Ihr Duell mit dem Klavier

Ausstellung Die selbstbewusste Wanda Landowska drückte der Musikwelt ihren Stempel auf - in Eisenach erinnert eine Ausstellung an die Grande Dame am Cembalo

Die Frau hat Nerven. 1910 reist die polnische Pianistin Wanda Landowska zum Bachfest nach Duisburg. Dort vertritt sie vor versammelter Mannschaft der Neuen Bachgesellschaft die steile These, dass Bach auf dem Cembalo statt auf dem Klavier gespielt werden müsse. Ihre These stößt bei den Gralshütern des Bachschen Erbes auf Widerstand, gilt das historische Tasteninstrument doch als verstaubt und blass im Klang. Um die Interpretationshoheit des Klaviers zu beweisen, lädt die Vereinigung Landowska im Jahr darauf zum musikalischen „Duell zwischen Cembalo und Fortepiano“ nach Eisenach. Zeitzeugen berichten, dass der Beifall nach dem Schlagabtausch im Konzertsaal eindeutig auf Seiten der Polin ist.

Wie damals um den richtigen Klang in der Alten Musik gestritten wurde, zeigt die Sonderausstellung Erinnerungen an Wanda Landowska im Bachhaus in Eisenach. Im Mittelpunkt steht die selbstbewusste Künstlerin mit der Attitüde einer Diva, die der Musikwelt ihren Stempel aufdrückte. Landowska habe ihre „Konzerte als theatralische Ereignisse inszeniert“, sagt der Direktor des Bachhauses, Jörg Hansen. Sie sei einer der ersten weiblichen Stars der klassischen Musik gewesen, mit „Mut zur Polemik“. „Sie ist eine Figur, auch in ihrer Internationalität, vor der man nur in Ehrfurcht erstarren kann“, fügt er hinzu.

Unermüdliche Musikerin

Landowska entstammt einer gut bürgerlichen Familie jüdischer Herkunft, die zum Katholizismus konvertiert ist. Mit vier Jahren beginnt sie, Klavier zu spielen. Mit 16 nimmt sie Privatunterricht in Berlin. Der Teenager himmelt Bach wie einen Popstar an: „(...) wenn ich Bach spiele, weine ich vor Erregung“, schreibt sie in ihr Tagebuch. 1903 lebt die 24-Jährige mit ihrem Ehemann, dem polnischen Journalisten Henri Lew, in Paris. Sie hat bereits einen Agenten sowie einen Exklusivvertrag mit dem französischen Klavierbauer Pleyel, der nach Anweisung Landowskas ein Instrument anfertigt, das an Bachs Cembalo heranreicht. Damit ist die Musikerin unermüdlich auf Achse. 1913 wird sie in Berlin die „weltweit erste Dozentin für Cembalo an einer Musikhochschule“. 1925 eröffnet sie eine eigene Schule für Alte Musik nahe Paris. Wegen ihrer jüdischen Abstammung muss sie 1940 in die USA auswandern. Dort setzt sie ihre Karriere mit Unterricht, Konzerten und Bach-Einspielungen bis zu ihrem Tod im August 1959 fort.

Die Ausstellung in Eisenach schildert auf Texttafeln in hellem Violett private und berufliche Züge der enthusiastischen Cembalistin, die sich bis zu ihrem letzten öffentlichen Konzert 1954 zu vermarkten wusste. Die Schau visualisiert auch die anheimelnde Atmosphäre ihrer Auftritte: Um ein mintfarbenes Pleyel-Cembalo, das wie ein Törtchen auf dem Teppich steht, ist ihr typisches Ensemble aus Stehlampe, Lehnstuhl mit Rückenkissen und dunkelgrünen Samtschlappen arrangiert. Hörstationen mit Musik von Bach in Cembalo- und Klavierversion geben die Möglichkeit zum Vergleich. Landowska kultivierte in ihrer Interpretation ein Markenzeichen in Klang und Haltung. Letzteres ist auf Porträts und Karikaturen schön zu erkennen: Ihre Hände glitten krallenartig über die Manuale des Instruments. Dass einige Manierismen der Grande Dame am Cembalo auf ihre Kurzsichtigkeit zurückzuführen sind, erfährt der Besucher der Ausstellung nebenbei.

Erinnerungen an Wanda Landowska Sonderausstellung Bachhaus Eisenach, bis 13. November 2011, bachhaus.de

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