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Hartzer Käse Nach fast vier Jahren folgen den Worten der rot-grünen Bundesregierung endlich Sätze. Mit einem einzigen Satz soll die Arbeitslosigkeit halbiert ...

Nach fast vier Jahren folgen den Worten der rot-grünen Bundesregierung endlich Sätze. Mit einem einzigen Satz soll die Arbeitslosigkeit halbiert werden, oder, wenn das nicht klappt, zumindest die Arbeitslosenunterstützung. Schließlich steckt in den Arbeitslosen das Geld, das woanders so dringend gebraucht wird.

Zwar schaffen die Ideen von VW-Manager Peter Hartz für die Jobsuchenden keine neuen Stellen, aber jede Menge neue Anlaufstellen: Personalserviceagenturen, Job-Center, Schnellvermittler, Fast-noch-schneller-Vermittler.

Florian Gerster, Chef der Bundesanstalt für geschönte Vermittlungszahlen, sagt: Wenn die Unterstützung über zwölf Monate hinausgeht, verstetigt sich die Arbeitslosigkeit. Soll heißen: Wer länger als ein Jahr nichts Vernünftiges tut, den verlässt die Lust zur Arbeit völlig. Wer wüsste das besser als Flori Gerster und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb sollen die nicht vorhandenen Stellen jetzt noch besser vermittelt werden. Wer eine solche Stelle ablehnt, muss mit Kürzungen rechnen.

Pauschale Abzüge sind nicht vorgesehen, höchstens welche in Bausch und Bogen. Ein höher gehängter Brotkorb reduziert vielleicht nicht die Arbeitslosenzahlen vom Umfang her, aber die Arbeitslosen.

Die drohende Entvölkerung Ostdeutschlands will VW-Manager Peter Hartz mit der Forderung nach mehr Mobilität bei der Jobsuche bekämpfen. Ein Tritt in die richtige Richtung. In einem ersten Modellversuch, gefördert durch die Bundesanstalt für Arbeit und die Stiftung Volkswagenwerk sollen jetzt 30 ostdeutsche Jugendliche an die Ruderbänke der Yacht von VW-Manager Peter Hartz geschmiedet werden, um zu ermitteln, wie sich Mobilität und Sesshaftigkeit sozial verträglich vereinbaren lassen.

Mobiles Denken und Handeln ist eine Grundforderung unserer Zeit. Seit Jahren bestätigen sich die großen Konzerne als Vorreiter und gehen bis nach Asien oder Südamerika, wo die bei SPD und FDP beliebten Billig-, Niedrig- und Niedrigstlohnbereiche entstehen, zum Beispiel auf den Baumwollplantagen von VW-Manager Peter Hartz.

In Deutschland, wo Baumwolle nicht so gut gedeiht, entstehen nach dem Willen von Peter Hartz schon bald viele so genannte Ich-AGen. Durch Selbstständigkeit aus der Arbeitslosigkeit und erst später wieder in die Arbeitslosigkeit zurück - diese Strategie konsequent umgesetzt, könnte in den nächsten Jahren einen Zuwachs von über vier Millionen Betrieben bringen. Wenn auch nur vorübergehend.

Zeitarbeitsfirmen sollen aus ihrem Arbeitskräfte-Pool (deutsch: Großer Sklavensee) noch intensiver Leiharbeiter an Entleihbetriebe entleihen. Angestrebt wird gleicher Niedriglohn für gleiche (oder mehr) Arbeit. Mehr Arbeit, das ist es doch, was alle wollen.

Damit der erste Arbeitsmarkt nicht völlig unvorbereitet auf die vielen Arbeitslosen trifft, gilt es, diese fit zu machen. Weniger Geld für die Finanzierung der Arbeitslosigkeit, mehr Geld für die Finanzierung der Aus- und Fortbildung beziehungsweise für die Aus- und Fortbilder.

Nach wie vor sehr beliebt sind Umschulungen vom Busfahrer zum Eisenbahner, anschließend zum Matrosen, danach zum Fluglotsen und dann wieder zum Busfahrer oder zum Baumwollpflücker auf den Plantagen von VW-Manager Peter Hartz.

Trainingsmaßnahmen wie "Wie kratze ich mich richtig am Kopf?", "Wie bewerbe ich mich richtig?" (Angehende Personalchefs belegen den Kurs "Wie lehne ich Bewerbungen richtig ab?") ergänzen das alles auf sinnvolle Weise. Ebenso Typenberatungen in punkto Make-up und Kleidung, damit diese arbeitslosen Typen endlich mitkriegen, wie herum sie sich anzuziehen haben.

Die Zertifikate für diese Maßnahmen sind das Papier, auf denen sie gedruckt wurden, durchaus wert. Umlernen ist ein Gebot dieser Zeit. Es gibt gute Beispiele, wie sich Menschen, deutsche Menschen, im Verlauf ihres Lebens immer anspruchsvollere Ziele gesteckt haben. Bei Bundesaußenminister Joschka Fischer waren es früher lediglich ein paar poplige Bullen, heute ist es nicht weniger als die Weltherrschaft.

Die Vorschläge von VW-Manager Peter Hartz liegen auf dem Tisch. Nun gilt es zu handeln.

Irgendwie muss man die Arbeitslosen ja unterkriegen.

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