Impeachment droht weiter

KOMMENTAR Pyrrhussieg für Leonid Kutschma

Nicht zum ersten Mal ist in der Ukraine der Premierminister in den Mühlen zwischen Parlament und Präsident zerrieben worden. Doch erstmalig begleiteten Massenproteste den Rücktritt einer Regierung. Mit energischen Schritten hatte das Kabinett von Wiktor Juschtschenko ein bislang unberührtes Neuland der Reformen betreten. Dies bescherte der ukrainischen Wirtschaft ein seit zehn Jahren erhofftes Wachstum. Die Staatskasse zeigte sich erholt, die Auslandsverschuldung wurde abgebaut. Vor allem pünktliche Renten- und Lohnzahlungen verhalfen Juschtschenko zu beachtlicher Popularität.

Der Tatendrang des Premiers war allerdings zwei Kräften ein Dorn im Auge. Die Kommunisten verdammten seine prowestliche Haltung. Die Oligarchen, die sich in den zentristischen Parteien eingenistet haben, fürchteten um Verdienstchancen in der Schattenwirtschaft. Das Zweckbündnis aus Ideologie- und Geldmacht wurde nun zum Handlanger des Präsidenten Leonid Kutschma.

Gerade zur rechten Zeit kulminierte für den Staatschef die Debatte um die Person Juschtschenkos. Stark angeschlagen von der Affäre um den ermordeten Journalisten Gongadse und Korruptionsvorwürfen, nutzt er jede Gelegenheit, öffentliche Aufmerksamkeit von sich abzulenken. Noch mehr ist er um die Zeit nach seiner Präsidentschaft besorgt und sucht einen Premier, der vorbehaltlos sein Kapital und das seiner Familie schützen wird. Wiktor Juschtschenko war zwar stets gegenüber dem Amt des Präsidenten loyal, doch galt das nicht für die zwielichtigen Machenschaften des derzeitigen Amtsinhabers.

Die Möglichkeit, diese Regierung zu retten, wurde vergeben. Im Februar knüpften die Oligarchen das politische Überleben Juschtschenkos an eine Neubesetzung des Ministerkabinetts mit ihren Leuten. Die Regierung konterte mit der Gesetzesvorlage, dass eine parlamentarische Mehrheit für die Regierungsunterstützung gebildet werden müsse. Geschehe dies nicht, dürfe Kutschma das Parlament auflösen. Mit dieser Variante legte Juschtschenko einen Köder für den Präsidenten aus, um seine Unterstützung zu erkaufen. Das ging der Opposition zu weit. Die Abstimmung im Parlament scheiterte. So ist der politische Stern dieser Regierung bereits im März untergegangen. Was folgte, war eine Farce. Kutschma ist es noch einmal gelungen, die Lage zu seinen Gunsten zu entscheiden. Ökonomische Gier und politische Eitelkeiten der Parlamentarier haben ihn als Garanten der Stabilität im Lande auferstehen lassen. Keiner will ihm so recht glauben, dass er hinter den Kulissen nicht die Strippen gezogen hat. Nun eilt die Suche nach einem unscheinbaren, loyalen Premier, der Kutschmas absoluten Machtanspruch nicht in Frage stellt. Doch es bleibt fraglich, ob es nicht ein Pyrrhussieg für ihn war. Eine direkt nach dem Misstrauensvotum gestartete Abstimmung zur Einleitung des Impeachment-Verfahrens gegen den Präsidenten scheiterte nur knapp.

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