Humanismus-Abwehr

Kommentar Zuwanderungsgesetz ausgehandelt

Da soll noch jemand sagen, Deutschland stünde den Ausländern nicht offen! Das ist historisch zu nennen, endlich hat man ihn nach langer Suche entdeckt, den Ausländer, wie er in Deutschland ganz offiziell willkommen ist: steinreich, mit dem Willen, eine Million Euro zu investieren und hier zehn Arbeitsplätze zu schaffen. Oder wenigstens hochqualifiziert zu sein, jung und motiviert. Ist das etwa zuviel verlangt?

Das neue Zuwanderungsgesetz, dem vergangene Woche alle Parteien mit Ausnahme der PDS zugestimmt haben, wird künftig die Stimmung entscheidend prägen, die in diesem Land gegenüber Migranten herrscht. Es sorgt nicht - wie allseits behauptet - für eine Wende, sondern setzt eine restriktive Politik fort. Es hätte darum gehen sollen, per Gesetz eine Integrationspolitik zu definieren, die Vorurteile, Diskriminierung und Rassismus bekämpft. In Schweden beispielsweise können Migranten nicht nur an Sprachlehrgängen, sondern auch an Kursen zur soziokulturellen und beruflichen Orientierung teilnehmen. Kinder aus Einwandererfamilien erhalten Unterricht in ihrer Muttersprache und werden nicht trotz, sondern wegen ihrer kulturellen Identität respektiert. Ganz anders in Deutschland: Die muttersprachliche Lehre wird hier den Koranschulen überlassen. Und der Innenminister möchte, dass Deutschkurse zur Gängelung dienen, indem bei Nichtteilnahme die Aufenthaltserlaubnis entfällt.

Selbst das, was einmal als Integration daher kommen sollte, wirkt nun repressiv. Zwar wurde für den Flüchtlingsschutz ein Passus für nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung gefunden, was zweifellos eine Verbesserung ist. Doch trägt andererseits das umfangreiche Sicherheitskapitel dazu bei, Ausländer zu stigmatisieren. Nicht nur, dass Ausweisungen erleichtert werden, auch die menschenverachtenden Bedingungen der Abschiebehaft könnten künftig in sogenannten "Ausreisezentren", in denen die "Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert" werden soll, zur Norm werden. Die demütigende Haft und die rechtlich problematischen Flughafenverfahren lassen sich nur als Maßnahmen eines staatlich legitimierten Rassismus deuten. Nichts davon wird mit dem neuen Gesetz abgeschafft oder auch nur gemildert. Die Hunderttausende von Illegalen werden nicht einmal erwähnt.

Hatte jemand im neuen Gesetz so etwas wie Pluralismus, Offenheit und Menschlichkeit erwartet? Selbst die Grünen können sich offenbar kaum erinnern. Misstrauen und Vorbehalte prägen den Gesetzestext - eine Legitimation, die bisherige Politik fortzusetzen oder zu verschlimmern. Wer so vorgeht, bricht nicht mit der Diskriminierung, sondern ist ein Teil von ihr. Staatlicher Rassismus wird damit weiter institutionalisiert und mit dem beschönigenden Titel "Zuwanderungsgesetz" ausgestattet.


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Geschrieben von

Connie Uschtrin

Redakteurin Politik

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