Seit ich vor mittlerweile 14 Jahren das erste Mal Vater geworden bin, habe ich ein Problem. Es gibt da alljährlich diesen Tag, der in mir eine Mischung aus fremdbeschämter Betroffenheit und Ratlosigkeit erzeugt. Ich spreche vom Vatertag. Über Plakate, die unter dem Motto „Heute sind wir alle Väter“ zu „Saufen und vielen ähnlichen Traditionen“ einladen. Über Männer, die den Tag nutzen, um nett mit Freunden zu grillen. Aber auch über die Initiative des Schweizer Dachverbands für Männer- und Väterorganisationen, den Vatertag als Tag der Wertschätzung von väterlichem Engagement zu definieren und ihn mit politischen Forderungen nach Familienfreundlichkeit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbinden.
Dieser Tag verwirrt mich deshalb so sehr, weil er einerseits mit vielen Bedeutungsebenen aufgeladen wird, andererseits aber unfassbar hohl wirkt. Er ist darin – und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal schreibe – ein recht akkurates Abbild dessen, was Vaterschaft gegenwärtig ausmacht. Er ist banal und bemerkenswert zugleich. Überbewertet und unterschätzt. In meiner Orientierungslosigkeit darüber, was sich mit diesem Tag anfangen lässt, hätte an dieser Stelle auch gut eine Schmähschrift über den Vatertag stehen können. Eine Schmähkritik darüber, wie Vaterschaft dafür abgefeiert wird, dass sie sich heutzutage gelegentlich zu einer fairen Aufgabenverteilung herablässt, lag ebenso in den Tasten wie eine zynische Beschwerde darüber, dass liebevolle und verantwortungsbewusste Vaterschaft übersehen wird.
Deshalb mache ich das heute anders und stelle mir vor, wie Vatertag wohl in Zukunft aussieht. Sagen wir, am 8. Mai 2070. Existiert er noch? Werden wir uns biologisch fortpflanzen oder den Nachwuchs genetisch selektieren? Was wird Vaterschaft bedeuten? Ich stelle mir vor, dass es ihn noch gibt. Dass wir durch die Geburtswehen einer tatsächlichen und nicht nur angetäuschten männlichen Emanzipation zu einem Verständnis von Vaterschaft kommen, das an einem solchen Tag gefeiert, beprostet und besprochen werden kann. Sich dafür weder als Gottvater anhimmeln noch als Vaterkarikatur verspotten zu lassen, mag einigen weit hergeholt erscheinen. Aber man kann sich dem schon heute annähern.
In diesem Sinne, an meine vier Kinder: Ich liebe euch sehr, ihr seid großartig. Ihr nervt mich ganz wunderbar. Und an meinen Vater: Danke, dass ich durch dich weiß, wie Vaterschaft gelingt und wie sie scheitert. Danke – für beides.
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