegen diese heimatfeindliche Schikane entfachte. Prompt wurde das Gesetz vom Verkehrsminister vorübergehend per Erlass außer Kraft gesetzt. Die Krone atmete auf: "EM-Patrioten dürfen Auto schmücken - Faymann hebt Fahnen-Verbot auf." Vaterland gerettet, und auch dem Geschäft tut´s gut, verfügt doch das Boulevardblatt über die Erlaubnis des Innenministeriums, eigene Autofahnen samt Staatswappen und Aufschrift der Kronen Zeitung herzustellen. Da bleibt jetzt nichts mehr auf Halde.

Dem Spiel mit den Deutschen fiebert man hier schon auf eigene Weise entgegen: "Deutsche! Wir sind auch im Bett besser", schlagzeilte die Gratisgazette Heute. Dieser heimtückische Provokativ, eine Mischung aus Minderwertigkeitsgefühl und Allmachtspotenz liest sich des Weiteren so: "Deutsche, wir mögen auf dem Rasen nicht unbedingt die Angstgegner sein, doch in Sachen Sex sind wir auf dem besten Weg zum Meister!" Im Ranking liegen die Österreicher auf dem dritten Platz, die Deutschen nur auf dem neunten. Da der regierende Weltmeister Italien diese Statistik anführt und der regierende Europameister Griechenland auf dem zweiten Platz folgt, ist an der Stichhaltigkeit dieser Argumentation sowieso nicht zu zweifeln.

Zuviel Bumsen ist allerdings auch nicht gut. So hat Teamchef Josef Hickersberger seinen Spielern verboten, ihre Frauen oder Freundinnen mit aufs Zimmer zu nehmen. Besuchen ja, vögeln nicht! Derlei Vergnügungen würden den siegesunsicheren Österreichern wohl zu viel an Spannung nehmen. So oder so, können die Ösis bei der EM 2008 aber nicht enttäuschen. Vielleicht sind sie gerade deswegen für einige Überraschungen gut.

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