Katrin Bauerfeind: Ah, ein Glückskeks zur Begrüßung! (Liest vor.)„Ohne dass ihm mal was schiefging, ist nie einer Meister geworden“ – ein Sprichwort aus Russland. So. Da haben wir es doch!
Calvani: Also wenn das keine Schicksalsfügung ist! Mein Spruch ist aber auch nicht schlecht: „Der Fuchs weiß mehr als ein Loch“ – aus Dänemark.
Bauerfeind: Es fügt sich alles.
Goedzak: Scheitern bedeutet für mich: Man nimmt sich vor, ein wichtiges Ziel zu erreichen, man macht sich einen Plan, wie man das Ziel erreichen kann, arbeitet darauf hin – und wenn man es dann nicht schafft, ist man gescheitert. Wenn man aber bemerkt, dass man falsche Vorstellungen hatte und einer Illusion nachhing, dann ist das kein Scheitern.
Bauerfeind: Das sehe ich anders. Es gibt die umgekehrten Beispiele: Der Erfinder der Post-its zum Beispiel ist daran gescheitert, einen Superkleber zu erfinden. Das Scheitern war sein größter Erfolg. Ich höre ganz oft: Aber Sie sind doch im Fernsehen, wie können Sie da ein Buch über das Scheitern schreiben? Gescheitert ist man aber nicht nur, wenn man plötzlich unter der Brücke sitzt. So funktioniert das Scheitern nicht. Scheitern ergibt sich immer aus der Summe von Kleinigkeiten, die irgendwann zur großen Katastrophe führen können. Wer legt denn fest, was Scheitern ist? Ich kann beruflich total erfolgreich sein und privat nichts auf die Kette kriegen. Rihanna hat gesagt, sie scheitere permanent an ihrem Privatleben, weil sie keins hat. Obwohl sie beruflich so erfolgreich ist, findet sie selbst, sie sei in privater Hinsicht gescheitert. Ich finde, sie darf das so sehen und auch so sagen. Das entscheidet jeder selbst. Scheitern ist ja auch oft nur ein Gefühl.
Goedzak: Naja, wahrscheinlich ist es eher eine Frage der Wortwahl. Sie nennen es Scheitern, andere wiederum würden es nicht Scheitern nennen.
Bauerfeind: Ich habe ja keine wissenschaftliche Abhandlung über die Definition des Scheiterns geschrieben, sondern lustige Kurzgeschichten mit durchaus ironischem Unterton.
Nele Jo: Mich stört das Wort Scheitern hier auch. Ich finde den Begriff so negativ.
Bauerfeind: Das versuche ich im Buch ja deutlich zu machen: schöner scheitern. Die positive Seite des Scheiterns. Es ist eine Frage der Perspektive. Ich suche im Buch die versöhnlichen, lustigen, positiven Momente. Manchmal lernt man ja auch aus Fehlern. Heutzutage hat man schnell das Gefühl, man sei automatisch gescheitert, wenn man nicht immer perfekt und erfolgreich ist. Und das kann es ja auch nicht sein.
Calvani: Ich habe ein anderes Problem mit dem Begriff: Es fällt auf, dass das Scheitern geradezu schick ist. Warum ist das so?
Bauerfeind: Ich weiß es auch nicht. Wahrscheinlich weil wir alle unter dem Druck stehen, noch dünner, besser, smarter, fitter und geiler werden zu müssen. Da kann man am Ende nur scheitern.
Calvani: Empfinden Sie das denn auch so?
Bauerfeind: Ja, Scheitern hatte so einen kleinen Hype, da war ich auch verwundert. Da flattert das Zeitmagazin herein mit dem großen Titel „Scheitern“, dann kommen die Coen-Brüder mit ihrem Film und sagen: Charaktere, die scheitern, sind viel spannender als die Gewinnertypen … Da hatte ich das Buch ja schon lange abgegeben und dachte: Irgendwie ist das jetzt gerade Thema, schade, dass mein Buch erst in einem halben Jahr rauskommt. Aber das ist okay, es ist eine Gegenbewegung. Wie lange war Erfolgreich-sein-Müssen das Thema! Wie viele Ratgeber gibt es zum Positiven Denken, zum Glücklichsein! Wenn dann ein paar Leute sagen: Quatsch, Scheitern muss sich wieder lohnen – dann kann ich das total verstehen.
Calvani: Stimmt. Sie schreiben auch über den Selbstoptimierungszwang, kritisieren die ständig neuen Spielzeuge fürs Wohlbefinden, aber letztendlich sehe ich einen großen Widerspruch. Das, was jetzt mit dem Scheitern passiert, der Hype darum, ist dasselbe in grün wie zuvor die Sache mit dem Glück: In Ihrem Buch geht es darum, „schöner zu scheitern“, entspannter zu scheitern. Ich hingegen habe für mich akzeptiert, dass ich rasend empfindlich bin, meine Tiefs sind tief, ich heule, ich finde alles furchtbar, ich nerve meine Freunde. Dafür sind meine Höhen aber auch hoch. Ich sehe unter diesem Gesichtspunkt keinen so großen Unterschied zu den Glücksbüchern. Für mich ist das auch eine Form der Selbstoptimierung.
Bauerfeind: Na ja, ich habe ja keinen Ratgeber geschrieben! Aber mein Motto ist: Fehler machen und nicht so streng mit sich selbst sein, lieber drüber lachen als dran zu verzweifeln! Das hat nichts mit Optimierung zu tun. Ich finde das normal. Sollte es zumindest sein.
Calvani: Aber warum eigentlich soll man denn schöner oder entspannter scheitern? Warum nicht hysterisch scheitern? Traurig? Hässlich?
Bauerfeind: Weil es in dem Buch darum geht, was schön oder lustig am Scheitern war. Was man daraus mitnehmen kann. Es ist die Betrachtungsweise des Scheiterns, und die ist in diesem Fall eben: schöner scheitern.
Calvani: Die Geschichten, vor allem die, in denen ich mich wiederfinden konnte, sind oft Missgeschicke, Missverständnisse oder Ärgernisse und dafür braucht nicht die Klammer „Scheitern“ strapaziert zu werden.
Bauerfeind: „Geschichten von schönen Missgeschicken“ hat nicht mehr auf den Titel gepasst. Deshalb das Scheitern. Ein ganz banaler Grund, dass man einen Titel auf ein Cover kriegen muss.
Calvani: Das Kapitel über das weibliche Scheitern gehört zu denen, mit denen ich mich am besten identifizieren konnte. Die Geschichte über Ihr Date, bei dem Ihr Gegenüber auf der Rückseite Ihres hellen Rocks einen roten Fleck entdeckt … Das Schöne an dieser Geschichte ist ja, dass ein Fleck am Rock ein sachliches Ereignis darstellt, dass aber sowohl Sie als auch Ihr Gegenüber sofort davon ausgegangen sind, dass es sich um etwas typisch Weibliches handeln muss: Das muss Regelblut sein! Was es dann doch nicht war. Gesellschaftlich fallen mir ebenfalls sehr viele sachliche Gegebenheiten ein, die sofort in die Frauenecke gedrängt werden. Zickenkrieg und Stutenbissigkeit als Beispiele – während Kritik unter Männern auch als Zeichen für Respekt gewertet wird, weil sie unter Männern bedeutet, dass ein Mann den anderen wahrnimmt, ernst nimmt, gegen ihn antritt.
Bauerfeind: Diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Es gibt immer noch das Klischee, dass mehr als zwei Frauen auf einem Haufen schnell zickig oder stutenbissig werden. Das finde ich total krass. Dabei kenne ich so viele Frauen, die das widerlegen.
Calvani: Allerdings neigen Frauen ja vielleicht tatsächlich häufiger dazu, sich in die Irre führen zu lassen. Ob das dann wirklich ihre Schuld ist, lässt sich manchmal schwer beantworten.
Bauerfeind: Erstens das, und zweitens ist es am Ende immer eine individuelle Typfrage. Frauen können auch sehr gehässig sein. Die Geschichte mit dem roten Fleck allerdings bin ich jetzt wirklich losgeworden. Das war lange Zeit die peinlichste Geschichte meines Lebens. Ich habe sogar bei Wahrheit-oder-Pflicht-Spielen Freunde angelogen, wenn die Wahrheitsfrage war: Was war das Peinlichste, was dir je passiert ist? Jetzt habe ich die Peinlichkeit ausgelagert – ins Publikum ...
Nele Jo: … und viele Frauen werden sicher sagen: So einen Fleck hatte ich auch schon.
Bauerfeind: Allerdings! Für Frauen ist das ein Albtraum. Man denkt so oft, dass es nur einem selbst so geht. Aber den Fleck kennen viele, die Oma hatte auch schon Liebeskummer, der Nachbar hat auch drei Anläufe gebraucht, bis er Nichtraucher war. Man ist gar nicht so speziell, wie man denkt. Das merke ich immer wieder durch das Feedback auf meiner Lesereise zu dem Buch.
Nele Jo: Wie entstand denn die Idee zu diesem Buch?
Bauerfeind: Ich wollte gerne ein Buch machen, und ich habe groß angefangen. Ich dachte zuerst: Ich mache was über den Sinn des Lebens! Aber dann habe ich relativ schnell gemerkt, dass das echt schwierig wird. Als Nächstes wollte ich Menschen in meinem Alter besuchen, sie ein Wochenende begleiten und darüber kurze Artikel schreiben. Aber ehrlich gesagt, hat mich das tierisch gelangweilt. Kaum war das halbe Buch fertig, habe ich es in den Mülleimer geworfen. Ich bin also durch mehrmaliges Scheitern bei einem Buch übers Scheitern gelandet.
Read and Meet ist ein Projekt aus der FreitagCommunity. Blogger, Leserinnen und Leser befragen einen Autor oder eine Autorin – ungefähr nach dem Motto: „Was haben Sie sich dabei gedacht, und wie haben Sie es dann gemacht, Herr Hitchcock?“ Ein Treffen mit Werkstattcharakter, bisherige Gesprächspartner waren Ingo Schulze, Roger Willemsen, Sven Regener und Jakob Augstein. Die Diskussion wird erst in der Zeitung abgedruckt und dann auf unserer Webseite online gestellt
Kommentare 27
Dürfen wir Ihr Buch in die Kamera halten, Frau Fernsehgesicht?
War mal wieder schön zu lesen! Und dieses Foto!
Und zu:"Scheitern ergibt sich immer aus der Summe von Kleinigkeiten, die irgendwann zur großen Katastrophe führen können."
Manches fühlt sich ja auch erst einmal wie Scheitern an, ist aber eigentlich nur ganz lapidar zu Ende gegangen...
Fand ich sehr amüsant zu lesen.
Weiß eigentlich jemand, ob der Begriff "Scheiterhaufen" auch vom "Scheitern" kommt. Ach nee, es wird wohl das Holzscheit sein.
Und Buchtitel in die ähnliche Richtung fielen mir auch ein:
Scheitern auf dem Haufen
Gescheiter, nicht gescheitert
Scheitern für Anfänger
Oder: Womit wir am liebsten scheitern
Das Scheitern als Kunstform
Autorin: Miss Geschick
Stimmt: Das Ding mit dem Roten Fleck kennen fast alle Frauen. Bei mir wars mal ne Ladung Tomatenmark auf einem hellen Rock auf dem Weg zu einem dienstlichen Termin. Na, es ging gut aus durch weibliche Solidarität.
Unverbindliches Insidergeblubber für hippe Bobos in einer Boborubrik, die kein Mensch kennt. Ob die Chose allerdings – an wem sonst? – nur am »Gast« liegt, der außer Wischi-waschi-Allgemeinplätzen & Buchpromo nichts von sich gibt? Oder – doch auch? – an den Fragern und Fragerinnen, denen vor lauter Hipness (oder Respekt vor dem Star, der – wie die Headline titelt – bereits »groß« angefangen hat) keine substanzielle Frage einfallen mag? Ich weiß es nicht.
Mir jedenfalls fielen bei Bauerfeind einige Fragen ein. Etwa, was genau am Scheitern eigentlich »schön« sein soll. Oder auch, was genau das Innovative / Jugendliche / wasauchimmer sein soll an Formaten wie etwa Bauerfeind auf ZDFkultur. Wie es ist, wenn man sich – ohne vernehmbares Krächzen im Getriebe – von »links« unten nach arriviert oben durcharbeitet. Kann unter derartigen Umständen eigentlich von »Scheitern« die Rede sein? Oder ist das nicht vielmehr der Normalmodus, wenn im Medienmetier aus einer/einem was wird?
Sicher – man kann das Ganze auch zwei, drei Nummern kleiner angehen. Fragen, wie das ist, wenn man sich in einer Tretmühle wie den Öffentlich-Rechtlichen zurechtfinden muß. Welche Abstriche an Ideen etcetera sind vonnöten? Last but not least hätte es ganz konkrete, interessante Aufhänger gegeben. War die Intervention beim Nannen-Preis 2011 Glückstreffer (tolle Überleitung übrigens von Glückskeksen ;-) oder geplant? Wie kommt man auf so ein Wahlsendungs-Konzept, und wie arbeitet es sich dabei mit einem Polit-Profi wie Ingo Zamperoni zusammen?
Tja – schade, schade, schade. Andererseits: anscheinend auch nur Bobos – also nicht für so Leute wie mich.
Ein schöner und wichtiger Beitrag. Er übersetzt in die heutige Sprache nicht nur, dass man aus Fehlern klug werden kann, wie weiland die Großeltern es sagten, sondern dass Fehler etwas sehr menschliches sind: Notwendige Begleiterscheinungen. Nobody's perfect, but whotf is Nobody?
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Nö. Den Schuh, nicht kritisch genug gefragt zu haben, ziehe ich mir nicht an.
Meine Frage: Warum soll man schön scheitern?
Ihre vorgeschlagene Frage: Was ist schön am Scheitern?
Spektakulärer Unterschied zwischen diesen beiden Fragen: Nüscht. Aber Hauptsache Mann hat deutlich gemacht, dass Mann selbst Frau Bauerfeind ja viel besser hätte befragen können. Hätte, hätte, Fahrradkette.
°Tja – schade, schade, schade. Andererseits: anscheinend auch nur Bobos – also nicht für so Leute wie mich°
Sie haben jetzt aber lange gebraucht, um zum eigentlich Wichtigen (Sie) zu kommen..;-)...
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Danke an die read-and-meet-Truppe (und ich dachte schon, auch die wären alle still und leise woandershin emigriert)
Habe ich auch befürchtet, aber - das sind sie ja wieder - und es ist nicht alles so gescheitert, wie es manchmal scheint. :-)
Ich denke, Charlotte Roche hat diese Sorte Sinntralala weitaus unterhaltsamer rübergebracht. Und ist dabei, rein biografisch gesehen, sogar noch ein Stück mehr gescheitert.
Read and Meat, hat mir sehr gefallen. Das ist wie write and drink, watch and dine.
Meat in aller Form, auch das sogenannte TV- diner, wird einfach zu selten in lockerleichter Form vorgestellt. Frau Bauerfeind sah schon immer gut aus. Mit ihr, hätte ich auch gerne geplaudert, allerdings nichts dazu geschrieben.
Zum Beispiel über das Zeitmagazin, das uns, so notwendig wie natürlich, wöchentlich auf den Tisch flattert, gehört es doch zu den zwei, drei Magazinen Deutschlands, die letztlich kein ins Scheitern verliebter Vielleser je ungelesen vorbeivögeln sehen sollte.
Post it and forget. Das wäre auch ein neues Motto für den Publizismus um jeden Preis, der nicht mehr linotypisiert sein Ziel findet, -dafür gab und gibt es noch die goldenen Blätter- , sondern zunehmend viral-digital und öffentlich- rechtlich verteilt, den Medienuser anspringt. - Man kann ja nur kritisieren und lieben, was man auch geglotzt, gehört, gelesen, gerochen und begrabscht hat. Ein wirklich großes Dilemma der Menschheit! - Bitte lass´ mich an deinem weißen, schönen Weichbild auch ein Prosastückchen abknabbern. Da wo du, mit deinem beschriebenen Scheitern hingekommen bist, wollen wir alle längst hin. Du bist der Trend, der sich selbst setted.
Ein klein wenig ernsthafter: Vorsichtig mag ich andeuten, dass das Beef dieses Mal deutlich magerer ausfiel als viermal vorher, dass ihm auch ein wenig Schmalz und Würze als Geschmacksträger fehlte.
Ein Beispiel also dafür, sich das Gute vorzunehmen, dann aber, mit einer gewissen geistigen Egalheit von einer der ganz hohen, medialen Priesterinnen Egalias, -egal im wortwörtlichen Sinn-, belohnt zu werden.
Aber man kann sich natürlich auch sagen, dass irgendwann im Leben einer Fortsetzungsserie auch einmal eine Regelblutung eintreten muss, was nicht gegen die Serie und ihre Produzenten spricht, sondern natürlich ist. Schließlich gehört auch ein Adressschildchen und ein Baggage tag auf das Köfferchen.
Ich hab´ schon erkannt, dass Calvani nicht einfach auch noch ein Zuckerschnütchen ziehen wollte.
Weiter
Christoph Leusch
Naja, das Bobo-Gehabe wohl ziemlich sicher ;-). Das heißt aber noch lange nicht, den großen interessanten (und darüber hinaus ziemlich umstrittenen) Bereich der Kultur der neoliberalen Horrshow zu überlassen. Zumal der Überbau ein guter Indikator ist für Stimmungen, Trends und Entwicklungen, die sich in der Gesellschaft tun.
Was für das Bobo-Milieu natürlich ebenso gilt. Nur verwechsert man dort was. Die Latte-Mütter (mitsamt der kulturell meist weniger beflissenen verdienenden Hälfte) meinen halt, sie setzen Trends. Dabei ist es – ganz wertneutral ausgedrückt – lediglich so, dass sie ein Trend sind.
Doch noch drei Sätze zu Bauerfeind. Ich habe gegen sie so wenig wie gegen Roche, Schöneberger oder etwa Engelke (um mal beim klügeren Geschlecht zu bleiben) – auch wenn ich Roche kulturell-personell ergiebiger finde und Engelke witziger. Allerdings beobachte ich seit Jahren die Bemühungen der Öffentlich-Rechtlichen, pseudokritisch-jugendlich aufgetunte Formate auf den Weg zu bringen (wahrscheinlich, um auch 2030 noch GEZ-Gebühren rechtfertigen zu können). Parallel zu beobachten ist, dass diese – meist erst auf den Nischenkanälen ausgetesteten – Formate zwar stets mit jugendkulturellen Rebellions-Versatzstückchen rumspielen (im Grunde sind auch die Redakteure dieser Sendungen allesamt Webdesigner), auf der inhaltlichen Ebene jedoch meist ein Niveau liefern, demgegenüber eine Suppenschüssel richtig schwer Tiefgang hat.
Die Form ist alles, der Inhalt egal – das ist das Elend des aktuellen Journalismus. Bauerfeind ist da keinesfalls eine von den schlimmsten. Allerdings gibt sie ihre – sicher durchaus nette, sympathische und offen rüberkommende – Person dazu her, genau diese Form von inhaltslosem Livestyle-Journalismus konsensfähig, »normal« zu machen. Das wäre sicher noch immer kein Grund, dFC-mäßig mit ihr kein Interview zu machen. Ich habe sogar Verständnis dafür, dass auch ein Interview mal in die Hosen gehen kann (rede da durchaus aus eigener Erfahrung). Allerdings: Wenn ich dieses vor Eso- und Selbstvermarktungs-Spruchblasen überquellende Latte-Macchiato-Geblubber am Stück lesen muß, dann denkt es in mir halt: »Liebes Mädchen – du bist bestimmt in deinem ganzen Leben noch nicht gescheitert.« Gescheitert – also wirklich, echt gescheitert und nicht nur bei der Wahl des letzten Lovers oder des richtigen Senders – sind andere. Charlotte Roche ist ein gutes Beispiel. Warum ist sie bei den Dritten plötzlich raus – nach groß angekündigtem Nachtcafé-Start? Warum hört man nichts mehr von ihr – jedenfalls im TV-Medienbetrieb, in dem sie mal ihr Standbein hatte? Hat man ihr einen Knebelvertrag an die Backe geklebt, oder warum ist sie so sang- und klanglos verschwunden? Ebenfalls gescheitert – jedenfalls nach den Maßstäben des herrschenden fucking Schweinesystems – ist auch Katy Karrenbauer. Die einer RTL-Erfolgsserie als Schauspielerin Glaubwürdigkeit verlieh und nun in der Insolvenz-Hölle schmoren darf. – Danke, liebe Sender, ihr geht soooo toll mit euren Talenten um.
Ebenda Eva Herman – politisch sicher nicht das Gelbe. Aber immerhin jemand, der in seinem Leben für seine Überzeugungen eingestanden ist (und nun eben den Preis zahlt, den das System für Abweichungen fordert). Um diesen Text nicht noch länger zu machen: Die Illusion, dass im Medienbusiness lauter lustige Leute arbeiten, die politisch correct drauf sind und ansonsten alle spritzige Ideen haben, ist in der Tat nicht die meine. Insgesamt freue ich mich daher eher über Texte, die derartige Illusion gar nicht erst befördern. Sondern – wenn schon keine Produktion explizit zu loben ist –dazu beitragen, Zustände kenntlicher, verständlicher zu machen.
Uff, ja – langer Text. Kommentar zur Länge: Offensichtlich doch nicht ganz egal ;-).
Thanks a lot, Madame. And "feinste restweek" (which has another meaning than restwoche, is it so? :-))))))))))
Ich habe Solotos Buch gekauft alle 3 Folgen. Der hat auch ein Buch über das Scheitern geschrieben des von Besserberg und schreibt hier tolle Blogs über sein Scheitern.
Warum schreibt heute eigentliche jede/ jeder, deren/ dessen Gesicht überregional ein wenig bekannter ist, ein Buch?
Ich denke, oft kommen die Verlage auch an und fragen nach einem Buch. Muss man ja nicht alles selbst schreiben. Wobei - Frau Bauerfeind schreibt natürlich selbst.
Nee, nicht subtext, sondern "restweek" bedeutet je eigentlich - wenn mans wörtlich übersetzt: "Rastwoche oder "Ruhewoche".
Der Fuchs weiß mehr als ein Loch. / Es fügt sich alles.
Generation Konfusion Konfuzius!
Ja, an die Proaktivität seitens der Verlage habe ich auch gedacht.
Aber was heißt denn, "Frau Bauerfeind schreibt natürlich selbst"? Wieso "natürlich"?
So gelassen kann man das auch sehen. Mir persönlich wäre aber doch ein bisschen daran gelegen, große Worte für große Gefühle aufzusparen, obwohl es natürlich sehr oft auf die kleinen Dinge ankommt. In diesem Sinne: Danke für die kleine Anmerkung.
Notiere in mein Notizbuch: "Mehr Meat, weniger Trend". Einverstanden. Nur eins noch: Im Zuckerschnütchen ziehen bin ich bei gegebenem Anlass Weltklasse. Wirklich.
Also erstens war's ja gar kein Blut und zweitens weiß ich auf diese Frage auch keine schlüssige Antwort - außer der, dass das Kokettieren mit dem Scheitern offenbar schick ist. Sowas firmiert bei mir auch eher unter Missgeschick und Missverständnis. Menno, dachte, das zumindest hätte ich deutlich gemacht.
Merci, Madame, merci!
Eine Moderatorin schreibt selbst, denke ich gutmütig.
Ah ja, das kann man natürlich annehmen.
Da ja zum Thema passend: Eine schöne Besprechung zum Buch von Katja Kessler im Freitag.
Daran würde ich nie zweifeln, Calvani.
Der Titel des Blogs, wohl ein Bauerfeind- Zitat , "Ich habe groß angefangen", kennzeichnet ein wenig das Dilemma der bestimmt klugen und zu mehr befähigten Medialistin.
Ich glaube, sie sucht nach ein paar Themen, mit denen man nicht nur fernsehprominent bleibt, sondern unter Umständen auch über einen längeren Berufsweg etwas zu sagen hat. Mit dem Thema Scheitern, "lustig- ironisch", literarisch eher eine Freak- Kombination, funktioniert das vielleicht am Verkaufstisch, aber die Art und Weise wirkt so beliebig.
Dabei ist es bestimmt nicht einfach, wenn man praktisch aus dem Stand prominent in der Aufmerksamkeitsökonomie wurde, die dann auch jeden Einfall der Prominenz vermarktet und verwurstet.
Den medialen Affen genderneutral Zucker zu geben, unterhält so manche schlichten Gemüter. Ich glaube aber, für die seelische Ausgewogenheit kluger Menschen, bleibt sowas tendenziell eher ein gefährlicher Abgrund. Die "Sinngebung des Sinnlosen" ist auch individualgeschichtlich nicht einfach, selbst als Promi nicht.
Gutes Wochenende und nur das Beste
Christoph Leusch
Im Versuch, Zusammenfassungen zusammen zu fassen, steckt naturgemäß immer Vereinfachung. Dem auch noch Sinn zu geben also stets auch etwas Pathetisches. In diesem Sinn, Dank für die Würdigung.