Hoffnungsschimmer von links

Mexiko Was muss der neue Präsident Andrés Manuel López Obrador tun, um den Drogenalbtraum zu beenden?
Ausgabe 27/2018
Wenn López Obrador klug ist, wird er nicht nur für Mexiko sprechen
Wenn López Obrador klug ist, wird er nicht nur für Mexiko sprechen

Foto: Ulises Ruiz/AFP/Getty Images

Mexiko steht an einem Wendepunkt. Der neue Präsident, der Linke Andrés Manuel López Obrador, hat ein Mandat, die Politik des Landes ganz neu aufzustellen. Erhalten hat er es von einer Nation, die vieles satt hat: die Armut, die zum Himmel schreiende Ungleichheit und die Korruption, die den Alltag ebenso prägen wie die brutale Gewalt. López Obradors Wahl folgt auf die blutigsten zwölf Monate im blutigsten Jahrzehnt seit der mexikanischen Revolution. Welche Optionen hat er angesichts des katastrophalen „Kriegs gegen die Drogen“, der seit 2006 rund 250.000 Menschen das Leben kostete und infolgedessen weitere 30.000 Menschen vermisst werden?

Mexikos Drogenkartelle sind klug geführte, effektive Unternehmen. Seit Jahrzehnten arbeitet ein klientelistisches Regierungssystem mit ihnen zusammen. López Obrador will zwei Säulen dieses Systems brechen: Er will die Armee mit der Polizei zu einer nationalen, dem Präsidenten unterstehenden Garde fusionieren, was die Gefahr eines autoritären Chavismus birgt, jedoch gegen Netzwerke aus Polizei, Militär und den Kartellen wirken könnte. Der andere Schritt ist eine mögliche Amnestie für Drogenhändler. Wenn López Obrador damit Kleindealer und Bandenmitglieder meint, die den wachsenden heimischen Markt beliefern, kann das ein interessanter Schritt zur Legalisierung von Teilen des Drogenhandels sein.

Aber wo hört Amnestie auf, wo fängt Straflosigkeit an? In Kolumbien wird der Farc Amnestie gegen die Abgabe der Waffen angeboten. Die mexikanischen Kartelle Sinaloa, Los Zetas oder die aufstrebende Jalisco Nueva Generación signalisieren bisher kein Interesse an Derartigem. Weder in Mexiko noch international lässt sich so einfach zwischen legal und illegal unterscheiden, wenn es um das Waschen von Drogengeldern geht. Die Kartelle investieren in Öl, Mineralien und Tourismus. Wie soll eine Amnestie diesbezüglich funktionieren, und was würde sie ändern?

Es gibt einen großen Schritt, den López Obrador gehen könnte: Mexiko kann den Kampf gegen den Drogenhandel unmöglich allein gewinnen. Er muss global geführt werden. Vor acht Jahren, beim Amerika-Gipfel in Kolumbien, warf dessen damaliger Präsident Juan Manuel Santos den Ländern in Europa und Nordamerika den Fehdehandschuh hin. Schließlich schnupfen dort feine Nasen Kokain, das mit Blutvergießen erkauft ist. Die Profite werden von westlichen Banken meist ungestraft gewaschen.

Santos forderte die Konsumenten-Länder auf, ihre Mitverantwortung für die Gewalt in Kolumbien und Mexiko anzuerkennen und den Kampf dagegen zu Hause zu führen, nicht durch mehr Krieg in den Produktions- und Transitländern. Die USA und Europa haben sich dem verweigert; von Santos‘ Nachfolger Iván Duque ist nichts in diese Richtung zu erwarten.

Wenn López Obrador klug ist, wird er an Santos’ Politik anknüpfen und nicht nur für Mexiko sprechen, sondern für ein Lateinamerika, dessen Ungeduld groß ist im Angesicht dieses Albtraums. Wenn er im Kampf gegen den Drogenkrieg erfolgreich sein will, reicht eine Amnestie nicht. Er muss die Gewalt an der Wurzel packen, Bildung und Frauenrechte fördern, Armut bekämpfen sowie Vetternwirtschaft und Straflosigkeit beenden. Er muss den Krieg gegen Drogen durch den politischen Kampf gegen den Krieg an sich ersetzen.

Ed Vulliamy ist Autor des Buches Amexica: War Along the Borderline

Übersetzung: Carola Torti

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Geschrieben von

Ed Vulliamy | The Guardian

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