Hudelei

A–Z Lob ist oft tückisch. Unser neuer Fachbegriff dafür: Lobbing! Merke: Sicherer ist es, bei Komplimenten auf der Absenderseite zu stehen. Das Wochenlexikon
Ausgabe 39/2018
Hudelei

Foto: Bettmann/Corbis/Getty Images

A

Aber Ich liebe dich, aber ich habe im Moment zu viel mit mir selbst zu tun. Ich liebe dich, aber ich muss erst einmal herausfinden, wer ich wirklich bin. Ich liebe dich, aber wir passen einfach nicht zueinander. Ich liebe dich, aber unsere Lebensentwürfe sind zu verschieden voneinander. Ich liebe dich, aber ich kann meine Ex-Freundin nicht vergessen. Ich liebe dich, aber ich bin noch nicht über meine letzte Trennung hinweg.

Ich liebe dich, aber ich bin noch nicht bereit für eine neue Beziehung. Ich liebe dich, aber die räumliche Distanz zwischen uns ist zu groß. Ich liebe dich, aber ich bin zu alt für dich. Ich liebe dich, aber du bist zu jung für mich. Ich liebe dich, aber ich habe Angst, verletzt zu werden. Ich liebe dich, aber ich habe Angst, dich zu verletzen. Ich liebe dich, aber alles hat seine Zeit. Ich liebe dich, aber wir verstehen uns schon lange nicht mehr richtig. Ich liebe dich, aber man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist. Ich liebe dich, aber wir sind noch nicht bereit füreinander. Ich liebe dich, aber ich liebe auch jemanden anderen. Ich liebe dich nicht. Mladen Gladić

Attachment Parenting So ein seltsamer Begriff. Stammt aus dem Amerikanischen und hat mit Bindung, Erziehung zu tun. Mit Eltern, die ihre Beziehung zum Kind bewusst konfrontationsarm gestalten und viel loben. „Du hast mich als Kind viel zu selten gelobt“, erklärte ich mal meinem Vater. Wenn alles okay war, war es okay, musste nicht extra erwähnt werden. Wenn es Stress gab, gab es Stress. In Amerika fänden die Lehrer an der Schule erst mal alles positiv, erzählte eine Bekannte, auch wenn der Baum, der gezeichnet wurde, nicht grün, sondern orange aussieht oder wie eine Katze. „Oh, interesting tree, that’s great!“ Man wolle das Kind bestärken. In der DDR spielte Psychologie bei der Erziehung kaum eine Rolle. Als Mutter bin ich nun hin- und hergerissen. Als das Kind erste Schritte machte, rief ich ständig: „Bravo!“ Isst es seinen Teller leer, finde ich das meist selbstverständlich. Meine italienischen Schwiegereltern hingegen klatschen. „Bravissimo!“ Verziehung?Maxi Leinkauf

B

Bernhard, Thomas Es gibt kein richtiges Lob im falschen. Das bedeutet bei Thomas Bernhard, dass Lob von der falschen Seite gleichbedeutend ist mit: von jeder Seite. Davon erzählt der Band Meine Preise. Er zeigt hochkomisch, warum Lob immer falsch sein muss, und zwar aus drei Gründen: 1. Das Lob kommt von Menschen, oft Ministern, oder Institutionen, die keinerlei Ahnung haben, was sie da loben. Bei der Verleihung werden Texte abgelesen, die andere schlecht informiert für sie vorgeschrieben haben (z. B. wird ein nie von ihm verfasster „Südsee-Roman“ gerühmt). 2. Das Lob oder die Auszeichnung wird aus falschen Gründen verliehen, etwa aus Mitleid wegen einer bekannt gewordenen Krankheit (Morbus Boeck) anstatt für das Werk, das auszuloben sie vorgeben. 3. Das Lob respektive der Preis an sich ist falsch, man verleiht ihm also statt dem Großen nur den Kleinen Staatspreis, was die Auszeichnung als versteckte Erniedrigung entlarvt, die der Gelobte dafür zu dulden hat, dass er die ausgelobte Geldsumme entgegennehmen darf. Kurz gefasst: „Preise sind überhaupt keine Ehre (…), die Ehre ist eine Perversität, auf der ganzen Welt.“ Eckhart Nickel

H

Hobbing (Hochloben) ist eine spontane Eigenkreation für ein Verhalten, das ich an anderen Leuten sehr missbillige, vielleicht weil ich mich auch schon dabei erwischt habe. Gemeint ist: sich selbst nach „oben“ empfehlen, indem man die Entscheidungen von Vorgesetzten im unkonventionellen Gespräch freundlich ins positive Licht rückt. Von diesem Lichte fällt dann ein Strahl auf einen selbst zurück. Zeugt es nicht von eigener Urteilskraft, wenn man den Chef so sachkundig lobt? Hobbing erfolgt meist geheim, während der öffentliche Auftritt eher kritisch-kollegial oder couragiert-skeptisch sein sollte. Hobbing erfordert einige Dezenz. Es ist ein „Ganz unter uns“-Instrument und sollte nicht in offenes A-Kriechen übergehen. Magda Geisler

Hochstapelei Schlechte Laune haben und trotzdem lächeln macht gute Laune (Selbstlob). Knietief im Dispo? Räum das Konto richtig leer. Erst wenn du wirklich keins mehr hast, kann neues Geld nachkommen, so wie Luft ins Vakuum strömen will. Bis es so weit ist, schmeiß dich in Schale und geh auf eine Vernissage, wenn du dir heute Abend mal keinen Crémant leisten kannst. Trage keine bedruckten T-Shirts und keine Tattoos, das sieht arm aus. Vielleicht triffst du in der Galerie auf jemanden, der dir weiterhelfen kann oder dich zum Dinner mitnimmt. Hochstapelei par excellence: Hülle deinen abgemagerten Körper in Kaschmir, Seide, Leder und Lambswool vom Flohmarkt. Parfum gibt’s en passant zum Probieren im Kaufhaus.

Spar dich bis ganz nach oben. Nein, das brauchst du nicht. Du bist ja schon da. Schön hier, oder? Ruth Herzberg

P

Peter-Prinzip Die Hierarchie der Unfähigen lautet der Untertitel des Bestsellers Das Peter-Prinzip. Darin kommt die Kernbotschaft schon schön zum Ausdruck: Jeder wird in einem Unternehmen oder einer Behörde bis zu der Position befördert, für die er absolut ungeeignet ist. Dort bleibt er dann als Hemmschuh hängen. Die These von der Endstation Inkompetenz stammt von Laurence J. Peter und Raymond Hull. Bereits 1969 erschien ihr Buch. Seither hat sich die Aussage zigfach bewahrheitet, wesentliche Veränderungen bei Führungsstrukturen gab es nicht. Schlanke Hierarchien und Teamwork können den Flaschenhals im oberen Management nicht verhindern. Die Arbeit machen weiterhin die anderen, irgendwo auf der Karriereleiter Stehende. Lobbing haben Peter und Hull auch schon beschrieben. Bei der „seitlichen Arabeske“ wird ein Mitarbeiter in eine extra geschaffene, bedeutungslose Position versetzt. Tobias Prüwer

Q

Quadratmeter Zahlen bedeuten die Welt. Zumindest in Chefetagen, und das bis heute. Nur die Richtung des Strebens hat sich verändert. War früher das Maß aller Dinge die Anzahl von Fenstern, Ecklagen und Dattelpalmen, so ist es heute das zu oft dargestellte Understatement. Da sitzt der Springer-Vorstand in kleinen Glasboxen und will damit herausschreien, er sei ultramodern.

Wie war es früher in Vorstandsetagen? Man hatte eigene Aufzüge, einen elitären Parkplatz (Sterbehaus) sowieso, und auch bei der Nahrungsaufnahme wurde getrennt gelöffelt. Heute lassen sich CEOs von großen Konzernen duzen und sitzen mit in der Kantine. Ist das besser als früher? Nicht unbedingt, denn auch das bewusste Untertreiben kann ein schmerzendes Dogma fürs Kollektiv sein. Fragen braucht man dazu nur die Menschen, deren Arbeitssystem auf Hot Desking umgestellt wurde. Sie lernen, dass der Rückzugsraum des Einzelnen passé ist und nur das Team zählt. Es wirkt extrem progressiv und ist doch nur eins: Spätkapitalismus at its best. Jan C. Behmann

S

Selbstlob In Wilhelm Buschs Kritik des Herzens gibt es ein Gedicht über die Selbstkritik. „Die Selbstkritik hat viel für sich. / Gesetzt den Fall, ich tadle mich, / So hab’ ich erstens den Gewinn, / Daß ich so hübsch bescheiden bin.“ Usf. „So kommt es denn zuletzt heraus, / Daß ich ein ganz famoses Haus.“ Die Selbstkritik, will Busch uns sagen, ist ein verstecktes Eigenlob. Ja, die wahre Absicht der Selbstkritik scheint der Zugewinn an Prestige. In Interviews mit Prominenten findet man reichhaltiges Anschauungsmaterial. „Welche ist Ihre größte Schwäche?“„Meine Ehrlichkeit.“ Ah ja. Aber kann man sich selbst so kritisieren, dass es nicht wie ein Selbstlob ausschaut? Mit anderen Worten: Ist Eigenlobbing möglich? Versuchen wir es. Würde man mich fragen, was meine größte Schwäche ist, würde ich sagen: Ich bin nachtragend und oberflächlich zugleich. Geht doch! Michael Angele

Sterbehaus Wohin mit Ex-Vorständen? Diese Frage stellt sich einigen Unternehmen – man will die funktionslos gewordenen Granden mit ihrem Insiderwissen ja dennoch an sich binden. Die Deutsche Bank hat einen schlichten Bau im Frankfurter Westend, den man intern „Sterbehaus“ nennt. Hier, berichtete einmal eine Reportage der „Zeit“, sitzen die Nicht-mehr-Gebrauchten (Takt).

Im Schatten der Zwillingstürme versteckt sich der Flachbau. Es gibt keine Tiefgarage, keinen Pförtner. Das Gefühl, ohne Zwischenstopps mit dem Fahrstuhl ganz nach oben zu fahren, stellt sich hier nicht mehr ein. Der Ex-Manager Robert Ehret beschrieb es so: „Am Ende des Lebens werden die Räume ja immer kleiner, und der letzte Raum wird der kleinste sein.“ Er sei jetzt im vorletzten Zimmer. Hier wolle er bis zum Schluss bleiben. Tobias Prüwer

T

Takt Wer bestimmt hier? Wohl der Chef, oder? Denkste, sagt Niklas Luhmann. „Unterwachung“ nennt er die Kunst, den Boss zu lenken. Dafür muss man sehen, dass Macht Kooperation braucht, man will ja den anderen dazu bringen, aus einer Vielzahl von Möglichkeiten die zu wählen, die man selbst präferiert. Wichtig dabei ist Takt: Ich muss den anderen so behandeln wie den, der er sein will:

„Ich habe immer wieder versucht, an den Grenzen der Taktlosigkeit zu experimentieren, es zahlt sich nicht aus. Man kann irritieren, die Situation in ein leichtes Vibrieren bringen, vielleicht so stark stören, daß Aufmerksamkeit von einem unangenehmen Thema wegkommt. Viel mehr ist damit nicht zu erreichen.“Magda Geisler

W

Wegloben Die Methode ist so subtil wie perfide. Während beim Mobbing ein unliebsamer Mitarbeiter mittels versteckter und offener Kritik aus dem Unternehmen gedrängt wird, agiert das Lobbing mit heimtückischem Schmeicheln. Meistens wird es bei Führungskräften der mittleren Ebene angewendet. Der entsprechende Mitarbeiter wird in eine höhere Position befördert – allerdings ohne Lohn- oder Gehaltserhöhung. Die fehlende finanzielle Anerkennung seiner neuen Stellung (Quadratmeter) demotiviert zwangsläufig, so die Theorie. Der Weggelobte sucht bald aktiv nach einem Job, der seinem Selbstwert besser gerecht wird.

Derlei verdeckte Unternehmung kann auch ins Ausland führen. Nach anfänglicher Freude fühlt sich der Versetzte plötzlich strafversetzt. Der Psychotrick soll gut bei leichten bis mittelschweren Narzissten funktionieren, die auf Managementebene häufiger anzutreffen sind. Rechtliche Schritte wie beim Mobbing sind schwierig. Wie will man bei einer Beförderung die zwielichtigen Motive dahinter beweisen? Tobias Prüwer

Z

Zwei linke Hände Alle schimpfen über die Causa Maaßen! Ganz so, als hätte man selbst noch nie einen willigen, für die Aufgabe aber völlig ungeeigneten Partner durch perfides Wegloben von der Erfüllung seiner Mission abgehalten.

Nehmen wir meinen Mann: Er ist, wie sollte es anders sein, intelligent und kreativ, kocht vorzüglich und ist auch sonst im Haushalt motiviert. Geradezu übermotiviert! Die Wäsche will er jetzt auch noch waschen! Niemals aber würde ich seine zwei linken Architektenhände dunkle mit weißer Wäsche, Frotteehandtücher mit Wollpullis zusammenstecken lassen. „Nein, Schatz, geh du doch lieber mit dem Jungen malen! Und vielleicht könntest du deine Superpasta kochen?“ Wegloben rettet Beziehungen! Und: Ordnung muss sein, besonders, wenn’s um Unterwäsche geht. Marlen Hobrack

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