Hollande bleibt Merkel treu

Frankreich Ab sofort führt der Präsident eine sozialistische Regierung, in der es kaum noch Sozialisten gibt
Ausgabe 35/2014
Hollande bleibt Merkel treu

Bild: Yoan Valat / AFP

In diesem Land ist Politik im August nicht vorgesehen, handelt es sich doch um den Ferienmonat. Für die Schule wie die Politik beginnt der Wiederanfang – die rentrée – erst im September. Nun aber hat Premier Manuel Valls zu Wochenbeginn die Regierung verabschiedet und mit Präsident François Hollande eine Kabinettsumbildung vereinbart. Nach einer Umfrage wollten gerade noch drei Prozent der Franzosen, dass Hollande 2017 wieder kandidiert. Präsident und Regierung sind in einem absoluten Stimmungstief angesichts von Nullwachstum und hoher Arbeitslosigkeit. Hollande ging deshalb am 21. August in die Offensive und erklärte gegenüber Le Monde in einem langen Interview seinen Reformkurs. Daraufhin gab Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg drei Tage später dem gleichen Blatt ebenfalls ein Interview, in dem es an Klarheit nicht fehlte. Er kritisierte Hollandes Sparkurs kategorisch: „Vorrangig ist die Krisenbewältigung, und erst in zweiter Linie geht es um die zum Dogma erklärte Reduktion des Budgetdefizits und die Schulden.“

Dem Regierungsplan zur Kürzung des Haushalts um 50 Milliarden Euro in drei Jahren setzte Montebourg seine rundum vernünftige „Dritteltheorie“ entgegen. Nur ein Drittel wollte er für Haushaltskürzungen einsetzen, die restlichen beiden für reduzierte Unternehmenssteuern und eine gesteigerte Kaufkraft der unteren Einkommensklassen. Montebourg griff Hollande nicht frontal an, sondern erklärte sybillinisch: „Für den Moment mache ich Vorschläge.“ Gegenüber der deutschen Regierung wurde der Minister deutlicher: Kanzlerin Merkel sei „selbst in die Austeritätsfalle“ geraten, „die sie allen EU-Staaten aufgestellt“ habe mit ihrer „Sparbesessenheit“. Und er setzte einen drauf, als er meinte, „sich in die Reihe der extremsten Orthodoxie der deutschen Rechten einzuordnen“, entspreche mit Sicherheit nicht dem Willen jener Mehrheit von Franzosen, die 2012 die Sozialisten gewählt hätten. Überdies betreibe Merkel „eine elende Politik“, mit der sie „die Europäer in die Arme der Extremisten“ treibe, „die Europa zerstören wollen“.

Montebourg ist nicht der Einzige, der den rigiden Sparkurs der Regierung Valls ablehnt. Rund ein Dutzend sozialistische Abgeordnete werden zu den Frondeurs gezählt, die mit einer Ablehnung des Haushalts im September Neuwahlen erzwingen könnten. Montebourg hat dezent gedroht, freie Geister seien entschlossen, „aus der misslichen Lage Konsequenzen zu ziehen“. Damit lief das Fass über: Hollande und Valls konnten gar nicht mehr anders, als die Regierung umzubilden.

Diskreter als Montebourg hatte sich zuvor Hollandes Intimgegnerin Martine Aubry ins Spiel gebracht. Sie schwieg seit ihrer Niederlage im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur 2011. Jetzt allerdings formulierte sie eine Kampfansage gegen die Regionalreform der Regierung Valls. Deren Plan sieht und anderen vor, die Regionen Picardie und Nord-Pas-de-Calais – zwei von De-Industrialisierung gebeutelte Armenhäuser – zusammenzulegen. Aubry nannte das „einen ökonomischen und sozialen Unsinn“, ausgerechnet zwei Gebiete mit einer Erwerbslosenquote von 13 Prozent zu fusionieren. Sie hat mit Valls eine alte Rechnung offen: Als sie Generalsekretärin des Parti Socialiste war, schlug der neoliberal imprägnierte „Modernisier“ Valls vor, die Partei à la mode umzubenennen. Martine Aubry revanchiert sich jetzt als linkem Opponentin mit dem Vorwurf an Hollande, ihm seien „Kohärenz, Vision und Methode“ abhandengekommen. Fehlender „Esprit de Méthode“ ist in etwa das Schlimmste, was man französischen Spitzenpolitikern ankreiden kann.

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