Herbstkür

Natur des Jahres Ob Bäume, Vögel, Pilze oder Flechten - symbolisch sollen sie sein

Wir sind auf den Elch gekommen. Die Schutzgemeinschaft Deutsches Wild hat ihn zum Tier des Jahres 2007 erkoren. Zwar gehören auch der Vogel, der Fisch, die Nutztierrasse, die Spinne und das Insekt des Jahres zur Gattung der Tiere, ihre Auswahl untersteht jedoch anderen Verbänden, und deshalb bekommt jede Art eine eigene Schärpe angelegt und ein eigenes Krönchen aufgesetzt.

Seit 1971 der Wanderfalke als erster bundesweit ausgerufener Vogel des Jahres an den Start ging, sind im Laufe der Jahre zwei Dutzend Tiere und Pflanzen aufgelaufen. Die bunte bedrohte Vielfalt der Natur spiegelt sich in der Inflation der Jahresarten wieder, die um mediale Aufmerksamkeit buhlen. Die erste Welle der Berichterstattung, die Bekanntmachungen, läuft gerade. Dann regnet, rieselt oder tröpfelt das Presseecho über das Jahr hinweg, für die eine Art mehr, für die andere weniger.

Insofern ist die Blume des Jahres 2007 gut gewählt, trägt doch der wissenschaftliche Name der Bach-Nelkenwurz, Geum rivále, Konkurrenz schon in sich. Rivale bedeutet in diesem Fall eigentlich in der Nachbarschaft am Bach. Die botanischen Rivalen im Fluss der öffentlichen Aufmerksamkeit sind unter anderem die Staude, die Orchidee, die Wasser- und die Arzneipflanze des Jahres. Alles Blumen im weiteren Sinne - warum nicht Kräfte bündeln, gemeinsame Sache machen und auch noch das passende Insekt des Jahres dazu suchen? "Wir haben das versucht", meint Johannes Martens, Geschäftsführer der Stiftung Naturschutz Hamburg, die gemeinsam mit der Loki-Schmidt-Stiftung die Blume des Jahres benennt. "Aber es hat sich herausgestellt, dass man sich noch nicht einmal auf einen Biotoptyp für das Jahr einigen kann". Symbolisch sollen sie sein, die Arten des Jahres. Sie stehen für etwas, sind selbst bedroht oder Botschafter für einen gefährdeten Lebensraum. Sie sollen Menschen die Natur nahe bringen und deshalb will so ein Objekt sorgfältig ausgewählt sein.

Was Johannes Martens als "unkompliziert" und mit dem Satz: "Wir überlegen uns das ein bisschen" beschreibt, wird andernorts strategisch geplant. Beim Naturschutzbund (NABU) ist die Suche nach dem Superstar ein bürokratischer Prozess: Es werden Plädoyers gehalten und am Ende wählt eine Jury einen Kandidaten zum Vogel des Jahres. Das muss nicht der seltenste sein, sondern einer, für den man etwas tun kann.

NABU-Guppen richten ihre Aktionen am Vogel des Jahres aus und erzielen damit im besten Fall langfristige Effekte. "Im Jahr des Neuentöters bekam die Heckenpflanzerei einen richtigen Schub, das hat dem Neuentöter nicht nur in diesem Jahr etwas gebracht", beschreibt NABU-Vogelschutzexperte Markus Nipkow einen solchen Effekt. Manchmal ergebe sich aus solchen Projekten eine "Initialzündung" bei anderen, beispielsweise beim Rotkehlchen, seien die Erfolge wenig messbar. Einen wirklichen Flop hat der NABU mit der Vogel-des-Jahres-Aktion bisher nicht erlebt, allenfalls der Teichrohrsänger habe ein wenig enttäuscht, denn zum einen lebt er verborgen im Schilf, zum anderen war im Wendejahr 1989 wenig Raum für Naturschutzthemen. Schade, dass man den Wendehals bereits 1988 gekürt hatte.

Während die meisten Jahresarten bundesweit Bedeutung haben sollen, setzen die Obstbauern auf regionale Spezialitäten: Hessen und der Verband der Gartenbauvereine Saarland-Pfalz benennen eigene Obstsorten. Erfunden wurde die Streuobstsorte des Jahres aber in Baden-Württemberg, dort gibt es sie seit 1998 - inklusive Produktmarketing. Dort stehen nicht nur rechtzeitig die entsprechenden Bäumchen in den Baumschulen, es wird auch weiter veredelt: Im Jahr der Palmischbirne (2005) kooperierten Obstbauern und Obstbrenner, heraus kam ein Obstbrand mit dem Etikett Streuobstsorte des Jahres.

"Möglicherweise haben wir dazu beigetragen, dass alte Obstsorten wieder in den Vordergrund rücken" glaubt Rolf Heinzelmann, Geschäftsführer des Landesverbandes für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg und empfindet die vielen anderen Jahres-Aktionen keinesfalls als Konkurrenz: "Das kann mit der Zeit schon verschleißen, aber das Gesamtthema kriegt man nie in den Kopf rein, man erfährt immer ein neues Detail."


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