Hitlers Bonsai

Kino Uwe Boll, der „schlechtester Regisseur der Gegenwart“, ist mit seinem Film über Max Schmeling nur auf eine schlichte Heldengeschichte aus

Die Rolle des Radioreporters hat Regisseur Uwe Boll in seinem Film Max Schmeling mit dem RTL-Moderator Andreas von Thien besetzt. Die Szenen, in denen Thien am Ring zu sehen ist, spielen 1930, 1932, 1936, 1938 und 1948. Wenn es um historische Richtigkeit ginge, könnte man Bolls Film vorhalten, dass bei Schmelings WM-Erfolg über Jack Sharkey 1930 aus technischen Gründen und 1948 bei Schmelings Karriereende gegen Riedel Vogt aus Gründen, die man mit „Wir haben andere Sorgen“ umschreiben könnte, keine Radioübertragung erfolgte. Politisch interessanter ist aber, dass 1932, bei Schmelings WM-Niederlage gegen Sharkey, als Radiosprecher Harry Sperber kommentierte, ein deutscher Journalist, der in die USA gegangen war, und nach 1933, weil er Jude war, nicht zurück nach Deutschland konnte. 1936 und 1938, bei den zwei Kämpfen gegen Joe Louis, saß Arno Hellmis am Mikrofon, der als Reporter des Völkischen Beobachter zu den Kämpfen gereist war.

Diese Gleichgültigkeit gegenüber der Geschichte durchzieht den Film. Um das Leben des Boxers zu erzählen, hat sich Boll eine Rahmenhandlung einfallen lassen, die pathetisch und einfallslos zugleich ist. Nachdem Schmeling 1941, als er mit seiner Fallschirmjägertruppe Kreta überfiel, verwundet wurde, erfindet Boll seinem Helden einen englischen Soldaten, mit dem der sich anfreundet, um ihm seine Geschichte erzählen zu können.

Aus des Boxers Sicht also, und damit man nur an Sport und nicht an Nazis oder Weltkrieg denken muss, wurde die Hauptrolle mit dem früheren Boxweltmeister Henry Maske besetzt. Für das, was beginnend 1930 mit ihm inszeniert wird, wäre das Wort „Geschichtsklitterung“ noch eine milde Umschreibung. 1933 etwa, als Schmeling und die Filmschauspielerin Anny Ondra heiraten, lässt der Regisseur ihnen als Geschenk Adolf Hitlers einen Bonsai überreichen – eine Vorlage, damit gewitzelt werden kann, der „Führer“ liebe „Miniaturen“. Dass Hitler in Wirklichkeit einen japanischen Ahorn schenkte, der auch gärtnerisch keine Miniausgabe nazideutscher Weltherrschaftspläne symbolisierte, unterschlägt Boll – zugunsten des matten Gags und zugunsten seiner Hauptfigur. Dass 1936 Anny Ondra den großen Sieg ihres Mannes über Joe Louis am privaten Radiogerät der Familie Goebbels erlebte, wird bei Boll so dargestellt, als sei die Schauspielerin vom Propagandaminister herbefohlen worden. In Wirklichkeit war sie eine enge Freundin der Familie.

Die Beispiele zeigen, dass Uwe Boll, der sich selbst mit dem Titel „schlechtester Regisseur der Gegenwart“ schmückt, auf eine schlichte Heldengeschichte aus ist, bei der ihm die Nazis als bad guys gerade recht kommen. Das Desinteresse an der tatsächlich vielschichtigen Persönlichkeit Max Schmelings macht nachvollziehbar, dass Henry Maske den Boxer spielt – und kaum mehr als mal einen Halbsatz nuscheln darf. Die Boxszenen, die Boll im RTL-Stil der neunziger Jahre filmt, sind folglich das Beste. Maske werden Profiboxer wie Yoan Pablo Hernández (Joe Louis), Enad Licina (Jack Sharkey) und Arthur Abraham (Riedel Vogt) als Gegner in den Ring gestellt.

Finanziert wurde der Film durch, wie Boll sagt, „zwei Anleger aus Hamburg“. Die wollen anonym bleiben und gaben bei ihm „eine deutsche Geschichte“ in Auftrag, damit Schmeling ein filmisches Denkmal erhalte. Was dabei herauskam, ist das Gegenteil: Auf eine gelungene filmische Bearbeitung von Max Schmelings Leben müssen wir noch warten.

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