Hörfunk First

Lothar Trolle Der Dramatiker und Dichter wird 70. Zum Jubiläum gibt’s den großen Hörspiel-Auftritt
Ausgabe 04/2014
Lothar Trolle, hier 1996
Lothar Trolle, hier 1996

Foto: Imago

Zum Jubiläum gibt’s den großen Hörspiel-Auftritt. Die Ursendung von Judith ist ein üppiges Stück nach der jüdischen Überlieferung. Ein echter Trolle, der die Geschichte und ihre Hauptfiguren zeigt und dabei die biblische Ferne bis in die Gegenwart schichtet mit ägyptischen Gemüseverkäufern und anderen Zeitgenossen. Als Dichterkollegen treten außerdem Daniel Charms und Isaak Babel auf. Im Verständnis des Autors ist Judith so etwas wie eine Schwarze Witwe, die Zeiten drehen sich zur Wiederholung. Nicht ganz exakt, aber doch in der Assoziation – das ist das Trolle-Prinzip. Eindrucksvoll sind auch die – im Hörspiel seltenen – Chöre, mit denen Regisseur Walter Adler Power in Massenszenen bringt, die durch Mehrsprachigkeit (Jiddisch, Arabisch, Hebräisch) aufgeladen werden. Mit dieser komponierten Vielstimmigkeit (darin Corinna Harfouch als Judith und Sylvester Groths Holofernes) meldet sich der Hörspieldramatiker zurück.

Der Dramatiker Lother Trolle nahm einst einen langen Anlauf auf die Bühne. Noch während des Philosophiestudiums bei Wolfgang Heise in Berlin entstanden in den sechziger Jahren die ersten Texte fürs Theater. Doch das konnte oder durfte mit ihnen wenig anfangen. Eine verspätete kleine Uraufführung hier, ein verstreuter Anthologieabdruck da – mehr war in der DDR nicht drin. Legendär Trolles Kommentar: „Wer nicht gespielt wird, bleibt ewig jung.“ Denn unter diesen Umständen wurden im Land von Heiner Müller und Peter Hacks selbst Autoren Mitte vierzig als Nachwuchstalente angesehen. Mit rund zwanzig Arbeiten fürs Theater durfte Trolle 1989 sich pralle Jugend attestieren.

Der Knoten platzte zur Zeitenwende, aber nicht nur wegen dieser. Denn noch bevor Frank Castorf 1992 mit Hermes in der Stadt Trolles grelle Großstadtsinfonie im großen Format am Deutschen Theater uraufführte, hatte der Süddeutsche Rundfunk einen Theatertext fürs Hörspiel entdeckt. Einer sitzt auf dem Sofa und sucht seinen Traum nimmt schon im Titel auf, wo der Jung-Autor ungefähr zu finden war. Nicht im Vordergründigen des Zeitgeschehens, sondern da, wo dieses im Alltag ins Abgründige driftet und – mit Daniel Charms als Wahlbruder – in Assoziationen leuchtet. Dass Castorf Trolles großer Apostel auf dem Theater wurde, überrascht also nicht. Zehn Jahre später lieferte der Autor dem Regisseur eine Bearbeitung von Berlin Alexanderplatz, die dann in der Ruine des Palasts der Republik begeistertes Publikum fand.

Da war Lothar Trolle schon ein renommierter Hörspielautor. Die Sache hatte sich umgedreht. Nun kamen die Stücke manchmal zuerst im Radio und dann auf die Bühne. Sie zu dritt unterm Apfelbaum, erst in der Regie des Trolle verbundenen Hörspielmeisters Ulrich Gerhardt, dann in Chemnitz. Die nach Alfred Döblins Roman 1918 entstandenen novemberszenen brachte Gerhardt als Hörstück ebenso wie Klaus Buhlert Stern über Marzahn, eine Weihnachtsgeschichte in den Neubaublöcken, bevor Theater dann ihre Version nachspielten. Zum Mythischen im Alltag gehört übrigens auch Annas zweite Erschaffung der Welt oder Die 81 Minuten des Fräulein A. (1995/97) über eine Supermarktkassiererin (Corinna Harfouch), die vielleicht ein Engel ist, das die Jubiläumsreihe im Hörfunk beschließt.

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