Der deutsche Adler im Anflug auf den gallischen Hahn, der aufgeregt gackert, mit den Flügeln schlägt und das Unheil nicht abwenden kann. Für Karikaturisten ist dieses Motiv so begehrt, als verdiente das deutsch-französischen Management der Eurokrise nichts mehr als diesen notorischen Wahrnehmungsreflex. Der Kesselpauker aus dem Elysée marschiert in der Kappell‘, im Gleichschritt langsam oder schnell und liefert den gedämpften Ton. Vornweg der Tambour-Major, besser die Majorin. Ist der Präsident Frankreichs in eine Juniorpartnerschaft geraten, weil es eine deutsche Kanzlerin so will?
2011 wurde die deutsch-französische Beletage in der Eurozone derart gründlich umgeräumt, dass der Eindruck entstand, die Pariser Spitzendiplomatie k&
lomatie könne ihren kerneuropäischen Part nur noch spielen, falls sie sich ergeben und ehrfurchtsvoll an Deutschland bindet. Die Erinnerung daran ist noch frisch, wie Präsident Nicolas Sarkozy vor dem EU-Gipfel am 8./9. Dezember deutschen Vorgaben die Gefolgschaft nicht versagen wollte – oder konnte. Er stimmte zu, den Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) von 2013 auf Mitte 2012 vorzuziehen, weiterhin auf Eurobonds zu verzichten und in der Eurozone künftig automatisch Sanktionen zu verhängen, sobald Schuldensünder ausgemacht sind. Fast unbeachtet blieb, dass sich die deutsche Seite gegenüber Paris zudem mit Verdikten durchgesetzt hat, die vor gut einem Jahr im Entwurf des Berliner Kanzleramtes zu einem Europäischen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit standen: das Renteneintrittsalter dem demografischen Trend anzupassen, die Löhne nicht wie selbstverständlich an Inflationsraten zu binden, eine nationale Krisenprävention für Banken zwingend einzuführen – die Bundesregierung ist ja gerade dabei, den Bankenrettungsfonds SoFFin von 2008 zu reanimieren – und eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer zu haben. Das ist Leadership in Reinkultur mit dem herben Duft der Unerbittlichkeit. An dieser Geschäftsgrundlage des deutsch-französischen Miteinanders wird Sarkozy in der Restlaufzeit seiner Präsidentschaft bis Mai nicht mehr groß rütteln können. Er wirkt ohnehin wie ein Staatschef auf Abruf.Das Triple AAAIm Streit der Paradigmen – hier die deutsche Vorliebe für Ordnungspolitik und Stabilitätsdogmen, dort die französischen Prioritäten Wachstum und Wohlstand – gab es 2011 eine krisenbedingte Vorentscheidung. Sie ist dem maßgeblichen Beschluss jenes Dezember-Gipfels der EU zu entnehmen: Man einigte sich darauf, einen Fiskal-Pakt zu schließen und die haushaltspolitische Souveränität der Länder zu opfern, die europäische Hilfen für den nationalen Schuldenabbau benötigen. Wenn das greift, kann nicht viel übrig bleiben von Frankreichs etatistischer Wirtschaftsphilosophie, die das Recht des Staates, sich für die Konjunktur in die Pflicht nehmen zu lassen, vehement verteidigt – und freilich dabei schon jetzt auf verlorenem Posten steht.Die französischen Staatsschulden liegen augenblicklich bei 82,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes oder 1,59 Billionen Euro. Zwar verlief die in der vergangenen Woche fällige Platzierung langfristiger Staatsanleihen an den Finanzmärkten zunächst reibungslos, was wohl der Laufzeit von zehn Jahren geschuldet ist. Doch ein denkbarer Verlust des Pariser AAA-Ratings ist damit kaum gebannt. Einem Präsidenten im Wahlkampf würde ein solches Down-Rating die sichere Gewähr dafür bieten, dass auch die eigene politische Bonität verfällt.Ein Paukenschlag des Kesselpaukers täte also not. Gut in Erinnerung sind noch die Zeiten, als sich Sarkozy während der französischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008 als Krisen-Dompteur empfahl und zögerlichen Deutschen die Leviten las. Das US-Geldhaus Lehman Brothers war kaum in Konkurs gegangen, da lud der Elysée schon zu einem Vierer-Gipfel nach Paris, um eine konzertierte Aktion mit Deutschland, Großbritannien und Italien zur staatlichen europäischen Bankenfinanzierung ins Werk zu setzen. Nur konnte Bundeskanzlerin Angela Merkel dem wenig abgewinnen und vertraute lieber auf einen deutschen Sonderfonds zur Finanzmarktstabilisierung (SoFFin), der sich mit 480 Milliarden Euro – ohne EU-Beistand – großzügig ausgestattet fand. Wenn schon keine EU-weite Banken-Sanierung, dann sollte es wenigstens ein gemeinsames EU-Konjunkturprogramm geben, drängelte Paris und wurde auch hier von Berlin geblockt. Mäßig galant resümierte Sarkozy Ende November 2008 nach einem Elysée-Termin mit Merkel über Anti-Krisen-Hilfen: „Frankreich arbeitet daran – Deutschland denkt darüber nach.“Der StrohhutDie Pointe ließe sich derzeit wieder ins Repertoire nehmen, denn in seiner Neujahrsansprache hat Sarkozy nun tatsächlich mutig zum Paukenschlag ausgeholt und verkündet, Frankreich wolle eine Finanztransaktionssteuer notfalls ohne die EU-Partner einführen. Am 6. Januar berichtete die Zeitung Libération, der Elysée gedenke diese Abgabe auf Finanzgeschäfte „sehr bald“ zu dekretieren. Man wolle das gern gemeinsam mit der Bundesrepublik tun, doch wenn es sein müsse auch ohne sie. An dieser Position scheint sich nach dem Berliner Gipfel zu Wochenbeginn wenig geändert zu haben. Merkel ließ zwar erkennen, dass sie sich dieser Placebo-Politik in Sachen Börsensteuer, die momentan mit einer Eindämmung der Eurokrise so gut wie nichts zu tun hat, durchaus anschließen würde – allerdings mit dem Hinweis, sie müsse auf ihren Koalitionspartner Rücksicht nehmen.Doch sollte auch Sarkozy wissen, wie schwer ihm dieser Strohhut („Gegebenenfalls wir allein!“) im Wahlkampf noch werden kann. Schon einmal hatte er sich zusammen mit seiner damaligen Wirtschaftsministerin Christine Lagarde, heute IWF-Direktorin, als avantgardistischer Solist im Dienste Europas inszeniert, da es 2010 um das Projekt einer Europäischen Wirtschaftsregierung ging. Seinerzeit sollten ausschließlich die 17 Staats- und Regierungschefs der Eurozone für dieses Gremium zugelassen sein. Die Bundesregierung reagierte ungehalten ablehnend, um dann kundzutun, sollte man einem solchen Projekt je näher treten, dann nur, falls es die EU in Gänze erfasse. Als im Februar 2011 ein Europäischer Rat in Brüssel darüber befand, entschied er im Sinne der deutschen Regierungschefin. Der Elysée war zuvor schon mit der Idee abgeblitzt, so etwas wie ein eigenes Sekretariat der Eurozone zu errichten – das roch allzu sehr nach dem Versuch, der Europäischen Zentralbank Konkurrenz zu verschaffen. Für einen Wahlspot mit den Best of Sarko taugt die Europäische Wirtschaftsregierung längst nicht mehr. Wird es mit der Finanztransaktionssteuer je anders sein?