In der Sackgasse

Polen Im Streit mit dem Verfassungsgericht hat sich die nationalkonservative Regierung in eine Sackgasse manövriert. Am Ende stellt sie sich damit selbst ein Bein
Ausgabe 11/2016
Beim Barte von Lech Wałęsa: Demonstieren für die Gewaltenteilung in Polen
Beim Barte von Lech Wałęsa: Demonstieren für die Gewaltenteilung in Polen

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Für Autoren politischer Lehrbücher lohnt ein Blick nach Polen, sollten sie ein Paradebeispiel für eine politische Sackgasse suchen. Denn die regierende nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) steckt in einer solchen. Ihre Entscheidung, ein Urteil des Verfassungsgerichts nicht zu akzeptieren, ist ein Affront gegen die Gewaltenteilung. Die Richter hatten in ihrem Votum eine Reform des Verfassungstribunals verworfen, die auf die faktische Blockade des höchsten Gerichts hinauslief. Ähnlich urteilte auch die renommierte Venedig-Kommission des Europarates in ihrem rechtlich nicht bindenden Gutachten.

Die starre Haltung der PiS verwundert nur auf den ersten Blick. Denn durch die verbale Hetze der vergangenen Monate gegen das „postkommunistische“ höchste Gericht könnte sie gar nicht nachgeben, ohne nun ihr Gesicht zu verlieren. Dadurch aber droht dem Land das Chaos. Regierung und staatliche Behörden werden nämlich künftige Urteile des Verfassungsgerichts nicht akzeptieren, untergeordnete Gerichte dies aber sehr wohl tun. Innenpolitische Spannungen sind programmiert.

Die sture Haltung von Parteichef Jarosław Kaczyński liegt einerseits an seiner Provinzialität und an seiner ins Irrationale gleitende Machtgier – und an politischer Dummheit. Denn mit ihrem radikalen Kurs in institutionellen Fragen stellt die Regierung in erster Linie sich selbst ein Bein. Ihre sozialpolitischen Reformen, eine keynesianisch anmutende Wirtschaftspolitik und günstige Wirtschaftsdaten sorgen nämlich dafür, dass die Zustimmung zur PiS in der Bevölkerung unvermindert hoch ist. Doch das tritt angesichts des Streits um die Gewaltenteilung und die demokratische Verfasstheit des Landes in den Hintergrund.

Die wachsende Zahl der Protestler, die Opposition und die EU-Kommission: Sie alle werden ihren Druck auf die PiS erhöhen. Kaczyński hat offensichtlich eines vergessen: dass er mit der EU und ihren Werten leben muss. Als radikaler Anti-Postkommunist sieht er sich als Kämpfer gegen Klüngel und eine antipolnische Verschwörung durch ein linksliberales Establishment, das angeblich in der EU herrscht. Doch dieses Mal hat er sich klar verkalkuliert. Aus dieser Sackgasse wird er ohne Gesichtsverlust nicht herauskommen.

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