Selbst die zuletzt verabschiedeten Wahlgeschenke halfen nicht: Trotz Rentenbonus, Steuersenkungen sowie -stundungen lag Syriza bei den Kommunal- und Europawahlen Ende Mai mit 23,7 Prozent weit hinter der konservativen Nea Dimokratia, die 33,1 Prozent einfuhr und in fast allen Regionalpräfekturen gewann. Parteichef und Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte die Wahlen zum Vertrauensvotum über seine Regierung erklärt – nun musste er seinen Plan, bis zum Ende der regulären Legislaturperiode im September durchzuregieren, aufgeben (der Freitag 24/2019). Am 7. Juli wählt Griechenland ein neues Parlament, Prognosen zufolge werden bis zu sieben Parteien den Einzug schaffen.
Freudentränen wegen früher
Klarer Favorit ist Nea Dimokratia. Seit den verheerenden Waldbränden des vergangenen Sommers in Mati (der Freitag 31/2018), bei denen 101 Menschen starben, liegt die größte Oppositionspartei in Umfragen weit vor Syriza, derzeit bei 36 Prozent, Syriza bei 27. Zu enttäuscht sind die Wähler über die Realpolitik der Regierungspartei. In einer Umfrage waren 51 Prozent der Meinung, der Staat funktioniere schlechter als vor fünf Jahren. Vor allem über die hohe Steuer- und Abgabenlast herrscht große Unzufriedenheit. Kein Wunder, dass Nea-Dimokratia-Chef Kyriakos Mitsotakis ganz auf die Wirtschaft setzt. Er will die Mittelschicht entlasten, Privatisierungen vorantreiben, Investitionskapital anziehen, den Staat modernisieren und verkleinern – kurz, die Rolle der öffentlichen Hand beschneiden.
Sollte Nea Dimokratia stärkste Kraft werden, erhielte sie zudem einen Bonus von 50 Extra-Sitzen: eine Regelung, welche zwar die Regierungsbildung erleichtert, allerdings auch die Herrschaft der traditionellen Klientelparteien jahrzehntelang zementiert hat. Ohne absolute Mehrheit ist KINAL ein möglicher Koalitionspartner.
KINAL (Bewegung des Wandels), wurde 2018 gegründet und ist ein Zusammenschluß aus Überresten der sozialistischen PASOK und der von Ex-PASOK-Chef Jorgos Papandreou ins Leben gerufenen Bewegung KIDISO. Bereits der Vater der KINAL-Vorsitzenden Fotini Gennimata diente als Minister im Kabinett von PASOK-Gründer Andreas Papandreou. KINAL kann mit sieben Prozent rechnen. Zu ihren Wählern zählen unerschütterliche PASOK-Anhänger und jene Rentner, denen noch heute Freudentränen in die Augen schießen, wenn sie an die Wahlgeschenke der Regierungen von Andreas Papandreou denken.
Indessen sieht die Neonazi-Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) einem Resultat von vier Prozent entgegen. Das sind drei weniger als bei den letzten Wahlen. Auch bei den Europa- und Kommunalwahlen hat sie starke Einbußen hinnehmen müssen. Viele ihrer Sympathisanten haben sich der neuen, ultranationalen Partei Elliniki Lysi (Griechische Lösung) zugewandt, die 2016 gegründet wurde und bei den Wahlen Ende Mai aus dem Stand heraus 4,2 Prozent erzielte. Parteichef Kyriakos Velopoulos, 54, Journalist, Telemarketingverkäufer und Verschwörungstheoretiker ersten Ranges, weiß wie Griechenlands Probleme zu lösen sind: Einführung der Todesstrafe, Mauerbau und Minenfelder entlang der Grenze zur Türkei sowie eine enge Bindung an Russland. Velopoulos träumt von einer Großmacht Griechenland an deren Spitze der König steht. Er glaubt an die „Auserwählung des griechischen Volkes“, an die „Reinheit griechischer DNA“ und das orthodoxe Christentum. Als seinen spirituellen Führer bezeichnet er den Propaganda-Chef der griechischen Militärdiktatur, Georgios Georgalas. Velopoulos ist bekannt wie ein bunter Hund, in seinen Teleshopping-Sendungen verkaufte er alles, was es nicht gibt, Mittel gegen Haarausfall und Kopien handgeschriebener Briefe von Jesus Christus.
Frieden mit Mazedonien
Während die Kommunisten wieder ins Parlament einziehen werden, treten Syrizas ehemaliger rechtspopulistischer Koalitionspartner ANEL wie die linksliberale Partei To Potami gar nicht mehr erst an. Gute Chancen hat derweil Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis. Seiner MeRa25, griechischer Wahlflügel der europäischen Bewegung DiEM25, werden 3,5 Prozent eingeräumt. Jede Stimme für Syriza sei eine verlorene, polemisiert Varoufakis. Tsipras kontert: Varoufakis werde vom „System“ unterstützt, um Syriza zu schwächen.
Auf der Habensseite der Regierungspartei steht, trotz der Auflagen der Kreditgeber einige Korrekturen an den Sparprogrammen vorgenommen zu haben: Anhebung des Mindestlohns, Wohngeldzulagen für bedürftige Familien, erleichterte Schuldentilgung, Rentenerhöhungen statt der mit der Troika vereinbarten -kürzungen, Einführung elementarer Krankenversorgung. Die Arbeitslosenquote ist gesunken, allerdings verdienen ein Viertel der im privaten Sektor Beschäftigten weniger als 500, ein Zehntel gar weniger als 250 Euro im Monat. Derweil wird die Beilegung des Namensstreits mit Mazedonien der griechischen Regierung in Europa hoch angerechnet, in Griechenland dagegen lehnt eine Mehrheit sie ab – das kostet Syriza viele Stimmen.
2015 war die Regierungskoalition aus Nea Dimokratia und PASOK abgewählt worden, weil die Mittelschicht jede Hoffnung auf Besserung ihrer wirtschaftlichen Lage verloren hatte. Jetzt, vier Jahre später, wählt die Mittelschicht aus genau demselben Grund Syriza ab. Syriza versprach die Erneuerung des Landes und seines politischen Systems – doch Intransparenz, eine ineffiziente Verwaltung, langsame Justiz, Korruption, Klientelismus und Mediokratie leben fort. Anstatt der Jungen, Armen und Arbeitslosen werden am 7. Juli die Kleinunternehmer, Akademiker, Handwerker und Händler (Selbständige machen mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze aus ) entscheidend sein – und wohl wie 2015 eine Regierung abwählen, weil sie sich von ihr mittels Steuern geschröpft fühlen.
Kommentare 9
»Syriza steht vor der Abwahl – obwohl die Regierungspartei durchaus Erfolge im Kampf gegen die Sparpolitik erzielt hat.«
Alexis Tsipras erhält, was er verdient hat, trotz der zuletzt verabschiedeten Wahlgeschenke.
Nach vier Jahren im Amt sitzt Griechenland noch immer auf einem so großen Berg von Schulden, die aller Voraussicht nach niemals bezahlt werden können und die es abhängig halten von der Willkür des Kartells der EU-Regierungen, die die EU darstellt.
Alexis Tsipras ist nur durch seine Manipulation der unterschiedlichen Mehrheiten im griechischen Parlament noch im Amt. Auch seine ursprüngliche Mehrheit beruhte im Übrigen auf 50 Bonus-Mandaten, die er nicht durch die Wahl erworben, sondern durch das griechische Wahlrecht geschenkt bekommen hat.
Mit seinem Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten im August 2015 wollte er sich von jenen 39 SYRIZA-Abgeordneten trennen, die in den vorausgegangenen Wochen gegen die Entscheidungen seiner Regierung in der Finanzkrise gestimmt hatten. Das Raffinierte zudem: Laut griechischer Verfassung werden die Kandidaten für das Parlament bei Wahlen innerhalb von achtzehn Monaten nach der letzten Wahl nicht mittels Direktkandidatur, sondern mithilfe von Listen ausgewählt. Und die Rangfolge der Kandidaten dieser Listen festzulegen, ist Vorrecht der jeweiligen Parteivorsitzenden. – Von Alexis Tsipras in diesem Fall für SYRIZA.
Darum auch der eilige Neuwahltermin 20. September 2015: Tsipras konnte sich auf diese Weise der innerparteilichen Gegner mit den Neuwahlen auf einfache Weise entledigen.
Konsequenter kann man sich kaum für die monetären Machthaber einsetzen.
Seine Ernte heute – vier Jahre später: Das "gelungene Sparprogramm" in Griechenland:
Griechenland kürzte die Renten um durchschnittlich 45 Prozent. Griechenland erhöhte die Steuern und das Renteneintrittsalter. Griechenland entließ Hunderttausende Bedienstete beim Staat.
Die meisten Menschen haben rund ein Viertel ihres Einkommens verloren. Jeder Fünfte ist arbeitslos, gut 400.000 gut ausgebildete meist junge Menschen, darunter viele Ärzte und Ingenieure, sind ausgewandert.
Alle Achtung vor den alten Griechen, aber leider: Die heutigen Griechen sind so dumm.
Viele Grüße
Ich muss mich sehr wundern, dass Ihre offen rassistische Aussage von der Redaktion geduldet wird.
Sicherlich: Der Regierung lassen sich viele Vorwürfe machen. Einer der größten Kritiker ist Varoufakis. Und seine Konsequenz war es die Regierung zu verlassen (und zu spalten) im Angesicht der heraufkommenden Sturms. Nun dümpelt er mit DIEM/25 vor sich hin.
Was wollen Sie eigentlich ? Meinen Sie wirklich, dass die Regierung auch nur den kleinsten Spielraum für tiefgreifende Reformen gehabt hat, bei all den Feinden im In- und Ausland? Die Regierung stand in einem Abwehrkampf gegen die politischen Kräfte inerhalb Griechenland, dem Medienapparat, der EVP Mehrheit in Europa etc., den sie mittelfrtistig nicht gewinnen konnte und immerhin: Sie hat die Regelung abegschafft, die besagt, dass die stärkste Kraft einen Stimmenbonus bekommt. Sie hat versucht die sozialen Verwerfungen abzumildern. Was kann man dieser Regierung am Ende vorwerfen ? Den Staatsapparat nicht umgebaut zu haben? dafür brauchen Sie erst einmal kompetentes Personal: Woher nehmen Sie dieses Personal?
Diese Regelung will die ND nach Ihrem Wahlsieg wieder kassieren: Sie werden dann sehen, was den Unterschied macht. Den die ND steht für einen rechten Neoliberalismus.
Varoufakis – der Spalter? Welches Prädikat haben Sie denn dann für Herrn Tsipras?
Alexis Tsipras hatte versprochen, die Kreditverträge mit den Gläubigern zu zerreißen, und in Griechenland hatte die Mehrheit der Bürger 2015 gegen neue Austeritätsauflagen gestimmt. Wäre Premier Alexis Tsipras diesem Bürger-Votum gefolgt, hätte der Austritt aus der Eurozone gedroht. Letztlich ignorierte der Regierungschef das Referendum und beraubte sich selbst aller Möglichkeiten.
Alexis Tsipras war durch seine Wahl im Januar 2015 mit einem komfortablen Mandat gegen die Austeritätspolitik ausgestattet gewesen und wurde durch das Referendum am 5. Juli 2015 hierin erneut überzeugend bestätigt.
Doch eine Woche später unterwarf sich Griechenlands Premier mit der "einstimmigen Einigung" vom 12. Juli 2015 völlig ohne Not wesentlich härteren Sparauflagen als jenen, die 61 Prozent der griechischen Bevölkerung in ihrem Referendum abgelehnt haben.
Alexis Tsipras hatte dieses Referendum selbst bewirkt und agitierte das griechische Parlament paradoxerweise schließlich, dieses Ergebnis am 15. Juli 2015 zu ignorieren und stattdessen den Austeritätsauflagen von Merkel/Schäuble/Dijsselbloem & Co. zuzustimmen. Und – man höre und staune – das Parlament folgte seinen empörenden Empfehlungen! –
Allerdings mit einem, alles schicksalhaft veränderndem Wermutstropfen:
!!! Insgesamt 39 Parlamentarier der SYRIZA-Fraktion verweigerten die Zustimmung, während die früheren Regierungsparteien Tsipras zur Mehrheit verhalfen. !!!
Alexis Tsipras war u. a. ausgezogen, um die Gläubiger-Troika wegzujagen, kam stattdessen jedoch mit einer Institution-Quadriga (»the institutions representing creditor interests«, Paul Krugman) zurück. Tsipras hat sich entgegen seiner vorlauten Ankündigung deren Kuratel unterworfen. Die griechische Regierung musste ihre Hausaufgaben also weiterhin unter Oberaufsicht der Gläubiger-Quadriga verrichten – welch eine Demütigung. Sie wurde lt. Erklärung des Brüsseler Euro-Gipfels vom 12. Juli 2015 ab sofort verpflichtet,
!!! "die Institutionen zu sämtlichen Gesetzesentwürfen in relevanten Bereichen mit angemessenem Vorlauf zu konsultieren und sich mit ihnen abzustimmen, ehe eine öffentliche Konsultation durchgeführt oder das Parlament befasst wird." !!!
Wolfgang Schäuble hat uns in diesem Zusammenhang damals wissen lassen, dass er eher zurücktrete, als dass er gegen seine Überzeugungen handelt. Nicht so Alexis Tsipras, der vollzieht lieber einen Salto.
Salto für eine Politik, von der Tsipras selbst vorgibt, dass er nicht hinter ihr steht! Ein schmutziger Salto mortale für seine SYRIZA-Partei, mit dem er sie konfrontierte, skrupellos überforderte und sprengte.
Eigenwillig bemühte er dafür eine pathologische Deutungsakrobatik: Die Entscheidung von 32 parteieigenen Parlamentariern, gegen die Gläubigervereinbarung zu stimmen, sei unsolidarisch und bedeute, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Sie »erzeugt eine offene Wunde« in der Partei.
Die referendumskonforme Entscheidung von 32 parteieigenen Parlamentariern, gegen die Gläubigervereinbarung zu stimmen, war eine Glaubwürdigkeitsentscheidung und hat ihn, Alexis Tsipras, als politischen Wendehals entlarvt.
Alexis Tsipras verhalf und verhilft der Verarmungs-Politik jener Politiker auf die Sprünge, die er bis zur Wahl bekämpft hat. Damit war er zum braven Untertanen der Institutions und des IWF mutiert, zum Verwaltungsstellenleiter des griechischen Protektorats von Merkel/Schäuble & Co.
Folgerichtig brach er in einem zweiten Schritt mit gleichgesinnten, jedoch kritischen Parteigenossen und machte sein Kabinett stromlinienförmig. "Ich mache ohne sie weiter ... Keiner kann beanspruchen, mehr links als ich zu sein", so sein hochfahrendes Credo.
Propagandistisch hatte man die Parteimitglieder auch schon klassifiziert, nämlich in "proeuropäische Realisten" und in "rebellische Abweichler" und "linke Rebellen". Wie unanständig ist das denn! - Alexis Tsipras muss wohl einer Gehirnwäsche unterzogen worden sein. So geht man nicht mit Parteigenossen und schon längst nicht mit den Bürgerinnen und Bürgern um. – Das ist ganz einfach unanständig!
Auch dieser Hoffnungsträger entpuppte sich also als das, was wir seit Langem von den allermeisten Politikern kennen. Sie sind opportunistische politische Wendehälse und Statthalter von Big Money, die die Bürger verarmen. – Für so etwas braucht man keine SYRIZA-Regierung! Das haben die Vorgängerregierungen viel unaufgeregter hingekriegt.
Alexis Tsipras ist der Prototyp eines dekadent/entarteten Politikers, den ich zu tiefst verachte!
Dass er die 50 Bonus-Mandat-Regelung abgeschafft hat, müssten Sie dann wohl erst noch belegen. Auch der Textautor Richard Fraunberger erwähnt sie noch als weiterhin gültige Regelung.
Im Übrigen verweise ich auf mein Blog: Alexis Tsipras plötzlich im Olymp
„Alexis Tsipras ist der Prototyp eines dekadent/entarteten Politikers, den ich zu tiefst verachte!“
volle Zustimmung, das sehen viele Menschen in Griechenland genauso. Viele wurden in solch große Not gestürzt, daß sie mit dem nackten Überleben beschäftigt und sich deshalb für Politik nicht mehr interessieren.
Aber, das vergessen viele Leute in Deutschland, das griechische Volk ist ein stolzes Volk. Es wird sich seine Würde zurückerobern...
Badoo-X.me - Perfekte Dating-Site für Erwachsene mit Suchsystem der nächsten Generation, um einen Sex-Partner zu finden!
Alexis Tsipras hat die vorgezogenen Wahlen krachend verloren. Tsipras habe dem Chef der oppositionellen Konservativen zum Wahlsieg gratuliert, teilte ein Vertreter des Syriza-Partei von Tsipras mit.
Nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl Ende Mai hatte Regierungschef Tsipras die regulär im Oktober fällige Wahl vorgezogen. Schon bei der Europa-Abstimmung landete die ND fast zehn Punkte vor Syriza.
Tsipras hat in seiner kurzen Amtszeit, seiner Lebenspartnerin einen Professorenjob, seinem Vetter einen Regierungsposten, seiner Schwester einen Parteiposten und seinem Bruder einen Straferlass verschafft. Gleiches taten die übrigen Parteifunktionäre von SYRIZA. Kinder, Lebensgefährten, auch Ex-Partner und Anverwandte wurden mit Posten versorgt. Der Regierungspartei nahestehende Oligarchen erhielten bis zum letzten Sitzungstag des Parlaments von Tsipras Vergünstigungen. Den "ethischen Vorteil der Linken", mit dem Tsipras die Familienclans des Landes für immer besiegen wollte, hat er verspielt.
Einst versprach auch die Lebenspartnerin von Tsipras nicht mehr Tisch und Bett mit ihn zu teilen, wenn er sich nicht an das Ergebnis des Referendums hält. Daraus ist wohl auch nichts geworden...
Das ist auch mir bekannt. Aber Sie sehen eben, der Apfel fäll nicht weit vom Birnbaum.