Herbei, herbei ...

Kehrseite Der Mann kommt zweimal am Tag. Er leert die Näpfe, wischt den Boden, krault Schecki und Mohrchen. - "Wissen Sie, wie das ange-fangen hat? Meine Frau ...

Der Mann kommt zweimal am Tag. Er leert die Näpfe, wischt den Boden, krault Schecki und Mohrchen. - "Wissen Sie, wie das ange-fangen hat? Meine Frau und ich waren auf dem Markt, da hatte einer ganz junge Kätzchen, und meine Frau wollte unbedingt das eine, unsere Lise, ist jetzt auch zehn Jahre her. Die bleibt ja nun drin in der Wohnung, aber die hier, die können gar nicht anders als draußen leben! Die werden verrückt, wenn man die einsperrt." Der Mann ruft Schecki, na, mein Kleiner, und Schecki kommt, der große Kater. Der Mann krault ihn liebevoll. Na, Mohrchen und du? Mohrchen bleibt hinter dem Gitter sitzen. "Die hört nicht mehr, die ist schon alt." Ja, und dann sind der Mann und seine Frau Katzenfutter kaufen gegangen, was ja heute so praktisch ist mit den Büchsen, und nach Hause an dem Zaun vorbei, wo damals Mülltonnen standen. Und obendrauf saßen Katzen und wühlten da drin rum, da hat der Mann beschlossen, denen stell ich was hin. Da sind die drüber hergefallen, die mageren Dinger. Mohrchen war da schon dabei. So fing es an.
Am Sonntag hat sich der Mann gefragt, was die Katzen jetzt wohl machen und am Montag hat er ihnen wieder Futter gebracht, und als es am Dienstag regnete, hat er ihnen ein Häuschen gebaut. Das steht vor meinem Küchenfenster an einem Zaun. Der Mann kommt jeden Tag. Morgens und nachmittags. An der einen Wand hängt ein Foto von Hansi, die ist tot. Und innen an der Wand hängen noch weitere Fotos, darauf können die Katzen sehen, wie es anderen Katzen geht. Doch ich habe bisher weder Schecki noch Mohrchen in der Kiste sitzen sehen. Nur eine Krähe lief heute schwanzwackelnd hinein und fraß Katzenfutter. Aber ich wohne auch erst sechs Wochen hier.
Wenn du mal nicht mehr bist, was soll dann werden?, hat seine Frau zu ihm gesagt. Dann werden alle freilebenden Katzen und Kater zwischen Park- und Elisabethstraße ihrem Herrn auf den Friedhof folgen und ein Katzengejaul anstimmen. Sie werden sich erinnern an seine liebevolle Hand mit dem leuchtend goldenen Ring, an seinen eisgrauen Bart und die schwarze Tasche, in der das Futter kam. Mohrchen wird sich schütteln in Gedanken an die Wohnung, wo sie drei Tage eingesperrt war, ehe er sie freiließ, nachdem ihr Bauch verheilt war. Und Schecki wird im Traum der Tierarzt einfallen, vor dem er floh und zu dem ihn der Mann irgendwann viel später brachte, als er hinkte. Und Schecki wird vor der Sparkasse sitzen und warten und niemand kommt.
Aber wenn man mal angefangen hat - so ist das dann. Ich werde die Büchsen in die Tasche packen und runter gehen zu Schiefi und Buckel und die Näpfe leeren und den Boden wischen, Buckel wird um meine Beine streichen und Schiefi ihre Krallen an der Wurzel wetzen. Urlaub ist nicht mehr, bei Wind und Wetter raus, da hilft kein Schirm, sonst kriegt man ja die Büchsen nicht auf, und wenn es friert, dann aber schnell, sonst ist das Futter nur noch ein Klumpen. - Wie rief immer die Frau Ahavzi im Kleinen Muck? Herbei, herbei, gekocht ist der Brei!

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