Immerhin Dritter

US-Präsidentenwahl Die Kandidaten Jill Stein und Gary Johnson sind alles andere als nur Statisten
Ausgabe 33/2016
Hauptsache nicht Hillary
Hauptsache nicht Hillary

Foto: Nicholas Kamm/AFP/Getty Images

Falls es eng zugeht am Wahltag im November, blicken Hillary Clinton und Donald Trump nervös auf die Anwärter „dritter“ Parteien. Sie sind ein potenzielles Zünglein an der Waage und können wahlentscheidend sein Jill Stein (Grüne) und Gary Johnson (Libertäre) wollen mit dem Frust der Wähler punkten in diesem ungewöhnlichen Jahr, da ein Sozialist beinahe demokratischer Kandidat geworden wäre. Die Ärztin Jill Stein (66) kandidiert seit 2002 immer wieder mal mit den Grünen, um Gouverneurin, Kongressabgeordnete, Präsidentin oder Stadträtin in Massachusetts zu werden. Der Unternehmer Johnson (63) pocht auf Erfahrung: Von 1995 bis 2003 war er Gouverneur im Staat New Mexico. 2012 wechselte der Republikaner zu den Libertären, einer Protestpartei, der die konservative Konkurrenz zu wenig marktwirtschaftlich und nicht freidenkend genug ist. Bei Umfragen Anfang August kam Johnson im Schnitt auf acht Prozent der Stimmen, Stein auf drei.

Letztere baut auf die Anhänger von Bernie Sanders, die nicht akzeptieren wollen, dass dieser die „politische Revolution“ durch einen Wahlkampf für Hillary Clinton vorantreiben will. Das grüne Programm deckt sich in vielem mit dem von Sanders, geht in manchen Punkten aber weiter. Die Grünen fordern beispielsweise ein garantiertes Grundeinkommen und wollen den Militärhaushalt halbieren.

Clinton „ist das Problem, nicht die Lösung“, erklärte Stein kürzlich. Bei Stein steht Clinton oft schlechter da als Trump. „Die schrecklichen Dinge, die wir von ihm erwarten, haben wir bereits von Hillary Clinton gesehen.“ Trumps Äußerungen zum Klima seien zwar fürchterlich, aber Clinton habe als Außenministerin ein Büro geschaffen, um Fracking weltweit zu fördern. Diese Haltung ist nicht leicht zu vermitteln in einer Zeit, da viele Menschen Angst vor einem Erfolg des Kandidaten Trump haben. „Einheit ist so wichtig, um ihn zu stoppen“, versichert auch Stein, zieht aber weiter gegen Clinton vom Leder.

Im politischen Alltag sind die 1984 gegründeten Grünen eher irrelevant. Ihre Webseite listet gerade einmal 135 Politiker auf, die in den insgesamt 50 Bundestaaten Wahlämter bekleiden, darunter die Bürgermeister von Marina in Kalifornien (20.000 Einwohner) und von Victory im Staat New York (500).

Ralph Nader und das Wahljahr 2000

Gary Johnsons Rezept zielt auf weniger Regierung, aber mehr Freiheit, wie er sagt. Trumps Agenda sei Faschismus, so Johnson im Magazin New Yorker. Bei der Wahl 2012 hatte Johnson als Kandidat der Libertären ein Prozent der Stimmen erhalten. Heute sieht er offenbar eine Chance, denn Trump habe „mehr als die Hälfte der Republikaner verärgert“. Sein Programm sieht vor, die staatliche Rentenversicherung zu streichen, die Einkommensteuer abzuschaffen und durch eine Verbrauchersteuer zu ersetzen. Auch Johnson weiß freilich, was mehrheitsfähig ist, und beschwichtigt deshalb auf recht charmante Weise, er wolle ja kein Alleinherrscher sein, sondern zusammen mit dem Kongress regieren und Kompromisse eingehen. Attraktiv ist Johnson für manche im progressiven Spektrum wegen seines Vetos gegen interventionistische Militärpolitik und seiner gesellschaftspolitischen Toleranz: Seit vielen Jahren tritt er für die Legalisierung von Marihuana ein, versichert aber, seit er kandidiere, konsumiere er nichts mehr.

Bei Debatten über „dritte“ Kandidaturen kommt früher oder später das Jahr 2000 zur Sprache, als nach einer umstrittenen Auszählung in Florida George W. Bush Präsident wurde. Er erhielt dort 537 Stimmen mehr als der Demokrat Al Gore. Der Grüne Ralph Nader bekam in Florida 97.488 Stimmen, nachdem er seine Wahlkampagne mit dem Slogan geführt hatte, es gebe keinen wirklichen Unterschied zwischen Gore und Bush. Hillary Clinton tut so, als ignoriere sie Stein und Johnson, während Trump in Ohio wissen ließ, Stimmen für Stein seien gut, fielen sie doch sonst auf Clinton.

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