Hi, Mom!

Jungfernreise Die neue US-Staatssekretärin Karen Hughes in Arabien

Ägypten, Saudi-Arabien, die Türkei. Drei den USA derzeit nicht sonderlich wohlgesonnene Länder in fünf Tagen. Eigentlich zu kurz, um weiteren Schaden anzurichten, doch Karen Hughes hat es geschafft. Die Jungfernreise der neuen US-Staatssekretärin für öffentliche Diplomatie ist vor Ort und auch zuhause als Desaster notiert worden, als Anhäufung von Peinlichkeiten. Der mitreisenden Presse dämmerte das Fiasko schon beim Start, als die diplomatisch total unerfahrene Bush-Vertraute die Route ihrer so genannten "listening tour" - ihrer "Zuhör-Reise" - ankündigte. Zitat: "Nach Ägypten geht es, weil hier die meisten Menschen in den arabischen Ländern wohnen ... Saudi-Arabien ist unsere zweite Station, dieses Land ist offensichtlich bedeutend für den Islam, denn hier finden sich die beiden heiligsten Stätten. Auch in der Türkei gibt es viele Menschen mit verschiedenen Religionen. Aber alle sind stolz, sich Türken zu nennen ..."

Zwei schlicht, zwei kraus, eins fallen lassen. Das war das Muster dieser Reise. Obwohl die diversen Gastgeber mit ihrer neuen Funktion als Amerikas Top-Image-Pflegerin vertraut waren und sie auch als Bushs ehemalige Wahlkampfleiterin kannten, stellte Karen Hughes sich bei ihrem Antrittsbesuch aus unerfindlichem Grunde als "working mom" vor, als berufstätige Mutter - oder schlicht und einfach als "mom".

George Bush wisse, was er tue, verkündete "mom". Dieser Präsident hätte tun müssen, was er getan habe, er habe die Welt durch sein Handeln besser und sicherer gemacht. George Bush sei ein Mann Gottes ... Niemand möge Krieg, aber manchmal sei ein Krieg für den Frieden nötig. - In heimischen Gefilden hätte Hughes für die vertrauten Soundbites Applaus bekommen, doch ihr muslimisches Publikum reagierte auf die Plattitüden mit offener Gereiztheit. Vorsortierte Auditorien mit superreichen Saudis, berufstätige Mütter in Istanbul und ehemalige US-Austauschstudenten in Ägypten ließen Bushs Spin-Meisterin zwar ausreden, aber dann nahmen sie die bisweilen sichtlich irritierte Mom unter heftigen Beschuss: Der Krieg im Irak mache all ihre positiven Bemühungen zunichte, bekam Hughes beispielsweise in Istanbul zu hören. Kinder und Frauen seien die direkten Leidtragenden des Krieges. Saudische Studentinnen beschwerten sich zu Hughes Überraschung über ihre verzerrte Darstellung in den US-Medien. Sie seien keineswegs unglückliche Geschöpfe, denen der Führerschein alles bedeute. Wer wolle schon Autofahren, wenn er ohnehin einen Fahrer habe ...

In den arabischen Medien rangierte der Hughes-Besuch unter ferner liefen. Niemand hatte sich viel versprochen, und so hielt sich die Enttäuschung in Grenzen. Um so heftiger war die Reaktion an der US-Heimatfront: Aus den täglichen Berichten der mitgereisten Presse hatte man schon entnehmen können, dass die zur Imagepflege bestellte Bush-Vertraute den amerikanischen Karren eher noch tiefer in den Dreck steuerte.

"Eine Ignorantin wie Karen Hughes in Muslim-Länder zu schicken", kommentiert das Magazin Slate, "ist so als würde ein Muslimführer seine Botschafterin für die USA im schwarzen Schador schicken. Jemanden, der noch nie in den USA war, keine Kenntnisse unserer Geschichte besitzt, keine Ahnung von Movies und Pop-Kultur hat und gerade mal Good Morning rausbringt."

Anthony Cordesman, außenpolitischer Experte des Washingtoner Center for Strategic and International Studies, bezeichnet die neue Public-Diplomacy-Kampagne als "Dialog des Absurden", und der Politologe Robert Pape, Autor eines vielzitierten Buches über die Motive von Selbstmordattentätern, sieht Karen Hughes Reise sogar als ein hochgefährliches Unterfangen: "Wer Osama bin Laden helfen will, schickt Karen Hughes. Lest Osamas Reden. Alles, was Hughes gesagt hat, rechtfertigt bin Laden".


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