Immer nur lächeln

GRÜNE IN NRW Alte gehen - Junge kommen und überraschen mit programmatischer Beliebigkeit

Ich hoffe nur, dass diese ständig wiederkehrenden Existenz-Abstimmungen jetzt mal ein Ende haben", kommentierte ein Sekt schlürfender Bauminister Michael Vesper das entscheidende Votum auf dem NRW-Parteitag in Bonn am vergangenen Wochenende. Er hat mittlerweile schon einige dieser Veranstaltungen hinter sich gebracht: 1996 in Hamm, als es um die erste rot-grüne Koalition ging, 1998 in Jüchen, als es die Garzweiler-Kröte zu schlucken galt. Auch bei der vielleicht entscheidenden Zerreißprobe der Grünen, dem Streit um die Beteiligung am Kosovo-Einsatz, stand Michael Vesper auf der richtigen Seite. Er müsste seine Pappenheimer mittlerweile kennen, aber er ist immer noch ein bisschen nervös vor diesen Abstimmungen. Dabei sind die Grünen-Parteitage, bei denen alles auf der Kippe zu stehen scheint, längst zur hohlen Inszenierung geworden. Die Spannung wird von außen an sie herangetragen, in der Hoffnung der Medien auf einen titelfähigen Skandal. Die Grünen selbst wissen, dass bei ihnen nichts anbrennen wird, und auch die oppositionellen Delegierten kämpfen nur noch mit halber Kraft. Sie tragen ihre Argumente vor und stellen ihre Opposition zur Schau, aber Begeisterung und echte Empörung lassen sich nur noch als Spurenelemente nachweisen.

Nachdem das Ergebnis des Bonner Parteitags bekannt gegeben wurde, 153 zu 110 Stimmen für den NRW-Koalitionsvertrag, und die grüne Führungscrew Zuversicht in die Kameras verstrahlte, da stand auch Helga Lange auf und applaudierte mit zufriedenem Lächeln. Wohlgemerkt: Die Sprecherin des Bezirksverbands Ostwestfalen-Lippe hatte gegen die Koalition gestimmt, sie ist eine entschiedene Gegnerin der A33, die in ihrer Region durch ein Naturschutzgebiet geholzt werden soll. "Die 110 Gegenstimmen sind ein Zeichen an Clement, dass er nicht alles mit uns machen kann", so kommentierte sie ihre Zufriedenheit. Die Partei-Basis konnte sich artikulieren, und das reichte. Sie braucht die Parteitage als Ventil; ihr Wunsch nach Opposition zu den herrschenden Verhältnissen ist längst kanalisiert in dieser zum Scheitern verurteilten Opposition auf Parteitagen.

Die NRW-Grünen stehen nicht vor der Spaltung und vermutlich auch nicht vor der Austrocknung. Sie entledigen sich schlichtweg ihrer alten Basis aus Bürgerinitiativen und verbissenen Einzelkämpfern. Der Kölner Ratsherr Jörg Frank analysiert, dass die Grünen in NRW in den letzten Jahren einen Mitgliederaustausch von ca. 50 Prozent vollzogen haben. Die alten Aufrechten, deren Triebkraft der Idealismus war, sind spätestens nach dem grünen Kriegseintritt Anfang 1999 gegangen. Gekommen sind junge Leute, deren "inhaltliche Beliebigkeit" Jörg Frank mitunter verdutzt. Eine Partei, die an der Regierung ist und damit Pöstchen und Gelder zu verteilen hat, ist noch nie unattraktiv gewesen. Die 17 Parteitags-Delegierten aus Köln wurden von knapp 60 anwesenden Kreisverbandsmitgliedern gewählt. Da ist noch Platz für aufstrebende junge Leute. Noch besser sind allerdings die Karrierechancen bei der FDP. Nach der Möllemann-Hausse konnten 77 anwesende Parteimitglieder der bislang kaum existenten Kölner Liberalen sage und schreibe 48 Posten vergeben.

Spannend werden die Grünen-Treffen erst wieder, wenn die Partei in Zukunft aus den Parlamenten fliegen sollte. Falls ihr Abwärtstrend anhält, dann wird dieser Fall in NRW im Jahre 2005 eintreten. Aber bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter.

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Geschrieben von

Elmar Wigand

Autor und Sozialforscher. Arbeitet als Berater für Gewerkschaften und Betriebsräte. Vorstandsmitglied + Redakteur der aktion./.arbeitsunrecht e.V.

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