Am Wochenende war in Granada der Schriftsteller Dogan Akhanli (60) festgenommen worden, der gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin seinen Urlaub in Spanien verbringen wollte. Die Polizei drang morgens in sein Hotelzimmer ein und nahm ihn fest. In Deutschland sorgt der Fall für Empörung. Akhanli hat die deutsche und keine türkische Staatsangehörigkeit. Inzwischen wurde Akhanli von einem Gericht zunächst wieder auf freien Fuß gesetzt. Er darf Spanien aber nicht verlassen.
Akhanli befasst sich in seinem Werk intensiv mit den Menschenrechten und deren Verletzung in der Türkei. Bereits in den Achtzigern war er deshalb für zwei Jahre inhaftiert und flüchtete 1992 nach Deutschland. Seither lebte er in Köln und Berlin. Er schrieb mehrere Romane
n. Er schrieb mehrere Romane und Theaterstücke, in seinem Buch „Die Richter des jüngsten Gerichts“ thematisierte er den Völkermord an den Armeniern. Für sein Engagement wurde Akhanli bereits mehrfach mit renommierten Kulturpreisen geehrt. Zuletzt wirkte er bei der Inszenierung des vielbeachteten Stückes "Istanbul" von Nuran David Calis mit, das die aktuelle Spaltung in der türkischen Gesellschaft thematisiert.Wenige Stunden nach der Nachricht von der Festnahme Dogan Akhanlis schaltete sich auch das Auswärtige Amt ein. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) versucht zu verhindern, dass Akhanli aus Spanien an die Türkei ausgeliefert wird. Gabriel ist am Samstag in Spanien, um seine seine Solidarität nach dem verheerenden Terroranschlag am vergangenen Donnerstag auszudrücken.Akhanli bereits 1998 aus Türkei ausgebürgertZuletzt wurde Akhanli 2010 bei der Einreise in Istanbul festgenommen, weil man ihm vorwarf, an einem Raubüberfall im Jahr 1989 beteiligt gewesen zu sein, was sich als haltlos erwies. Am Ende eines langen Schauprozesses wurde er freigesprochen. Allerdings wurde dieser Freispruch drei Jahre später wieder aufgehoben. Der damalige erneute Haftbefehl ist die Grundlage für die jetzige Festnahme. Weggefährten Akhanlis sowie deutsche Politiker hatten das Vorgehen der türkischen Behörden gegen den Schriftsteller als politisch motiviert verurteilt. Akhanli saß von 1985 bis 1987 in der Türkei in Haft. Er wurde 1998 von der Türkei ausgebürgert und hat seitdem nur noch die deutsche Staatsangehörigkeit.„Ich bin entsetzt“, kommentiert die SPD-Politikerin Lale Akgün, die Akhanli seit vielen Jahren kennt, die Festnahme. „Es ist absurd, diesen Menschen erneut so zu quälen. Was ihm unterstellt wird ist haltlos.“ Es ist nicht der erste derartige Fall. Erst in der vergangenen Woche hatten die spanischen Behörden den türkisch-schwedischen Journalisten Hamza Yalcin in Barcelona während seines Urlaubs verhaftet. Akgün: „Die AKP versucht mit allen Mitteln, irgendwie ihre Kritiker unter Kontrolle zu bringen. Sie versuchen, Angst zu verbreiten." Es sei ein Machtspiel. Erdogan versuchte, so viele Leute wie möglich festzunehmen – in der Hoffnung, sie später gegen vermeintliche Putschisten und Gülen-Anhänger austauschen zu können.„Müssen wir uns vor einem Urlaub nun erst erkundigen, ob ein internationaler Haftbefehl gegen uns vorliegt oder davor, auf offener Straße entführt zu werden?“Akgün übt in dem Zusammenhang auch scharfe Kritik an den spanischen Behörden. Es dürfe nicht sein, dass ein EU-Land politisch motivierte Haftbefehle aus der Türkei umsetze. „Diese Haftbefehle müssen vorab auf ihre rechtsstaatliche Legitimierung hin überprüft und gegebenenfalls abgewiesen werden.“ Es sei nicht hinnehmbar, dass Kritiker der türkischen Regierung sich auch innerhalb der EU nicht mehr sicher fühlen können. „Müssen wir uns vor einem Urlaub nun erst erkundigen, ob ein internationaler Haftbefehl gegen uns vorliegt oder davor, auf offener Straße entführt zu werden?“ fragt sie.„Die jetzigen Festnahme zeigt den Versuch Erdogans, seine Macht über die Grenzen seines Landes hinaus auszudehnen und weltweit gegen unliebsame und kritische Stimmen vorzugehen“, sagt Akhanlıs deutscher Rechtsanwalt Ilias Uyar aus Köln. „Der Haftbefehl ist eindeutig rechtsmissbräuchlich. Ich fordere die sofortige Freilassung meines Mandanten.“ Uyar ist auch mit der deutschen Botschaft in Barcelona in Kontakt. Akhanli soll im Laufe des Tages von Granada nach Madrid gebracht werden. Dort wird wahrscheinlich darüber entschieden, ob er an die Türkei ausgeliefert wird.Am Sonntag erschien Dogan Akhanli morgens in Madrid vor Gericht, begleitet von seinem Anwalt Ilias Uyar. Die Anhörung endete mit einer Freilassung unter Auflagen: Er darf Madrid vorerst nicht verlassen. Die türkischen Behörden müssen ihr Auslieferungsgesuch nun binnen 40 Tagen begründen. Ob Akhanli so lange in Spanien bleiben muss, ist noch unklar. Der deutsche PEN, ein Autorenverband dessen Mitglied Akhanli ist, forderte seine umgehende Freilassung.Das Regime von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan geht seit dem Putschversuch von 2016 mit massiver Gewalt gegen Oppositionelle und Kritiker vor. Mehr als 55.000 Menschen wurden seither verhaftet, darunter fast 180 Journalisten.Der Text wurde letzmals am 20. August um 14:00 Uhr aktualisiert