Ideenverkäufer

Manipulation Die Süßigkeiten auf Augenhöhe der Kinder im Kassenbereich der Supermärkte sind ein Beispiel dafür. Oder auch die Rolltreppen in den Kaufhäusern, die ...

Die Süßigkeiten auf Augenhöhe der Kinder im Kassenbereich der Supermärkte sind ein Beispiel dafür. Oder auch die Rolltreppen in den Kaufhäusern, die einen flugs nach oben, aber nur auf Umwegen wieder nach unten bringen. Oder die gläsernen Portale der Einkaufspassagen, die die Fortsetzung lebendigen Straßenlebens versprechen, nur unter geregelten klimatischen Bedingungen. Um uns zum Kauf anzustiften, lassen sich die Verkäufer viel einfallen. In Harun Farockis Dokumentarfilm sehen wir sie bei der Arbeit, die "Schöpfer der Einkaufswelten". Beim gemeinsamen Bemühen um die beste aller Konsumwelten müssen sich Architekten, Baustadträte, Verkaufsmanager, Sparkassenvertreter und Marketingberater in ihren Konzepten aufeinander abstimmen. Verkäufer untereinander beim Ideen-Verkauf: Der Innenarchitekt versucht beim Mall-Betreiber mehr Geld für die Umsetzung der "Miami Vice"-Atmosphäre herauszuschlagen, der Brotvertreter kämpft beim Marketingstrategen um mehr Platz im Regal. Von Umsatzsteigerung ist viel die Rede, die schließlich wichtiger sei als die Ästhetik ("Wer Visionen hat, soll auf die Wiese gehen oder in die Psychiatrie") und besonders viel von Zwang: "Der Käufer muss sich wohl fühlen." Jedes Einkaufszentrum ist weniger Architektur als vielmehr Mausefalle.
Farockis Film ist aber mehr als die Einführung in moderne Manipulationsverfahren. Er filmt die Geschäftswelt dort, wo sie ganz bei sich ist: bei "Terminen". Den Zuschauern ermöglicht er dadurch die Praktikanten-Perspektive: Wir verstehen nicht immer alles, was geredet wird, staunen über Begriffe wie cash cow und anchor tenant im Wisssen darüber, dass dies eitle Geschwätz die größten Wachstumsraten hat: Der Großkapitalist der Zukunft ist schließlich der Ideenverkäufer.

Harun Farocki: Die Schöpfer der Einkaufswelten am 21. 7. Um 21.30 auf 3Sat


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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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