Während Angela Merkel am Montag eine Wende in der Atompolitik ankündigte, deutete sich zeitgleich in einem Bundestagsausschuss ebenfalls ein Wendemanöver an – wenn auch kein so spektakuläres. Der unter Schwarz-Gelb neu gebildete „Unterausschuss Zivile Konfliktprävention und vernetzte Sicherheit“ hatte sechs in ziviler Konfliktbearbeitung tätige Nichtregierungsorganisationen zu einer Anhörung geladen.
Die erste Überraschung war eine Abstimmung, die eine satte Mehrheit für einen SPD-Antrag ergab. Dieser fordert die Bundesregierung auf, die internationalen Aktivitäten von Friedensfrauen stärker zu unterstützen und einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der entsprechenden UN-Resolution 1325 („Frauen, Frieden und Sicherheit“) einzurichten. CDU und FDP hatten sich bislang beharrlich dem Ansinnen verweigert. Doch nun stimmten sie zu. Die frühere SPD-Forschungssministerin Edelgart Bulmahn war sichtlich perplex über die neue schwarz-gelb-rot-grüne Mehrheit für ihren Antrag.
Die zweite Überraschung: Ausgerechnet Mitglieder des Unterausschusses für vernetzte Sicherheit stellten das Paradigma der „vernetzten Sicherheit“ in Frage – wenn auch vorsichtig. „Vernetzte Sicherheit“ wurde zuletzt zum Synonym für zivil-militärische Kooperationen und taucht als solches auch im „Weißbuch“ der Bundeswehr auf.
„Vernetzte Sicherheit“ klingt gut, ist in der Praxis aber extrem schädlich – so jedenfalls das einhellige Fazit der Friedensorganisationen. Vom „Forum Menschenrechte“ bis zum Dachverband deutscher Entwicklungsorganisationen VENRO betonten nun alle Geladenen, dass Friedensarbeit nur in strikter Trennung zum Militär funktionierten. Die Tendenz verläuft aber seit Jahren genau andersherum: Entwicklungshilfe in Afghanistan und anderswo soll militärische Ziele flankieren. „Das Konzept der Vernetzten Sicherheit oder des im Rahmen der NATO entwickelten Comprehensive Approach ist ein aus der militärischen Perspektive entwickeltes Sicherheitskonzept zur koordinierten Aufstandsbekämpfung“, kritisierte etwa VENRO. „Niemand hält am Wort vernetzte Sicherheit fest“. Eine „Verengung auf die zivil-militärische Zusammenarbeit“ sei vom Ausschuss nicht gewollt, entgegnete hier plötzlich der Unterausschussvorsitzende Joachim Spatz (FDP). Und der CDU-Abgeordnete und Oberst a.D. Roderich Kiesewetter äußerte sich „dankbar“ für die klare Kritik von VENRO.
Ist jetzt eine neue, mehr aufs Zivile und Präventive ausgerichtete Außenpolitik zu erwarten? Das nun sicher nicht, die Situation ist widersprüchlich. Obwohl in Deutschland eine weltweit einmalige Landschaft von Organisationen ziviler Konfliktbearbeitung aufgebaut und 2004 ein Aktionsplan zivile Krisenprävention verabschiedet wurde, haben seitdem alle Regierungen diese Struktur vernachlässigt. Andererseits wurde mit dem neuen Unterausschuss das Thema aufgewertet. Alle Parteien im Hearing forderten jetzt unisono: Der Wert von Krisenprävention müsse verstärkt und besser medial vermittelt werden.
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