In der Verwertungskette

Im Kino Paul W. Andersons "Alien vs. Predator" macht klar, dass der Kinofilm als Videospiel keine Zukunft hat

Als Sigourney Weaver, die Darstellerin der Ellen Ripley in der Alien-Serie, vor kurzem um einen Kommentar zum aktuellen Hollywoodkino gebeten wurde, äußerte sie sich skeptisch. Die Studios würden nur noch Filme produzieren, die ohne jedes Risiko satte Erträge einfahren. Mag sein, dass diese Klage so alt ist wie die Traumfabrik selbst. Zu Alien vs. Predator passt Weavers Bemerkung trotzdem wie die Faust aufs Auge.

Der ganze Film macht den Eindruck, als sei der wesentliche Impuls zu seiner Realisierung aus der Lizenzabteilung von 20th Century Fox gekommen. Das Studio besitzt sowohl die Rechte an der Alien-Reihe als auch an den beiden Predator-Filmen, in denen ein gottgleicher Außerirdischer erst im südamerikanischen Dschungel und dann in L.A. auf Menschenjagd geht. Warum also nicht beide Franchises durch eine Fusion noch einmal in die Gewinnzone katapultieren? Aus diesem Gedanken entstand noch vor dem Filmskript ein fünfteiliger Comic und dann ein Videospiel, auf das sich wiederum der Film bezieht. AVG, das die Kurzform des Titels, ist damit das Musterbeispiel einer Verwertungskette, die ein Produkt durch die Zirkulation in unterschiedlichen medialen Darstellungsformen erneuert. So wird ein Publikum erschlossen, das sonst der Konsole den Vorzug gibt. Schon lange vor seiner Fertigstellung war AVP ein heiß diskutierter Stoff auf Pausenhöfen und in Internetforen.

Paul W. S. Anderson (Resident Evil), ein Spezialist für die Verfilmung von Videospielen, hat sich bei seiner Inszenierung ganz von einer Game-Dramaturgie leiten lassen. Die selten holprige Exposition ist allenfalls ein notwendiges Übel, das bei einem Kinofilm nun mal vor dem shoot´em up steht: Ein Industrieller namens Charles Bishop Weyland (Lance Henriksen) entdeckt, dass unter dem Eis der Antarktis eine Pyramide verborgen ist und beginnt eine Expedition zu ihrer Erforschung zusammenzustellen. Zum Team gehören ein italienischer Archäologe mit charmant rudimentären Englischkenntnissen (Raoul Bova), ein britischer Chemiker mit schlechten Zähnen (Ewen Bremner) und eine afroamerikanische Expertin für Eiswanderungen (Sanaa Lathan), die hier so eine Art Hauptrolle spielt. Eine Art - denn die eigentliche Attraktion des Films besteht aus dem Kampf zwischen den Aliens und einem Predator, der die Menschen nur als Jagdköder benutzt. "Egal wer gewinnt, wir verlieren", lautet denn auch die Schlagzeile auf den Filmplakaten.

Alien vs. Predator ist wenig spannend. Die meisten Gefechtszenen spielen im Halbdunkel und werden mit spröder Routine abgehandelt. Was bleibt, sind Insiderwitze wie derjenige, dass der Name Bishop auf den gleichnamigen Androiden in Aliens und Alien 3 verweist, der ebenfalls von Henriksen gespielt wurde. Dadurch wird AVP zu einer Art Prequel: Das Imperium des Großindustrielle stellt die Technologie zur Verfügung, die spätere Ausflüge ins All erst möglich macht.

Eine Zeitlang mag es gut und notwendig gewesen sein, dass Hollywood die Dramaturgien der Videospiele kopierte. Es bezeugte einen gewissen Respekt für eine Branche, die längst mehr Umsätze macht als die Filmindustrie selbst, und mochte tatsächlich geeignet sein, dem Kino neue Publikumsschichten zu erschließen. Doch ein Film wie AVP macht schmerzhaft klar, dass der Versuch jung und schick zu sein, in eine Sackgasse führt. Bei einem Spiel fällt eine mangelhafte Dramaturgie kaum ins Gewicht, weil schon die Partizipation des Spielers am Geschehen dafür sorgt, dass er bei der Stange bleibt. Kino aber braucht klare Figurenzeichnungen, nachvollziehbare Konflikte und Suspense.

In Bezug auf die Predator-Serie ist das nicht so schlimm: Die Filme sprühen nicht vor intelligenter Action. Für den Alien-Kosmos aber sind die Folgen gravierend. Von dem diskursiven und ästhetischen Reichtum der Saga, die sich um den Horror von Geburt und Mutterschaft dreht, ist hier nichts mehr zu spüren. Das ambivalente Verhältnis zwischen der weiblichen Hauptfigur und der Alien-Königin hat man gekippt. Nicht nur weil AVP im amerikanischen Kino längst nicht so erfolgreich lief wie erwartet, müsste sich 20th Century Fox eigentlich selbst verklagen: wegen ernsthafter Beschädigung einer großen Marke. Sigourney Weaver scheint das schon früh gewusst zu haben. Als ihr während der Dreharbeiten zu Alien 3 die Hauptrolle in AVP angeboten wurde, lehnte sie ohne zu Zögern ab.


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