Im Gefühlsstau

Kommentar PDS-Sonderparteitag zum Irak-Krieg

Parteiinterne Differenzen spielten höchstens in Nebensätzen eine Rolle. Konsens war: Bushs und Blairs Krieg ist völkerrechtswidrig, man müsse alles dafür tun, ihn sofort zu stoppen. Alles notwendig und legitim, aber rechtfertigte das einen Sonderparteitag? Alle bisherigen PDS-Äußerungen zum Thema sind eindeutig.

Es konnte also nur darum gehen, Ursachenforschung mit Überlegungen für künftige Kriegsvermeidung zu verbinden und daraus Schlussfolgerungen für die PDS selbst, vor allem aber für ihren Part in anderen friedensbewegten Strömungen zu ziehen. Niemand mache sich die Mühe, noch Vorwände für diesen Krieg zu finden - es gehe um eine Lex Americana, so André Brie, die es erlaube, über die Ressourcen der Welt zu verfügen und dabei auf möglichst wenig Widerstand zu stoßen. Diesem Ziel über internationale Verträge näher zu kommen, sei zeit- und geldaufwendig, außerdem nicht erfolgversprechend genug, gelte daher als Abraum des vergangenen Jahrhunderts.

Wolfgang Gehrke, außerpolitischer Sprecher der PDS-Vorstandes, warf einen Gedanken in die Debatte, der leider nicht diskutiert wurde: Ob sich hinter der Angriffsideologie nicht die Angst vor dem Untergang des bisherigen kapitalistischen Systems verbirgt, dessen Zukunftsangebote nicht mehr realisierbar, dessen Ideologie antizivilisatorisch und deshalb nur noch mit militärischem Terror durchsetzbar sind. Und der Verfassungsrechtler Norman Paech beschrieb das Kalkül der »Zerstörung des eigenen Werks UN-Charta und der auf ihr aufbauenden Völkerrechtsordnung« - dagegen sollte man sich wehren. Eine einzelne Partei jedoch wird dazu kaum in der Lage sein. Wie also kann man widerstehen, wenn selbst eine weltweite, Millionen zählende Protestbewegung einen Irak-Krieg nicht verhindern kann? Folglich muss nach Mobilisierungsmöglichkeiten gefragt werden. Es reicht nicht, dem Vorwurf des Anti-Amerikanismus durch die Beteuerung von Verbundenheit mit den US-Verteidigern von Demokratie und Frieden zu begegnen und eine gestärkte Rolle der UNO zu verlangen. Man sollte wenigstens versuchen, Ideen anzubieten, wie künftig Aggressionen erfolgreich verhindert werden können. Der PDS-Kongress beschwor die Brücken zu Friedens- und Menschenrechtsorganisationen wie den hohen Mobilisierungsgrad vor allem junger Menschen bei jüngsten Protesten. Allerdings muss hinzugefügt werden: neben der PDS. Jüngere haben eigene Vorstellungen davon, was für sie unverzichtbar ist. Sie tendieren eher zu Umwelt- und Friedensgruppen als zu Parteien. Die PDS bestätigt diesen Trend. Ihr Gegenentwurf zum Versuch Frankreichs und Deutschlands, die NATO aufzurüsten und als eigenständige Interventionsmacht zu profilieren, war kaum erkennbar. Immerhin gab es die Anregung von André Brie, über eine europäische Linkspartei nachzudenken, die Kräfte bündelt, wenn der Friedensbewegung der massenhafte Zulauf nach dem Irak-Krieg wieder abhanden kommt.

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