FREITAG: Mit ihrem Doppelbeschluß - Streikdrohung und Schlichtungsbereitschaft, wie er zu Wochenbeginn mit Blick auf den 17. Februar galt - haben Sie offensichtlich dem öffentlichen Druck nachgegeben. Ihre Kollegen in den ertragsstarken Betrieben werden das kaum verstehen. Für sie waren schon die 6,5 Prozent aufgrund der enormen Unternehmensgewinne in den vergangenen Jahren das untere Ende der Fahnenstange. Riskieren Sie nicht eine Demobilisierung der aktivsten Belegschaften?
JÜRGEN PETERS: Wir geben weder dem öffentlichen Druck nach, noch riskieren wir die Streikbereitschaft unserer Mitglieder. Fakt ist vielmehr: Die Arbeitgeber verweigern auch nach zweimonatigen Verhandlungen einen vernünftigen Tarifabschluß. Sie haben die Verhandlungen in Baden-Württemberg und in allen anderen Tarifgebieten abgebrochen. Dann haben wir gesagt, wir beginnen am 22. Februar mit der Urabstimmung. Erst vor diesem Hintergrund und angesichts der Streikvorbereitungen sind die Arbeitgeber jetzt wieder gesprächsbereit. Diese letzte Chance zur Schlichtung wollten wir nutzen. Bewegen sich die Arbeitgeber auch in der Schlichtung nicht, beginnt Montag die Urabstimmung und eine Woche später der Arbeitskampf.
Der Vorschlag ertragsabhängiger Zahlungen war ja durchaus ein geschickter Schachzug der Unternehmer. Daß Sie das als Einstieg in den Ausstieg aus dem Flächentarifvertrag nicht akzeptieren können, ist klar. Aber warum drehen Sie den Spieß nicht um und verlangen einerseits einen einheitlichen Abschluß, aber andererseits zusätzliche Leistungen der Unternehmen, die sich das ohne weiteres leisten können?
Machen wir ja. Wir haben nichts gegen zusätzliche Zahlungen, aber eben zusätzlich, on top. Hier dreht es sich aber darum, daß die Arbeitgeber einen Systemwechsel wollen. Sie wollen den Tarifvertrag nicht mehr als Mindestbedingung ansehen, sondern als Höchstbedingung. Mindestbedingung bedeutet nämlich, daß man immer on top weitere Zahlungen leisten kann. Höchstbedingung bedeutet, daß man von gefundenen Lohnziffern dann nach unten abweicht und damit eine Negativspirale in Gang setzt. Das ist mit der IG Metall nicht zu machen, und das weiß Gesamtmetall auch. Dieser Systemwechsel wird nicht laufen. Und es wird schon gar nicht laufen, daß wir die Tarifpolitik auf die Betriebsebene verlagern. Da gibt es nicht nur juristische Bedenken massivster Art. Es gibt auch aus gewerkschaftspolitischer Sicht überhaupt keinen Raum dafür. Wir werden nicht die Verantwortung in die Betriebe verlagern, auch nicht auf Gremien, die mit den Gewerkschaften nichts zu tun haben.
Aktuell geht's nur um Lohnfragen. Spielen Arbeitszeitverkürzungen für die IG Metall keine Rolle mehr?
Das muß sich ja nicht gegenseitig ausschließen. Die Frage ist immer: Welche Kraft haben wir zu welcher Zeit und was nehmen wir uns auf die Hörner. Die Arbeitszeitfrage wird in dem Bündnis für Arbeit aus unserer Sicht eine maßgebliche Rolle spielen. Wir wollen in dem Bündnis für Arbeit das Thema der gerechteren Verteilung der Arbeit auf möglichst viele Schultern behandeln. Das ist die eine Baustelle. In der Frage der Tariflohnerhöhung stehen wir natürlich immer vor der Frage: Machen wir das ausschließlich für's Portemonnaie, oder nutzen wir die Erhöhung auch für andere Dinge. Im Augenblick ist der eingeschlagene Weg der richtige. Unsere Leute brauchen auch mal wieder mehr im Portemonnaie. Einige Unternehmen haben doch gar keinen Hehl gemacht aus den goldumrandeten Bilanzen. Nach Reallohnverlusten wollen die Leute auch mal wieder teilhaben an dem, was sich da so positiv entwickelt hat. Das ist doch ganz verständlich.
Dann haben Sie sich aber mit dem Eingehen auf das Schlichterverfahren auf gefährliches Terrain begeben. Wenn Herr Vogel einen Vorschlag präsentiert, der auf breite öffentliche Resonanz stößt, werden Sie sich dem nicht entziehen können. Ihre Mitglieder sehen das aber möglicherweise ganz anders.
Das kann ja alles sein. Doch wir machen die Tarifpolitik nicht für die Öffentlichkeit, sondern für unsere Mitglieder. Und die werden in der letzten Konsequenz darüber zu befinden haben, ob ein Tarifabschluß akzeptabel ist oder nicht. Das wird auch so bleiben. Wir können schließlich nicht akzeptieren, daß Einzelmeinungen von Journalisten die Tarifpolitik der IG Metall bestimmen.
Wäre die baden-württembergische IG Metall nach 15 Jahren Abstinenz für einen Arbeitskampf gerüstet?
Der Südwesten und die gesamte IG Metall sind für den Arbeitskampf gerüstet. Baden-Württemberg ist beauftragt, die Urabstimmung in den drei Tarifgebieten zu machen und damit auch den Arbeitskampf zu führen, also aus dem Arbeitskampf heraus eine Tariflösung zu suchen.
Mit welchen taktischen Finessen können wir rechnen, wenn es soweit kommt? Gegen eine clevere Gewerkschaftstrategie jedenfalls dürfte die Unternehmerseite doch kaum eine Chance haben.
Mit Sicherheit werden wir darüber reden müssen, welche Bereiche dann in welcher Form zu welcher Zeit in den Arbeitskampf geführt werden. Aber das ist keine Frage der Cleverness. Hier dreht es sich darum, daß eine Verteilungsfrage ansteht. Und Verteilungsfragen sind Machtfragen. Wenn die Arbeitgeber diese Machtfragen auf die Tagesordnung setzen, dann bleibt uns nichts anderes übrig als zu reagieren. Wir werden genau überlegen, welche Bereiche dann in den Streik geführt und welche zunächst zurückgehalten werden. Daß die Streikbereitschaft bei den Kolleginnen und Kollegen groß ist, das brauche ich niemandem erzählen.
Trotzdem scheint das Unternehmerlager eine Auseinandersetzung nicht zu fürchten.
Ich habe die Hoffnung, daß sich die Vernünftigeren im Arbeitgeberlager durchsetzen und nicht die Hardliner, die möglicherweise ganz andere Ziele verfolgen als die Lösung eines Tarifkonflikts. Wenn die sich durchsetzen, dann wird das eine sehr viel größere und bittere Aktion. Dann wäre endgültig klar, daß es den Arbeitgebern nicht um einen akzeptablen Tarifabschluß geht. Einige wollen vielmehr diese Tarifrunde nutzen, um das von ihnen ungeliebte Bündnis für Arbeit zu kippen.
Von politischer Rücksichtnahme können Sie sich auch nicht freimachen.
Es dreht sich nicht darum, daß wir Rücksicht nehmen. Wenn die andere Seite das Bündnis für Arbeit platzen lassen will, dann werden wir uns doch deshalb nicht beugen oder zu Kreuze kriechen, nur weil die sagen oder drohen, wir machen Euch jetzt das Bündnis für Arbeit kaputt. Ein Henkel und ein Stihl waren immer dagegen. Und wenn sie Aussteigen könnten aus einer solchen Sache, wäre es ihnen allemal lieb. Der Kanzler hat ja in der Tat das Bündnis für Arbeit zu einer seiner Kernaufgaben gemacht und hat mit der Reduzierung der Zahl der Arbeitslosen den Erfolg dieser Regierung definiert. Und wenn es jetzt der anderen Seite gelingt, das Kernstück zu zerschlagen, dann hoffen wohl einige, daß damit auch die Politik in Bonn am Ende ist. Und wer solche Kalküle anstellt, ja Gott, sollen wir jetzt etwa das Streikrecht opfern? Sollen wir die Interessen der Arbeitnehmer deshalb verraten?
Das Gespräch führte Hans Thie
Zum Thema siehe auch:
Angelika Fröhlich
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