Vielleicht ist Donald Houwer noch nicht so richtig drin in der Politik. Mit dem Ringen um Mehrheiten, Machtbeteiligungen und dem allzeit spitzen Intrigendolch kann das Mitglied im Berliner Landesvorstand der nagelneuen Partei „Demokratie in Bewegung“ (DiB) nicht viel anfangen. Für ein Gespräch über Politik schlägt er den späten Sonntagnachmittag vor. Wenn man antwortet, dass da wohl gerade die ersten Exit-Polls aus Nordrhein-Westfalen einträfen, stockt er einen Moment. „Ach ja. Gut.“
Dann sitzt Donald Houwer in einem sonntagsleeren Co-Working-Space in Berlin-Mitte: Geboren 1978 in München, Sohn eines Filmproduzenten und einer Schauspielerin, Geschäftsführer einer kleinen Filmproduktionsfirma, Button-down-Jeanshemd, die etw
d, die etwas lockigen Haare gescheitelt, der schmale Schnörres eine Spur über der allgemeinen Errol-Flynn-Länge. Hier im Büro mieten sie einen Tisch, im Keller halten sie Sitzungen ab, es ist still. Draußen denkt der Mai eine Weile über Regen nach und für eine Weile werden wir nichts davon mitbekommen, dass es auf die NRW-SPD gerade kräftig einprasselt.Donald Houwer, das zeigt sich sofort, ist ein ganz Netter. Wenn man ihn fragt, wieso er aber in die Politik und sogar eine eigene Partei gründen wollte, sich dann zu einer gesellte, die den Namen „Demokratie in Bewegung“ trägt, erzählt er von drei Dingen: seinen beiden Kindern und einem Wichtelabend.Irgendwie hat sich in den vergangenen Jahren das Prinzip Storytelling durchgesetzt, ein Werbemittel aus der Start-up-Branche: Neue Unternehmen erzählen tolle Geschichten, versuchen sie dann mit Investorengeld in die Wirklichkeit zu übersetzen. NGOs machen es genauso, auch neue politische Parteien, denen charismatische Anführer fehlen, brauchen das Prinzip. Bei Donald Houwer geht die Geschichte so: Er stellte sich mit Blick auf seine Kinder, jetzt fünf und zehn Jahre alt, vor, wie sie ihn fragen werden: Papa, warum sind die Dinge damals so mies gelaufen? Hört sich prima an. So prima, dass andere DiB-Mitglieder dieselbe Story sogar über Kinder erzählen, die sie noch gar nicht gezeugt haben.Die Dinge jedenfalls spannen für Donald Houwer ein weiten Bogen: vom Brexit über Donald Trump, generell aber über Ressourcenpolitik und Umweltverschmutzung. Konkrete Ereignisse, die sein Gefühl bestärken, dass die Welt den Bach runtergehe. Warum, würden seine Kinder fragen, habt ihr damals nur bequem weitergemacht?Also nicht bequem, erste Stufe: Donald Houwer hat sich bei existierenden Parteien umgeschaut, ihm waren die Grünen am nächsten. Den Veggi Day fand er prima. Die duckmäuserische Art aber, mit der die Grünen den Vorschlag versenkten, beschämte ihn. Als er grüne Politiker kennenlernte, die sein nachhaltiges Filmfestival beschirmherrten, wuchs bei ihm „nicht das Gefühl, bei den Grünen ein Zuhause finden zu können“. So ein Gefühl haben wohl viele, für Donald Houwer war es entscheidend. Er glaubt, dass Neulinge in Parteien nicht zum Zuge kämen, „das Abstecken der Claims hat schon stattgefunden“. Er war selbst nie in einem Ortsverein, hörte aber von anderen, dass sehr viel verloren ginge, wenn Einzelne politische Ideen durch die Ebenen bringen wollten.Stufe zwei, Versuch der eigenen Parteigründung. Houwer kennt viele Leute, das Filmfestival war Teil der Berlinale, es ging um Nachhaltigkeit. Er las Parteiprogramme, suchte sich Dinge heraus, die er gut fand, erzählte Bekannten davon. Er entziffert Politik und Gesellschaft psychologisch: „Das System, wie wir es heute sehen, läuft deshalb so falsch, weil die maßgeblichen Leute ihr Ego bedienen.“ Wenn man also das Ego zurückdrängen, wenn man den Egoismus bekämpfen könnte, käme man bei etwas heraus, was auch wichtig ist für Donald Houwer: Gemeinschaft.„Es geht um Geklüngel, Vetternwirtschaft, Posten“Donald Houwer hat sogar das Gefühl, dass Egoismus die Demokratie selbst zerstört: „Es gibt kein demokratisches Prinzip zwischen Volk und Volksvertretern. Da geht es um Geklüngel, Vetternwirtschaft, Posten.“ Houwer hingegen will Initiativen von Einzelnen stärken, Mitmachprinzipien, direkte Demokratie, Transparenz, digital gestützt. Er sagt: Volk.Dann kam der Wichtelabend: Houwer veranstaltete eine Weihnachtsfeier, Wichteln ist ein Vorgang, bei dem auch Erwachsene Dinge an zufällig Ausgeloste verschenken. An dem Abend erzählte eine Freundin von DiB, gerade gegründet, Donald solle mal vorbeischauen. Logos und Bilder gestaltet die Partei als Farbverlauf, von blau über rot bis fast gelb. Man könnte meinen, da hätten Sätze aus jedem Parteiprogramm Platz. Es gibt Werte, die hören sich gut an. Was das mit dem Wichtelabend zu tun hat? Nichts, aber es ist ein hübsches Bild: Donald Houwer und eine Reihe anderer, die auf nachhaltige Filmfestivals gehen, sitzen gemeinschaftlich beieinander, liebevoll eingepackte Geschenke, Wichtelmützen, ein Gespräch darüber, dass alles den Bach hinabgeht. Die Lösung: eine neue Partei.Die soll nun Demokratie, Gemeinschaft und Transparenz überdenken, weltweit sogar, und sie ins Politische übertragen. Zum Beispiel Energieproduktion und energieverbrauchende Industrie in Nordafrika anzusiedeln. Die Idee will Houwer initiativ einbringen. Damit würde Europa vielleicht die Aluminiumindustrie verlieren, aus dem Blick der Nachhaltigkeit mache das aber Sinn: Mehr Jobs in Nordafrika, bessere Lebensbedingungen, weniger Flüchtlinge, saubere Solarenergie, was kann man dagegen haben? Houwer erzählt von den Förstern Anfang des letzten Jahrhunderts. Die klugen setzten Buchen an. Buchenholz bringt hohe Erträge. Prima Sache. Dauert, den Ertrag sollten die Förster-Enkel einstreichen. „So wollen wir Politik machen“, sagt Donald Houwer.
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